Im sechsten und letzten Teil des Gesprächs der Budapester Zeitung mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban geht es um Literatur und konservative Klassiker. Lesen Sie auch das deutsche Polit-Urgestein Oskar Lafontaine im O-Ton. Sein brandneues Buch „Ami, it’s time to go – Plädoyer für die Selbstbehauptung Europas“ bietet Ihnen dazu eine gute Gelegenheit. Hier mehr erfahren.

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    _ Jan Mainka im Gespräch mit Viktor Orban

    Wenn wir uns schon inmitten von Büchern unterhalten, dann lassen Sie uns auch über Bücher sprechen! Wie hat Ihnen das Buch „Nationale Interessen“ von Klaus von Dohnanyi gefallen?

    Es ist ein außerordentlich wertvolles Buch. Sobald es auf Ungarisch verfügbar war, habe ich es mir sofort besorgt. Ich habe es dann sogar zweimal gelesen. Einmal habe ich es regelrecht verschlungen, dann habe ich es mir noch einmal vorgenommen, um mir Notizen zu machen.

    Mich hat die Klarsicht fasziniert, mit der von Dohnanyi die internationalen Beziehungen betrachtet und analysiert. Als Ungar erfüllt es mich natürlich mit einem gewissen Stolz, dass dieser großartige Mann ungarische Wurzeln hat.

    Was lesen Sie zur Zeit? Und was liegt noch an Lektüre auf Ihrem Nachttisch?

    Im Moment lese ich gerade ein Buch über China, weil ich die Gedankenwelt der Chinesen noch besser verstehen möchte. Zuvor habe ich ein Buch gelesen, das ich für sehr wichtig halte für das Verständnis der sich momentan in Europa abspielenden geistigen Auseinandersetzungen: „Das Licht, das erlosch“ des liberalen bulgarischen Politologen Ivan Krastev.

    Sind sie Freunde – oder haben sie nur einen gemeinsamen Feind? Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping.Foto: picture alliance / Mikhail Metze

    Das Buch handelt von der Entstehung und vom Niedergang der liberalen Hegemonie. Es ist eine sehr nützliche Lektüre, weil man so verstehen kann, wie sich die Liberalen selbst sehen. Ich lese aber auch gerne Geschichtsbücher, da ich der festen Ansicht bin, dass man die Zukunft nur aus der Geschichte verstehen kann. Neben der ungarischen interessiert mich auch die deutsche Geschichte sehr.

    Zoltan Balog hat mir einmal aus seiner Zeit als Minister berichtet, dass Sie Ihren Mitarbeitern regelmäßig Lektüre-Tipps geben…

    Das mache ich auch heute noch. Es ist mir wichtig, dass sich auch meine Mitarbeiter ständig weiterbilden. Jetzt im Sommer habe ich beispielsweise allen meinen politischen Mitarbeitern das oben erwähnte Buch von Klaus von Dohnanyi gegeben. Zur Lektüre und – das finde ich ebenso wichtig – zur anschließenden Diskussion darüber.

    Ich komme aus dem antikommunistischen Widerstand. Damals hatten wir unabhängige Studentenzirkel gegründet. Eine grundlegende Aufgabe dieser Zirkel bestand in der gemeinsamen geistigen Weiterbildung. Wir besorgten uns Bücher, vor allem so genannte Samisdat-Literatur, also im Selbstverlag herausgegebene, von der staatlichen Zensur nicht sonderlich geschätzte Bücher. Wir lasen sie und diskutierten anschließend gemeinsam ihren Inhalt. Diese Praxis pflegen wir noch heute. Bei intellektuell ansprechenden Büchern finde ich den geistigen Austausch nach der Lektüre unheimlich wichtig.

    Welche Lektüretipps haben Sie Ihren Kollegen in letzter Zeit noch gegeben?

    Beispielsweise „Nationalismus als Tugend“ des israelischen Philosophen Yoram Hazony. In diesem Jahr hat Hazony übrigens ein sehr gutes Werk über den Konservatismus veröffentlicht: „Conservatism: A Rediscovery“. Bisher ist es leider nur auf Englisch verfügbar. Demnächst wird es davon aber auch eine ungarische Ausgabe geben. Meiner Meinung nach wird es ein grundlegendes Werk der auf Ungarisch verfügbaren politischen Literatur werden. Wir versuchen also, der wichtigen internationalen Literatur zu folgen. Was uns davon für uns und unsere Arbeit relevant erscheint, das lesen wir.

    Mit Hazony haben Sie sich sogar mehrfach getroffen, zuletzt Anfang August …

    Ja, wir hatten hier bei mir wieder ein sehr anregendes Gespräch. Ich kenne übrigens etliche Autoren, die ich schätze, auch persönlich. Wenn sie in Budapest sind, dann versuche ich immer – sofern es meine Zeit erlaubt –, mich mit ihnen zu treffen und zu unterhalten. Vor allem aber, um ihnen Fragen zu stellen und ihre Meinung zu aktuellen Themen zu erfahren. Ich bin immer sehr gespannt auf ihre Antworten.

    Welche Gespräche haben Sie besonders beeindruckt?

