Neue Erkenntnisse zur Kultur der Rapanui und ihren kolossalen Moai-Skulpturen auf der Osterinsel zeigen: Es war alles ganz anders als man dachte! Dass dies auch auf andere historische Phänomene zutrifft, zeigt unsere aktuelle Sonderausgabe „Geheime Geschichte – Von den Pharaonen bis zur Kabale im Vatikan“ auf eindrucksvolle Weise. Hier mehr erfahren.

    Am 5. April 1722, einem Ostersonntag, sichtete der niederländische Seefahrer Jacob Roggeveen ein kleines Eiland mitten im weiten Pazifik. Im Auftrag der Niederländischen Westindien-Kompanie suchte er die legendäre „Terra Australis“. Stattdessen fand er, etwa 3.700 Kilometer vom chilenischen Festland entfernt, jene Insel, die er nach dem Feiertag „Paasch-Eyland“ – Osterinsel – taufte.

    Die Mannschaft des Holländers staunte über die riesigen Steinfiguren, die Moai, die entlang der Küste wachten. Doch Roggeveen war ernüchtert: „Heu und andere versengte Vegetation konnten uns keinen anderen Eindruck vermitteln als den einzigartiger Armut und Öde“, notierte er. Nur 52 Jahre später beschrieb der britische Weltumsegler James Cook die Bewohner als „klein, mager, ängstlich und elend“. Diese Schilderungen prägten das Bild einer Insel, die ihre Blütezeit längst hinter sich hatte – ein Ort, der sich selbst zerstört zu haben schien.

    Die Ökozid-These

    Lange Zeit galt die Osterinsel als Paradebeispiel für eine menschengemachte Katastrophe. Der US-amerikanische Evolutionsbiologe Jared Diamond popularisierte in seinem Bestseller „Kollaps“ (2005) die These, dass die Rapanui, die indigenen Bewohner des Eilands, durch Raubbau an den Palmenwäldern ihre Lebensgrundlage selbst vernichtet hätten.

    Das Märchen vom Öko-Kollaps: Die Osterinsel-Lüge

    Diamond meinte: Um die bis zu zehn Meter hohen und über 80 Tonnen schweren Moai zu transportieren, rodete die Bevölkerung die Wälder, was zu Bodenerosion, Nahrungsknappheit und kriegerischen Konflikten führte. Der Biologe sah in Rapa Nui, wie die Ureinwohner ihre Insel nannten, eine Warnung für die moderne Welt. Er schätzte, dass die Bevölkerung einst auf bis zu 15.000 oder sogar 20.000 Menschen anwuchs, bevor sie durch Hungersnöte und Kriege zugrunde ging.

    Diese sogenannte Ökozid-These dominierte die wissenschaftliche Diskussion für Jahrzehnte. Sie wurde durch frühe Berichte gestützt, wie die von Roggeveen, der kaum Bäume vorfand, sowie Pollenanalysen, die zeigten, dass die Osterinsel einst von dichten Palmenwäldern der Gattung Jubaea bedeckt war. Doch nun stellen neue Erkenntnisse dieses Narrativ infrage.

    Resilienz statt Kollaps

    Ein Wissenschaftler-Team um Annette Kühlem vom Deutschen Archäologischen Institut (DAI) meinen, die gängigen Theorien verwerfen zu können. Ihre seit 2007 laufenden Forschungen, gefördert von der Gerda-Henkel-Stiftung, zeigen, dass die Rapanui ein ausgeklügeltes Ressourcenmanagement entwickelten, um auf der kargen Insel zu überleben. „Wir müssen uns von der Vorstellung eines Ökozids verabschieden,“ betont Kühlem gegenüber der Tageszeitung Die Welt. Sie sieht hier vielmehr ein Beispiel für „Resilienz und soziale Adaption“.

    Die Rapanui, die vermutlich um 800 n. Chr. die Insel besiedelten (obwohl einige Studien eine spätere Ankunft um 1200 vorschlagen), standen vor enormen Herausforderungen: Die Osterinsel ist nur 163 Quadratkilometer groß, hat keine permanenten Wasserläufe und war nach der Abholzung der Palmenwälder nahezu baumlos. Doch die Ureinwohner entwickelten innovative Techniken.

    Eingeborene auf der Osterinsel. Foto: JHVEPhoto / Shutterstock

    So legten sie Felder mit Millionen von faustgroßen Lavasteinen an, die als Mulch dienten, um Wasser zu speichern und Böden vor Erosion zu schützen. Bananenplantagen wurden mit Steinwänden vor Wind und Austrocknung geschützt, und unterirdische Wasserbecken sowie Aquädukte sicherten die Wasserversorgung. Neue Funde zeigen laut Kühlem, dass die Rapanui ihre Umwelt nicht zerstörten, sondern geschickt nutzten.

    Eine bahnbrechende Studie von 2024, veröffentlicht in Science Advances, stützt diese Sicht. US-Forscher um Dylan Davis von der Columbia University in New York nutzten Künstliche Intelligenz (KI) und Satellitenbilder, um die landwirtschaftlichen Flächen der Insel zu analysieren. Ergebnis: Die Steingärten nahmen nur 0,76 Quadratkilometer ein und konnten etwa 2.000 Menschen ernähren – weit entfernt von den spekulierten 15.000 bis 20.000.

