Julius Evola lehnte den Nationalsozialismus als „plebejisch“ ab, bewunderte allerdings das Ordens- und Männerbund-Prinzip der SS. Einen Geistesverwandten fand er in Himmlers Runen-Experten Karl Maria Wiligut, dessen Leben und Ideen Rudolf J. Mund in seiner legendären Biografie „Der Rasputin Himmlers“ nachgezeichnet hat. Das lange vergriffene Werk ist nun endlich wieder erhältlich. Hier mehr erfahren.

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    Die Vortragsreise des italienischen Philosophen und Esoterikers Julius Evola nach Deutschland 1938 wurde von den hohen Funktionären des Regimes und insbesondere von NS-Chefideologe Alfred Rosenberg mit äußerster Skepsis betrachtet, sodass man sogar die SS damit beauftragte, den unkonventionellen Denker zu beobachten. Doch es war ausgerechnet Himmlers Runen-Mystiker Karl Maria Wiligut, der Evolas Ideen aufgriff und sie weitgehend positiv rezipierte. Wer war der Mann, den Rudolf J. Mund in seiner lange vergriffenen, nun aber wieder erhältlichen Wiligut-Biografie als „Himmlers Rasputin“ bezeichnete?

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    Die Geheimnisse der Runenmagie

    Wiligut wurde 1866 in Wien geboren. Sein Großvater und Vater weihten ihn, wie Mund in „Der Rasputin Himmlers“ schreibt, in die Runenkunde und die Mysterien der Familie ein. Wie in der Tradition der Skalden, der nordischen Dichter und Sänger, die ihr Wissen auf ihre Nachkommen übertrugen, gab auch in der Wiligut-Familie der Vater das geistige Ahnenerbe an den ältesten oder einzigen Sohn weiter.

    Nach Militärdienst bei der k.u.k Armee und Kampfeinsatz, zuletzt als Oberst, im Ersten Weltkrieg schaffte es Wiligut nur schwer, wieder Fuß zu fassen. Er verschuldete sich, hatte mehrere Nervenzusammenbrüche und kam schließlich in ein Sanatorium. Wiligut gab an, sein zerrütteter Zustand hänge mit einer Gasvergiftung im Krieg zusammen. In einem 1937 verfassten Lebenslauf schrieb er, die mächtigen Feinde Freimaurerei, Judentum und Kirche hätten sich damals gegen ihn verbündet, um ihn hinter die Gitter einer Anstalt zu bringen.

    Im Frühjahr 1933 übersiedelte Wiligut nach Deutschland. Unter dem Namen Jarl Widar widmete er sich weiter seinen Runenarbeiten und vorgeschichtlichen Forschungen. Offenbar hatte er wieder sein Gleichgewicht gefunden. Der Österreicher muss sehr charismatisch gewesen sein: Sein Einfluss wuchs, Schülerinnen und Schüler scharten sich um ihn.

    Die Vision einer neuen Religion

    Noch im selben Jahr 1933 kam es zu einer entscheidenden Wende in seinem Leben, als er Himmler kennenlernte. Laut Munds Wiligut-Biografie war auch der Reichsführer der SS beeindruckt von Wiligut, seinem Wissen und seiner militärischen Laufbahn. Er betrachtete den Runenkundler zweifellos als einen Geheimnisträger, dessen Wissen die Wiedergeburt eines fast eingeäscherten germanischen oder arischen Urglaubens ermöglichen könnte.

    Unter dem Namen Karl Maria Weisthor trat er schließlich in die Schutzstaffel ein – mit mittlerweile 66 Jahren war er einer der ältesten SS-Offiziere. Nach einem halben Jahr war er Standartenführer, was seiner Stellung als Oberst in der k.u.k. Monarchie entsprach. Wiligut alias Weisthor wurde Leiter der Abteilung für Ur- und Frühgeschichte im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS in München und wurde später in den Persönlichen Stab Himmlers berufen.