    Mit Hazony. Und natürlich immer wieder die mit dem großen Altmeister des Konservatismus, Roger Scruton, mit dem ich sogar befreundet war. Unsere Freundschaft reichte bis in meine Universitätszeit in Oxford zurück, also bis ins Jahr 1989. Sein Buch „Die Notwendigkeit der Nationen“ gilt in unseren Kreisen in Ungarn als absolutes Grundlagenwerk. Roger Scruton ist eine unsterbliche Legende.

    vaclav klaus
    Orban liegt mit ihm politisch auf einer Wellenlänge: Vaclav Klaus als tschechischer Präsident bei einem Staatsbesuch 2021. Foto: GuentherZ, CC BY 3.0, Wikimedia Commons

    Auch von Vaclav Klaus habe ich etliche Bücher gelesen. Gott sei Dank befindet er sich noch in guter Konstitution. Ich konnte mich vor einigen Tagen bei meinem Besuch in Prag persönlich davon überzeugen. Er hat gute Bücher über die Freiheit geschrieben, jetzt ist von ihm ein Buch über die Inflation erschienen. Auf Klaus lohnt es sich zu achten. Er ist einer der letzten Antikommunisten der Wendezeit, die heute noch schriftstellerisch tätig sind.

    Welche Bücher würden Sie in Sachen Geopolitik empfehlen?

    An erster Stelle natürlich das bereits mehrfach erwähnte Buch von Klaus von Dohnanyi. Wenn man jedoch die Gedankenwelt der Russen besser verstehen möchte, dann empfehle ich auf jeden Fall die Lektüre der Werke von Solschenizyn. Ein grundlegendes Werk zum Verständnis des gegenwärtigen Konfliktes ist selbstverständlich „Die einzige Weltmacht“ des Harvard-Professors Zbigniew Brzezinski, den ich Mitte der 90er Jahre mehrfach persönlich sprechen konnte. Damals erschien auch sein grundlegendes Werk.

    Ich habe großes Glück, ich bin schon seit vielen Jahren in diesem Beruf. Dieser brachte es mit sich, dass ich viele große Denker der Welt persönlich kennen lernen konnte.

    Um den Bogen wieder zum Anfang unseres Gesprächs zu schlagen: Auch von einigen Deutschen habe ich viel gelernt, so zum Beispiel von Helmut Kohl. Am meisten habe ich aber von Otto Graf Lambsdorff gelernt. Er war ein sehr geduldiger Mensch, wir haben uns stundenlang mit ihm unterhalten. Geduldig hat er mir und anderen jungen Mitstreitern damals die internationale Politik erklärt und unsere vielen Fragen beantwortet.

    Wir Ungarn fragen gerne. Wir schämen uns nicht zu lernen. Frei nach dem ungarischen Sprichwort: „Ein guter Priester lernt bis zu seinem Tod“ gilt für mich: Ein guter Politiker ist ein ewiger Student. Mein Credo: Allein kannst Du nicht klug genug sein. Deswegen lese ich viel und tausche mich mit anderen aus. Auch mit Leuten aus dem anderen Lager.

    Kein Woke-Wahnsinniger: Orban sieht die Welt nicht durch die Regenbogen-Brille. Foto: LIOX | Shutterstock.com

    Vor drei Jahren habe ich mich hier in der Bibliothek mit dem eher linken französischen Philosophen Bernard-Henri Lévy unterhalten. Es war ein sehr interessantes Gespräch. Es gab zwischen uns zwar in kaum einem Punkt einen Konsens, wir haben uns aber trotzdem prächtig unterhalten. Denn das Entscheidende war: Der gute Wille zum Gespräch war auf beiden Seiten vorhanden.

    Die Lage ist heute intellektuell viel schlechter als früher. Der Wokismus und die daran anknüpfende Cancel Culture löschen nicht nur die Geschichte aus, sondern auch den Dialog. Da es praktisch verboten ist, etwas anderes zu denken, als die vorgegebene Linie vorsieht, verschwinden auch die aus dem Wunsch, andere zu verstehen, resultierenden Gesprächssituationen. Immer mehr dreht sich alles nur um das Auslöschen und Negieren. Dadurch aber wird die Politik intellektuell getötet. Die heutige westliche Politik befindet sich auch deswegen in keinem besonders guten Zustand.

    Dieses Interview erschien zuerst in der Budapester Zeitung und wurde im Rahmen der Europäischen Medienkooperation von Unser Mitteleuropa übernommen. Überschrift und Illustrationen wurden von unserer Redaktion eingefügt.

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    3 Kommentare

    1. Solche Politiker wie Orban bräuchten wir in der Regierung, da tät es keine Scheinasylanten und die ganze Umerziehungspropaganda der internationalen Massenmedien geben. Außerdem tät es bestimmt keine Hätscheljustiz mehr für mutmaßliche Verbrecher geben, so wäre nämlich die Innere Sicherheit gewährleistet. mfg

    2. Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Viele sind zu faul, sich durch eigenes Nachdenken eine Meinung zu bilden, andere halten es nicht für opportun. Man könnte je irgenwie und irgendwo anecken.

      "Es gab zwischen uns zwar in kaum einem Punkt einen Konsens, wir haben uns aber trotzdem prächtig unterhalten. Denn das Entscheidende war: Der gute Wille zum Gespräch war auf beiden Seiten vorhanden."

      So geht es eben auch. Habe z. B. früher gern mal bei den Debatten im Bunten Tag reingelauscht. Und fand den o. g. Otto Graf Lambsdorff echt gut, obwohl ich seine Meinung nicht immer teilte. Aber was er sagte, brachte er gut rüber. Bin irgendwie stolz darauf, dass seine Urne ihren Platz auf dem großen Friedhof ganz in der Nähe gefunden hat. BTW: Manfred Krug und Dieter-Thomas Heck fanden dort auch ihre Ruhestätte. Und Victor Orban? Der wird noch lange gebraucht!

    3. jeder hasst die Antifa am

      Orban ist vernüftig er will den woken Dreck und und die westliche Dekadenz vor allem die aus Deutschland von seinem Volk fernhalten