Heute hätte der bekannte Bücherpapst Marcel Reich-Ranicki seinen 100. Geburtstag gefeiert. Gewürdigt und hofiert von Deutschlands Schickeria, wird seiner in jeder größeren Zeitung gedacht. Eines haben die Gedenken jedoch  gemeinsam: Eine gewisse Zeitepoche des Gefeierten wird zumeist vergessen oder gar bewusst unterschlagen. Jener Lebensabschnitt, der Schatten auf Ranickis scheinbar unbeflecktes Leben wirft. Allein Springers Welt wagte einen Vorstoß in die dunkle Vergangenheit des Stars.

    Im Dienste des polnischen Adlers

    Nachdem der im deutsch besetzten Warschauer Ghetto lebende Marceli Reich – so der frühere Name des Kritikers – 1944 durch die Rote Armee zu Freiheit kam, stellte er am 25. Oktober 1944 ein Aufnahmegesuch für den polnischen Geheimdienst. Innerhalb kürzester Zeit legte er einen raketenartigen Aufstieg beim Narichtendienst ein. Schnell avancierte er zum Hauptmann und konnte sich mit Auszeichnungen beispielsweise für herausragende Verdienste schmücken.

    Ein Einsatz im oberschlesischen Kattowitz wirft jedoch besondere Fragen auf seine Tätigkeit als Geheimdienstchef auf. Denn dort hatte er zu Beginn des Jahres 1945 fast zwei Monate lang die Leitung einer Operationsgruppe, die laut Welt „die Strukturen des Bezirksamtes der Staatssicherheit aufbauen sollte“. inne. Weder der Personalakte noch den vor 20 Jahren erschienenen Lebenserinnerungen Reich-Ranickis, Titel: „Mein Leben“, sind nähere Einzelheiten zu entnehmen.  

    Nun ist allerdings nicht unbekannt, welche grauenvolle Rolle der polnische Geheimdienst in den von den Sowjets übergebenen ehemaligen deutschen Gebieten einnahm. So gehörte es zur unrühmlichen Aufgabe, Deutsche, denen nicht rechtzeitig die Flucht gelang oder die vor der Roten Armee nicht fliehen wollten, zu vertreiben oder umzubringen. Es dauerte nicht lange, bis diese Menschen zu Angehörigen angeblicher Wehrwolfeinheiten oder Saboteuren stigmatisiert wurden. Dazu wurden in Schlesien auch Internierungslager errichtet, 1.255 waren es an der Zahl, um die sogenannten Verdächtigen zu inhaftieren.

    Einige Lager entwickelten sich geradezu zu Todesquartieren für die willkürlich aufgegriffenen Schlesier. Die Lager Lamsdorf und Potulitz hatten die meisten Toten zu beklagen, welche überwiegend durch Misshandlungen und Folterungen der Wachmannschaften verursacht worden sind. Alle Neugeborenen starben schon innerhalb weniger Tage. Die Operationsleitung Kattowitz, der Ranicki angehörte, war mit der Errichtung dieser und anderer Lager betraut.

    Der Welt gegenüber bagatellisiert Reich Ranicki unbeholfen diesen Lebensabschnitt, als er damit konfrontiert wird. Die Akte kenne er nicht, und seine Arbeit beim Geheimdienst bewertet er als belanglos und überflüssig. Die habe er nur ungern verrichtet, was sein steiler Aufstieg und seine zahlreichen Auszeichnungen jedoch fraglich erscheinen lassen. Den Inhalt der Akte hält er für Unsinn und mahnt die Redakteure dazu, „Akten nicht immer für bare Münzen zu nehmen“.

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