In Berlin fanden sich gestern Abend an der Siegessäule mehrere hundert Corona-Rebellen zu einer Spontandemo ein. Darunter befand sich auch Captain Future, der mit seinen Leuten in der Hauptstadt regelmäßig per Freedom Parade zu Techno-Musik durch die Straßen zieht. Wir haben uns mit ihm unterhalten. Weitere Köpfe, Aktivisten und Ideen der Bewegung stellen wir in COMPACT-Spezial Die Querdenker – Liebe und Revolution vor. Hier bestellen.

    Sie sind die Punks der Szene, obwohl ihre Musik der Techno ist: Captain Future und die Freedom Parade sind inzwischen eine feste Größe in der Querdenker-Bewegung. Der anarchische Drive der tanzwütigen Rebellen ist erfrischend, sie wollen der Regierung vor allem eines sagen: Wir nehmen Euren Regelkatalog nicht ernst. Der Tagesspiegel und Spiegel TV widmeten ihnen Hetzbeiträge, der verhärmte Karl Lauterbach nörgelte auf Twitter: „Ihr gut gelaunter narzisstischer Egoismus ist für mich schwer zu ertragen.“ Das macht einem die gut gelaunten Freiheitsfreunde, über die wir bereits hier berichteten, nur noch sympathischer.

    Wir haben uns mit Michael B. alias Captain Future an der Siegessäule unterhalten.


    Logo der Freedom Parade. Foto: Screenshot freedomparade.de

    Was ist deine Intention, heute auf die Straße zu gehen?

    Ursprünglich wollten wir mit 20 Mann nach Erfurt, doch die dortige Demo wurde abgesagt. Der Veranstalter meinte, wir sollten stattdessen nach Magdeburg fahren. Da sind wir dann auch hingefahren – mit dem Ergebnis, dass wir da höchstens noch 20, 30 andere Demonstranten gefunden haben, weil das Ding verboten wurde. Dann hieß es, in Halle sei noch was los, aber wir sind dann lieber zurück nach Berlin gefahren, denn hier geht immer was. Wir sind dann direkt vom Hauptbahnhof zur Siegessäule gegangen – und hier habe ich auch gerade eine Rede gehalten. Es gibt einige renitente Demo-Biester, die hier auch bei mäßigen Temperaturen ausharren – auch wenn wir nicht 100.000 sind, wie am 1. August 2020. Ist nicht der Höhepunkt der Revolution, aber so ist das halt. Kann ja nicht immer nur on the top sein.

    Mit Eurer Freedom Parade seid Ihr ja öfter auf Berlins Straßen unterwegs. Warum diese Form des Protests, also mit Techno-Mucke und auf Party getrimmt?

    Ich veranstalte ja seit acht, neun Jahren Partys in Berlin, ich bin DJ seit 1993. Mein Leben ist der Tanz und die Party – ich brauch das zum Atmen, ich brauch das zum Leben. Wenn ich mich nicht bewege und tanze, dann lebe ich nicht. Als dann die Clubs geschlossen wurden, war das das Allerschlimmste für mich. Unfassbar, hab ich noch nie erlebt, geht gar nicht. Da war für mich klar: Dann muss ich halt woanders feiern. Dann wird halt auf der Demo gefeiert. Die Leute sind alle ausgehungert, was Spaß, gute Laune und Tanzen angeht. Alle vermissen das. Da liegt’s doch nahe, das auf Demos zu machen. Wo denn sonst? Außer vielleicht heimlich, im Keller oder so.

    Die Party wurde also auf die Straße gebracht?

    Ja, kann man so sagen: Wir haben die Party auf die Straße verlegt. Ich habe aber auch schon 2019 mit Extinction Rebellion gegen die Klimakrise demonstriert. Okay, ich weiß, dass da auch nicht alles so glanzvoll ist – und da wir jetzt mit Corona verarscht werden, muss ich das Thema Klimaschutz auch noch mal auf den Prüfstand stellen. Ich will da jetzt aber nicht zu weit ausholen.

    Hast Du davon was für die Corona-Proteste mitnehmen können?

    Ich habe deren Buch Wann wenn nicht wir* gelesen. Da wird eine Demobewegung beschrieben, wie sie sein muss, wenn sie zum Erfolg führen soll: Sie muss friedlich sein – und sie muss Spaß machen. Wenn’s keinen Spaß macht, kommen die Leute einfach nicht. Wir hören hier ja jetzt auch wieder Musik. Und das sehe ich ganz einfach als natürlichen Bestandteil von Protestformen an, wenn sie die Leute mitziehen wollen.

    Diese Pulp-Novelle lieferte die Vorlage . | Foto-Archiv

    Und dann kamst Du auf das Konzept Freedom Parade?