    Der von Wiligut entworfene SS-Ehrenring. Foto: Repro / Montage COMPACT

    Er entwarf den silbernen Totenkopfring der SS und wählte auch die Runen für den Ring aus: die Sig-Rune, die Hagal-Rune, das Hakenkreuz und eine Binderune für Got, jenes Wort, das Wiligut in seiner monotheistischen nordischen Religion für Gott (Gotos) verwendete. Die vielen Göttinnen und Götter der Edda spielten für ihn, wie Mund in „Der Rasputin Himmlers“ schreibt, kaum eine Rolle, und so schien Wiliguts Gotosglaube offenbar ideal für Himmlers Vision zehntausender gottgläubiger SS-Männer.

    Der nordisch-polare Mythos

    Den mystischen, „nordisch-polaren“ Ideen Evolas stand Wiligut aufgeschlossen gegenüber. In einem Gutachten schrieb er in Übereinstimmung mit dem Italiener: „Uns Menschen ist ‚Wahrheit‘ jene Got(t)erkenntnis, die uns das Gesetz von Ursache und Wirkung vermittelt. Nur sonnenhaftes Licht bringt uns zum Bewusstsein, dass wir ein Abbild des Schöpfungsgeschehens sind und seinen Gesetzen (der Rhythmik von Ursache und Wirkung) gehorchen müssen. Darum ist ‚gotgläubig sein‘ der höchste arische Ausdruck ‚Sein-es Geisteswillens‘.“

    Weiter führte er aus:

    „Aus diesen Gedankengängen geht hervor, warum es Menschen geben muss, die im Sinne ihres rassischen, in diesem Falle arischen Gedankengutes unsichtbar für die Gesamtheit ihres Volkes wirken müssen, weil sie sonst ewig in Gefahr sind, in den Strudel der Zeitläufe gerissen zu werden, sodass sie nicht mehr weiter für ihre Rasse wirken können.“

    Solche Vorstellungen, so Wiligut, seien es gewesen, die „die Vorstellung der Gothen als Führer aller teutonischen Stämme und die Sagen über den göttlichen Kosmos begründeten, deren arische Aufgaben als Goden (Geistige Führer) bis heute in den subrassischen Bestandteilen, Gemeinschaften und Stämmen trotz der zersetzenden Aktivität des Katholizismus bewahrt blieben.“

    Macht und Magie: Julius Evola und die SS

    Einige Wochen später ergänzte Wiligut alias Weisthor:

    „Um sich ein endgültiges und abschließendes Urteil über Evola zu bilden, müsste man mit diesem Mann selbst einmal zusammenkommen. Es ist durchaus denkbar, dass mit vielgebrauchten Begriffen Imperialismus, König und Adel die Gedanken dieses Mannes falsch verstanden werden, und ich möchte dies nochmals besonders betonen. Meiner Auffassung nach kann es sein, dass Evola durchaus richtig orientiert ist und dass nur der Übersetzer Friedrich Bauer diese falsche Gedankenrichtung hervorruft.“

    Tatsächlich ordnete Himmler daraufhin nochmal eine Begutachtung von Evolas Werk „Heidnischer Imperialismus“ an, wobei sogar die deutsche Fassung mit der italienischen Urfassung verglichen wurde, um Übersetzungsfehler auszuschließen. Ein Abteilungsleiter des SS-Sicherheitsdienstes SD erneuerte jedoch wenig später die kritischen Vorbehalte gegenüber dem italienischen Autor.

    Sie stellten okkulte Forschungen an: Karl Maria Wiligut (l.) und sein Chef Heinrich Himmler. Foto: Abb. aus „Der Rasputin Himmlers“ von Rudolf J. Mund. Hier bestellen.

    Dennoch bleibt festzuhalten, dass es trotz aller beiderseitigen Vorbehalte gewisse Übereinstimmungen zwischen Evola und der SS hinsichtlich deren Pläne zur Errichtung eines männerbündisch ausgerichteten Ordensstaates gab, die Evola, wie man in dem Buch „Julius Evola: Im Schatten der SS“ nachlesen kann, ausdrücklich begrüßte.

