Er verschaffte dem durch den Versailler Vertrag gefesselten Deutschland außenpolitisch wieder Luft, indem er ein Bündnis mit der jungen Sowjetunion schloss. Trotzdem – oder gerade deshalb – stand der auf der Todesliste von Fanatikern.

    Teil 1 der Rathenau-Reihe von Helmut Roewer finden Sie hier.

    Im Mai 1921 trat Walther Rathenau als Wiederaufbauminister in die Reichsregierung ein. Einige Monate später, am 1. Februar 1922, wurde er Außenminister. Diese Position hatte nach dem Vertrag von Versailles, der Deutschland 1919 aufgezwungen worden war, nichts mehr von dem Glanz der Kaiserzeit, als das Deutsche Reich sich bemüßigt gesehen hatte, eine eigenständige Weltpolitik zu betreiben, um sich, wie man sagte, einen Platz an der Sonne zu sichern.

    Nun war man der entthronte Verlierer, dessen Wohl und Wehe in London und Paris diktiert wurde, zudem eingekeilt von frisch gegründeten feindseligen Staaten an der Ostflanke, nämlich Litauen, Polen und die Tschechoslowakei.

    Die Feinde Deutschlands hatten indessen bei ihrer Einkreisungspolitik eines nicht bedacht. Östlich von Polen gab es einen weiteren Paria der Weltpolitik. Das war die junge Sowjetunion. Mit diesem Staat Verträge zu schließen und Geschäfte zu machen, war dem Reich nicht verboten worden. Die Strategen im Auswärtigen Amt zogen nun, wie schon zur Bismarckzeit, die Ostkarte.

    Das Imperiale Palace Hotel, wo der Vertrag von Rapallo unterzeichnet wurde. Foto: picture alliance / Rolf Haid

    So kam es am 16. April 1922 zum Vertrag von Rapallo. Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen aus dem November 1918 war damit revidiert. Beide Länder stellten sich in den bilateralen Beziehungen außerhalb des Versailler Diktats. Auf Kriegsfolgenausgleich wurde wechselseitig verzichtet.

    Die Westmächte schäumten. Ihre strikte Isolationspolitik gegenüber Russland hatte ein scheunentorgroßes Loch. Zudem hatte sich Deutschland – empörend genug – auf die Bühne der Weltpolitik zurückgemeldet. Rathenau war der Mann, der sich das getraut hatte. Legt man diesen Maßstab zugrunde, so kann man das Attentat auf den Reichsaußenminister aus nationaler Perspektive nur als bizarr bezeichnen.

    Rathenau als Hassfigur

    Rathenau war Jude. Ich zögere, ob ich diesen Satz so platt und unkommentiert stehen lassen kann. Zu unterschiedlich und umstritten waren damals (wie heute) die Auffassungen darüber, wann einer ein Jude sei: Durch Herkunft? Tradition? Überlieferung? Durch religiöses Bekenntnis? Man sieht schon: ein weites Feld.

    Gewiss, für Rathenaus Feinde spielten solche feinsinnigen Unterschiede keine Rolle. Sie grölten dieses hier, wenn sie betrunken durch Berlins Straßen marschierten:

    „Schlagt tot den Walther Rathenau, die gottverdammte Judensau“.

    Ich schreibe diese empörende Botschaft hier mal wörtlich auf, damit nicht einer sagt, das Attentat sei aus dem Nichts gekommen. Ist es nicht.

    Zudem war politischer Mord in Deutschland an der Tagesordnung. Da gab es unzählige Motive und Varianten, die mit Jude oder Nicht-Jude zunächst einmal wenig bis nichts zu tun hatten. Einige dieser politischen Morde – neben dem an Rathenau unter anderem jene an Luxemburg und Liebknecht, Horst Wessel, Matthias Erzberger oder Kurt Eisner – werden in COMPACT-Geschichte „Babylon Berlin – Historische Hintergründe der großen Kult-Serie“ behandelt.

    Doch machen wir einen Schritt zurück: Das Problem der Emanzipation der Juden, wie man den Vorgang seinerzeit nannte, war im Verlauf des 19. Jahrhundert in Deutschland auf dem besten Wege, sich in Luft aufzulösen. Ich weiß, das klingt heute unglaublich, denn es lag nicht zum wenigsten daran, dass das gebildete jüdische Bürgertum nicht nur den Weg der Integration in das deutsche Volk, sondern ganz bewusst den der Assimilation zu gehen begonnen hatte.