    Ich hab’s halt auf die Spitze getrieben. Ich spiele so viel Musik wie möglich. Natürlich muss ich auch Reden halten, sonst wird das von der Polizei nicht genehmigt. Der Name Freedom Parade ist ja an den Namen einer anderen großen Parade angelehnt, die man aus Berlin kennt. Das Konzept ist einfach: Ich hab mich da an die andere große Parade erinnert – und dachte: Mit sowas könnte man doch wirklich ein Zeichen setzen. Das hat doch schon mal so gut funktioniert hier.

    Berlin ist ja quasi die inoffizielle Techno-Welthauptstadt. Wie sieht die Szene die Corona-Maßnahmen und den Lockdown?

    Tja, wir sind hier in der Bewegung eigentlich alle entsetzt, wie wenig Support von der Künstlerszene kommt, auch von der Party- und DJ-Szene in Berlin. Die haben immer alle so sozial, bunt und vielfältig getan. Dass die jetzt alle stillhalten und der Regierung nach dem Maul reden, ist schon ernüchternd. Wie man nach einem Jahr meinen kann, dass man einfach nur die Füße stillhalten muss, und dann geht das alles irgendwie vorbei, ist mir schleierhaft. Wie viele Jahre soll denn das noch so gehen? Das ist doch völlig unrealistisch. Wir müssen auf die Straße gehen. Das wird nicht zu Ende gehen, bis wir uns nicht die Freiheit zurückholen. Ich rufe, die ganze Künstler- und DJ-Szene auf, sich uns anzuschließen.

    Was können wir dieses Jahr noch so von Euch erwarten?

    Wir haben für den 7. März den ersten Umzug in diesem Jahr durch die Straßen geplant. Das ist alles sehr kurzfristig, aber das kriegen wir hin. Ich hab schon einen Lkw, einen ziemlich großen – das wird größer als im letzten Jahr. Meine Bekanntheit hat ja über den Winter nochmal ordentlich zugenommen, sodass ich guter Hoffnung bin, dass am 7. März mehrere hundert Leute bei hoffentlich gutem Wetter und mit guter Musik und guter Laune auf der Straße sein werden. Schaut Anfang nächster Woche auf unserem Telegram-Kanal für nähere Infos nach. Wir machen jede Woche was, wir bringen jede Woche ein Video. Wir machen weiter, wie Ihr uns kennt, bis wir in einer himmlischen Welt leben: in einer Welt von Brüder- und Geschwisterlichkeit, Gleichheit, Frieden und Freiheit.


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    Vielleicht abschließend noch kurz ein paar Worte zu Deiner Person – und der „Kunstfigur“ Captain Future?

    Ich setze mich schon seit 2013 für die Freiheit ein. Ein Höhepunkt war 2019 mit Extinction Rebellion und Fridays for Future. Da habe ich die Untergruppe Fetish for Future gegründet. Ich hab früher Fetisch-Partys veranstaltet. Und da war der Name Captain Future naheliegend: Ich kämpfe für die Zukunft. Natürlich fand ich die Comicfigur Captain Future als Kind auch schon toll. Das hat dann einfach gepasst. Ich wollte also eigentlich fürs Klima auf die Straße gehen, aber dann kam Corona. Am 11. April 2020 gab’s den ersten Auftritt von Captain Future am Rosa-Luxemburg-Platz – mit Cape, Maske, einem Demo-Schild und Musik –, während da gerade eine sehr angespannte Stimmung herrschte, weil Demonstrieren komplett verboten war. Da bin ich dann einfach so reingeplatzt – und wurde natürlich auf der Stelle verhaftet. Ich bin tatsächlich am Anfang noch mit dem Logo von Extinction Rebellion auf dem Rücken herumgelaufen, aber dann gab’s von denen einen Rüffel, und sie haben gesagt: Wir wollen damit nicht in Verbindung gebracht werden. Seitdem habe ich das Logo überklebt – und ich habe zu denen auch keinen Kontakt mehr. Allein schon, weil die schön brav ihre Masken tragen, ist das für mich ein No-go. Und ich muss, wie gesagt, dieses ganze Klima-Thema auch nochmal analysieren, was da Sache ist. Wenn zum Beispiel Spiegel TV erst über die Corona-Demos herzieht und die Leute – unter anderem konkret auch mich – lächerlich macht, und gleich im Anschluss kommt dann ein Beitrag über Extinction Rebellion, in dem die als die intelligenten Superdemonstranten hingestellt werden, da werde ich auch skeptisch und stutzig, wie das jetzt zusammenhängen kann.

     _ Das Interview führten COMPACT-Redakteur Daniell Pföhringer und Mitarbeiter Lars Poelz.

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