    So schrieb Evola 1938 in der Zeitschrift Vita Italiana: „Wir sind davon überzeugt, den Kern eines Ordens im höheren Sinne der Tradition im ‚Schwarzen Korps‘ zu finden.“ 1941 fügte er in Bezug auf ein künftiges Europa unter deutscher Führung hinzu:

    „Jenseits der Grenzen der Partei und jeder politisch-administrativen Struktur, muss eine Elite in Form eines neuen Ordens – einer Art asketisch-militärischer Organisation, verbunden durch die Prinzipien Ehre und Treue – die Basis dieses Staates bilden.“

    Schaffte es Evola mit diesen Bekundungen letztendlich doch, Himmler und andere Funktionäre des SS-Apparats auf seine Seite zu ziehen? Das lesen Sie kommende Woche im vierten und letzten Teil dieses Beitrags.

    Aus erster Hand: Das Buch „Der Rasputin Himmlers“ basiert auf persönlichen Gesprächen mit Zeitzeugen aus dem unmittelbaren Umfeld Karl Maria Wiliguts und wird ergänzt durch Korrespondenz, die bis in die 1920er Jahre zurückreicht. Der ehemalige SS-Freiwillige und spätere Komtur des Neutempler-Ordens, Rudolf Mund, hinterließ damit ein Standardwerk zur Erforschung der okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. Seine lange vergriffene, nun aber endlich in einer unveränderten Neuauflage wieder erhältliche Biografie ist die erste zusammenfassende Darstellung über Wiliguts Leben und Werk. Hier bestellen.

    9 Kommentare

    1. Macht doch mal einen Artikel über Putlins Rasputin, Shlomo Dov Pinchas Lazar, besser bekannt als Rabbi Berel Lazar.

      —————

      Artikel über Lazar und Chabad gibt’s schon: COMPACT 5/2022: „Propheten der Apokalypse“ | www.compact-online.de/propheten-der-apokalypse

    2. Rinelda Emmerbauer am

      Es gab auch germanisch-deutsche volksfreundliche Intellektuelle, die dem Nationalsozialismus und dessen Führer skeptisch, warnend und ablehnend gegenüberstanden. Mathilde Ludendorff und Friedrich Hielscher.
      vgl. https://ludendorff.info/
      https://juenger-gesellschaft.com/friedrich-hielscher-und-juenger-ein-interview-mit-kurt-m-lehner/
      https://antaios.de/buecher-anderer-verlage/quellentexte-zur-kr/nationalrevolutionaere/1270/das-reich

    3. Das ist keine echte P 38 im Bild sondern ein Spielzeug aus Zinnguss für maximal 79,- €.
      Es fehlt alles an Typen-Kennzeichnung und Schlagstempel des Waffenamts. Die Griffschalen sind im Original aus Bakelit und nicht aus Plastik und das "F" wie "Feuer" war rot gekennzeichnet. Die Brünnierung schimmerte im dunkel-silbergrau und nicht mattschwarz wie lackiert.

      • hang up your boots! am

        @ Peter R.:

        "Herr Lehrer, ich weiß was." — Ist doch klar, dass das eine Replika-Waffe ist. Das ist ein Stockfoto, guter Mann. Dient zur Illustration des Textes. Haben Sie den auch gelesen — oder nur das Bild angeguckt?

        • Habs nicht gelesen, wenn das so schon losgeht – ich lass mir nicht gern ein X für ein U vormachen.

        • Otto Baerbock am

          Hang up your boots!

          "Ist doch klar, dass das eine Replika-Waffe ist."

          Mir nicht. Weil ich mich mit Waffen praktisch nicht auskenne – außer den Videos von ‚Gun Jesus‘ (Forgotten Weapons), hab ich keine Ahnung davon. Ich wüßte also (leider) eine Replikation kaum vom Original zu unterscheiden. Wäre allerdings dumm, wenn ich mit einer Replikation zu einer (echten) Schiesserei kommen würde … – daher: Fanx an Peter R. für die Aufklärung.

        • @ Otto B.
          Danke für Zuspruch. Das ist keine Replika,, eine solche hätte zumindest noch ein paar bewegliche Teile. Das ist eine reine Deko-Pistole (Dekoration)