    Aus seinem Umfeld kamen die Rathenau-Attentäter: Kapitän Hermann Ehrhardt (l.) während des Kapp-Putsches im März 1920. Foto: CC0, Wikimedia Commons

    Ein prominenter und beredter Unterstützer dieser Bewegung war Rathenau. Seine gegen die jüdische Orthodoxie gerichtete Schrift Höre Israel! gibt hierüber Auskunft. Es ist die Frage, was aus dieser in Deutschland damals für möglich gehaltenen Selbstauflösung des Judentums geworden wäre, wenn nicht der Erste Weltkrieg alte Feindbilder reanimiert hätte, vor allem als es mit der deutschen Seite bergab ging. Es war das alte Lied, ein Sündenbock musste her: Sogenannte nationale Kreise besannen sich auf den Juden als den Quell allen Übels. Einfach aber wirksam.

    Selbst kantige Vernunftmenschen wie der von 1916 bis 1918 mächtigste Mann Deutschlands, General Erich Ludendorff, ließen sich nach Kriegsende davon anstecken. Vergessen war die enge Zusammenarbeit zwischen Ludendorff, dem Spitzen-Militär, und Rathenau, dem Wirtschaftsboss, bei der Organisation der Kriegswirtschaft.

    Jetzt regierte der Hass des ebenfalls zum Sündenbock erklärten Ex-Generals. Der Sündenbock suchte den Sündenbock. Andere ließen sich bereitwillig anstecken. Die Enttäuschten, Entlassenen, plötzlich zu Mitschuldigen Ernannten. Auch aus den Reihen junger ehemaliger Offiziere, die sich durch die radikale Abrüstung mit einem Schlag um ihren Ruf, ihre Ehre, ihre einst unangefochtene gesellschaftliche Stellung und ihr Einkommen gebracht sahen.

    Lesen Sie am Montag den 3. und letzten Teil: Das Attentat 

    Helmut Roewer (69) ist ein deutscher Jurist und Publizist. Von 1994 bis 2000 war er Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz. Nach Versetzung in den einstweiligen Ruhestand lebt und arbeitet er als freiberuflicher Schriftsteller – auch für COMPACT – in Weimar und Italien.

    19 Kommentare

    1. Hentschel Grünspan am

      Berichtet doch auch einmal über den Mord an Herrn von Rath.

    2. armin_ulrich am

      ein lesenswerter Artikel zum Mord an Walther Rathenau findet sich in der Jüdischen Allgemeinen:
      unter der Überschrift "Attentat – unerwiederte Liebe"
      Tatsächlich findet sich dort eine Verschwörungstheorie, mit der ausgeklammerten Kernfrage. Der interessante Absatz ist:
      "Beim Schußwechsel mit der Polizei wurde der eine Attentäter tödlich verletzt, der andere erschoß sich dann selbst. Von den
      Tatbeteiligten wurden 13 Personen zu beschämend milden Freiheitsstrafen verurteilt. Das Mordkomplott selbst wurde aus außenpolitischen Rücksichten
      nicht weiter juristisch verfolgt."

      Nun ist ein "Mordkomplott" natürlich eine Verschwörung. Diese hatte eine große Reichweite – sogar in den Justizapparat hinein. Es gab zumindest einen
      "interessierten Dritten" im Ausland.

      An den Kernfragen schrammt der Artikel vorbei, nämlich auf wen wurde "außenpolitisch Rücksicht genommen", was war sein Motiv und wie hat man/frau/div sich den
      Druck auf Deutschland vorzustellen, der der Grund war für die "außenpolitischen Rücksichten".
      DIe Sowjetunion war es offensichtlich nicht.
      Roß/Stute/Wallach/Divers und Reiter:In werden leider im Artikel nicht genannt.

      In der Jüdischen Allgemeinen breiten sich sonst die Verschwörungsleugner:Innen aus. Im genannten Artikel wird eine gegen Deutschlandf gerichtete Verschwörung – leider nur – angerissen.

    3. Rathenau sagte, Daß ein deutscher Sieg im 1. Weltkrieg alle Völker befreit hätte. Das stimmt woraus folgt, daß heute alle Völker unterdrückt und ausgebeutet werden. Bereits der Versailler-Vertrag hat doch überdeutlich gezeigt, daß die Gegenseite die gewonnene Macht dazu nutzte, den Deutschen ihre Rechte zu nehmen und im Laufe der Zeit alle anderen Nationen.
      Er beschrieb auch, was unter der "Diktatur des Proletariats" zu verstehen ist, nämlich "die Auflösung der Staatsform und ihre Ersetzung durch ein bewegliches System sich selbst verwaltender Kulturverbände unter der Herrschaft einer transzendenten Idee."
      Die transzendenten Ideen können wir aber heute in fast allen Bereichen erleben, ob Energiepolitk, Geschlechtsleben, Gesundheit, schleichende Enteignung oder andere Lebensbereiche.

    4. Nochmals, weil ich zensiert wurde.
      Rathenau hat die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg gewollt und mit bewirkt.
      Antisemitismus fällt nicht vom Himmel, sondern hat Gründe. Diese Gründe Deutschland und den ersten Weltkrieg betreffend, kann man in der Rede von Benjamin Freedman von 1961 nachlesen. Empfehlenswert.

      • Zensuropfer am

        Selten genug , daß der Zensur ein Hinweis darauf , d a ß überhaupt zensiert wird , entgeht. In der Regel wird sowas gelöscht. Von mir sind gleich mehre Kommentare zu dem Gauner Rathenau verschwunden. Der Kerl soll wohl zur Symbolfigur für die von Compact erträumte russisch dominierte Zusammenarbeit mit Deutschland aufgebaut werden.

        • Jeder Artikel, egal zu welchem Thema, hat den Zweck uns Russland als Freund zu verkaufen.

    5. "Zu unterschiedlich und umstritten waren damals (wie heute) die Auffassungen darüber, wann einer ein Jude sei"
      Der Zentralrat der Juden sagt: "Das Judentum wird durch Geburt weitergeben oder durch Giur („Konversion/Übertritt“). Der Giur erfolgt nach einem längerfristigen Prozess vor einem anerkannten Rabbinatsgericht."
      Wenn ich als Deutscher sage, Deutscher ist man durch seine Abstammung, dann wird es heute als falsch, rechtsradikal oder rassistisch abgetan. Hier sieht man, daß die Juden bevorzugt behandelt werden, da sie ihre Traditionen verteidigen können. Es existiert eine allgemein als notwendig betrachtete Unterwürfigkeit in Deutschland gegenüber den Juden. Und deshalb sind darüber nicht wenige Deutsche ziemlich sauer.
      Also, wer ist hier der Sündenbock?

      • Da kann man man sehen was diese sogenannten möchtegern Juden (Khasaren) für falsches Spiel treiben und sich immer als Opfer darstellen, ist ja mit den Islamgläubigen dasselbe !
        Die wahren und guten Juden denken da anders, siehe derisraelit.com !!!

        • Nachtrag:
          Warum wird England und die USA nicht so bestraft auf Ewigkeit wie wir Deutschen ?
          Die haben ja wohl mehr Menschen ermordet als Deutschland wenn man die Geschicht bedenkt was diese Büttel so getrieben haben, dazu gehören auch Frankreich, Spanien und Portugal die Mord und Totschlag über Völker gebracht haben im Auftrag der Christlichkeit ?
          Was sagte Jesus ?
          IHR SOLLT NICHT TÖTEN !!!

        • England und die USA wurden vom Teufel gekapert und Jesus Christus haben sie ans Kreuz genagelt. Die Deutschen wurden später ebenfalls ans Kreuz genagelt.

      • Die Rassenfrage ist der Schlüssel zur Weltgeschichte, schrieb der englische Premier D’Israeli.
        Der jüdische Plan, der unerbittlich ausgeführt wird, ist die Vernichtung der Weißen und die jüdische Weltherrschaft. Die Nichtjuden müssen sich an die 7 noachidischen Gesetze halten. Trump wurde vor kurzem als der Führer ausgezeichnet, der die Befolgung der noachidischen Gesetze am meisten vorangebracht hat. Dieser Narzist hat auch schon damit geprahlt, der jüdische Messias zu sein. Alle Kinder Trumps (bis auf das jüngste) und alle Kinder Bidens sind mit Juden liiert/verheiratet. Putins eine Tochter ebenfalls, inzwischen ist sie aber wieder geschieden.
        In Israel war es ein großer Skandal, daß Netanjahus Sohn eine norwegische Freundin hatte.

        • Haben Sie sich schon einmal gefragt, wer der Messias sein wird? Also ich kann es beantworten, trotz medizisch veranlassten Gehirnschaden. Nach 1. Mose 32,25 hat Jakob mit Gott bzw. einem seiner Engel gekämpft und gesiegt. Dabei war Jakob ein Betrüger, der sich das Recht des Erstgeborenen aneignete. Er hat also Gott im Kampfe besiegt und die entscheidene Frage schließt sich dem Ereignis an, wer wird der Herrscher auf der Erde sein, wenn Gott schwächer war als Jakob? Na dämmert es? Der Betrug ist aus Sicht des Judentums ein legales Mittel alles an sich zu reißen. Selbst der liebe Gott liegt geschlagen im Staub, wenn der Betrüger die Bühne betritt. Jakob änderte seinen Namen nach seinem Sieg zu „ISRAEL“ (Gottesstreiter). Ist schon ein starkes Stück wenn man den allmächtigen Gott besiegen kann. Der Messias tritt dann auf die Bühne, wenn die Weltregierung steht und die gesamte Macht in bestimmten Händen liegt. Man muß sich konsequent an die Schrift halten und wenn man Gott besiegen kann, dann kann man auch Mike Tyson besiegen, um es einmal einfach zu formulieren.

        • Für D’Israeli war die Rassefrage in politischen Dingen entscheident. Möglicherweise wußte er mehr darüber und sie spielt heute noch eine zentrale Rolle, indem eine bestimmte Rasse bei Vermischung besonders stark im Neugeborenen hervortritt. Die Deutschen besitzen offensichtlich diesen Vorteil nicht. Diese Fragen muß man sich stellen. Denn es ist nicht zu übersehen, daß man sich heute über die Rassen keine Gedanken machen soll.

    6. "Es war das alte Lied, ein Sündenbock musste her"
      Wenn man den Sünder zum Sündenbock erklärt, dann wird er weiter Sünden ungestraft begehen.

    7. 2022 wäre aber nicht schlecht: Da könnte Rathenau endlich die Annalena davonjagen, einen neuen Vertrag aushandeln und in der Außenpolitik retten, was noch irgendwie zu retten ist. Wer könnte das, wenn nicht er!

    8. alter weißer, weiser Mann am

      In seiner Schrift „Höre Israel“ von 1897 hatte sich Rathenau zum Assimilationsjudentum bekannt. In seinen 1902 in Leipzig erschienenen „Impressionen“ prophezeite er Unheil wegen des wachsenden Zustroms von Juden aus dem Osten und gebrauchte dabei die häufig zitierte Wendung: „Auf märkischem Sand eine asiatische Horde.“

      Rathenau schrieb am 29. November 1919 folgendes an Hauptmann Breisig:

      „Sie lieben das alte Testament nicht und hassen, nein, mißbilligen – uns Juden? Sie haben recht, denn wir haben unsere Sendung noch nicht erfüllt. Wissen Sie, wozu wir in die Welt gekommen sind? Um jedes Menschenantlitz vor den Sinai zu rufen! Wenn ich Sie nicht rufe, wird Marx Sie rufen. Wenn Marx Sie nicht ruft, wird Spinoza Sie rufen. Wenn Spinoza Sie nicht ruft, wird Christus sie rufen.“

      Das Rathenau von angeblich nationalen Kreisen der Organisation Consul ermordet wurde ist umstritten
      Wahrscheinlicher ist, daß er als Hochgradfreimaurer von seinen Kumpanen beseitigt wurde.

      • Otto Baerbock am

        "Das Rathenau von angeblich nationalen Kreisen der Organisation Consul ermordet wurde ist umstritten
        Wahrscheinlicher ist, daß er als Hochgradfreimaurer von seinen Kumpanen beseitigt wurde."

        Kenne mich mit der causa Rathenau nicht weiter aus, aber … wenn nicht wirklich klar ist, daß er von nationalen Kräften ermordet wurde, dann … würde ich mich eher ihrer Vermutung anschließen.