    Genetische Analysen bestätigen zudem, dass die Bevölkerung vor der Ankunft der Europäer stabil wuchs – ohne Anzeichen eines Kollapses. Der Niedergang begann erst mit der Ankunft der Europäer, die Krankheiten wie Pocken einschleppten und Sklavenhandel betrieben. Dies ließ die Bevölkerung bis 1877 auf nur noch 111 Menschen schrumpfen.

    Die mysteriösen Skulpturen

    Die Moai, rund 900 an der Zahl, waren das Herzstück der Rapanui-Kultur. Aus vulkanischem Tuffstein des Rano-Raraku-Vulkans gehauen, sind sie bis zu zehn Meter hoch und wiegen mehrere Tonnen. Sie dienten nach Ansicht von Ethnologen vermutlich der Ahnenverehrung, wobei sie nicht die Verstorbenen selbst, sondern deren lebende Seelen repräsentiert haben sollen. Der Transport der Steinfiguren über bis zu 18 Kilometer ohne Zugtiere oder Räder war eine logistische Meisterleistung.

    Lange vermutete man, dass Baumstämme als Rollen dienten, was die Entwaldung verstärkt hätte. Doch Experimente von Wissenschaftlern der California State University in Long Beach deuten jedoch darauf hin, dass die Rapanui die Statuen vermutlich „gehend“ bewegt haben könnten: Mit Seilen wurden sie laut National Geographic von drei Teams abwechselnd gekippt und vorwärts bewegt, etwa einen Kilometer pro Tag. Die mündliche Überlieferung der Rapanui selbst spricht indes von „mana“, einer spirituellen Kraft, die die Moai quasi hat laufen lassen.

    Galaktische Besucher?

    Es gibt aber noch eine andere Variante – und die weist nach oben, ins Weltall! Der Prä-Astronautiker Erich von Däniken schreibt in seinem Weltbestseller „Erinnerungen an die Zukunft“, erstmals 1968 erschienen und seitdem immer wieder neu aufgelegt, dass die Moai nur mit außerirdischer Hilfe geschaffen worden sein könnten.

    Die Götter aus dem All

    Er argumentiert, dass die primitive Technologie der Rapanui nicht ausgereicht hätte, um solche Kolosse zu bauen und zu transportieren. Von Däniken verweist dabei unter anderem auf die Präzision der Steinmetzarbeiten und die rätselhafte Schrift Rongorongo, die bis heute nicht entziffert sei.

    Laut der Prä-Astronautik sollen die Moai-Skulpturen denn auch keine menschlichen oder spirituellen Figuren wie Ahnen oder Götter darstellen, sondern jene Besucher aus fernen Galaxien, die vor langer Zeit auf der Osterinsel gelandet seien. Von Däniken spricht von „Göttern aus dem All“ – in Wirklichkeit Aliens, die Rapanui als Lehrmeisten besucht hätten. Deren Erscheinung sei in den Statuen verewigt worden.

    Überraschende Funde unter der Erde

    Archäologische Entdeckungen der letzten Jahre verstärken das Bild einer komplexen Kultur – wie sie auch immer begründet sein mag. 2012 fanden Forscher des Easter Island Statue Project (EISP) unter Leitung von Jo Anne Van Tilburg heraus, dass die Moai nicht nur Köpfe sind, sondern vollständige Körper haben, die teilweise bis zu sieben Meter tief im Boden verborgen sind. Diese Körper sind mit Petroglyphen verziert, die nach Ansicht der Wissenschaftler möglicherweise Rituale oder Stammeszugehörigkeiten symbolisieren.

    Im Jahr 2018 2018 entdeckte ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Geographen Hans-Rudolf Bork vom Institut für Ökosystemforschung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel prähistorische Pigmentwerkstätten, in denen rotes Hämatit in beträchtlichem Maße Maßstab wurde, vermutlich zur Bemalung der Moai oder für Ritual. Diese Funde zeigen, dass die Rapanui nicht nur perfekte Steinmetze, sondern auch sachkundige Chemiker und Künstler gewesen sein müssen – jedenfalls nach offizieller Lesart.

    Eine weitere Sensation war die Bestätigung von Kontakten zwischen Rapanui und indigenen Stämmen Südamerikas im 13. bis 15. Jahrhundert. Genetische Analysen von 2024 zeigen, dass sechs bis 11,4 Prozent des Rapanui-Erbgutes lateinamerikanischer Herkunft sind, was etwa auf Seereisen vom chilenischen Festland hinweist. Diese Entdeckung unterstützt die These von Thor Heyerdahl, der 1947 mit seinem Floß „Kon Tiki“ nachwies, dass solche Fahrten auch zur damaligen Zeit möglich waren, widerlegt jedoch zugleich seine Annahme, dass die Rapanui selbst aus Südamerika stammten.

    Trotz aller neuen Erkenntnisse bleibt die Osterinsel ein Ort der Geheimnisse und der Inspiration, der sowohl Wissenschaftler als auch Weltenbummler fasziniert. Vor allem die Einsicht, das die Rapanui keine Selbstzerstörung betrieben, sondern durch Einfallsreichtum und Anpassungsfähigkeit glänzten, machen die Moai zu Zeugnissen menschlicher Kreativität – ob nun mit oder ohne äußere Einflüsse.

    Wie das Unmögliche möglich gemacht wurde, sei es durch Muskelkraft, Ingeniosität, ein wenig „mana“ oder technologische Unterstützung aus dem All, bleibt Gegenstand von Debatte oder Spekulation. Rapa Nui lehrt uns auf jeden Fall, dass Geschichte nie nur eine Erzählung ist, sondern ein Kaleidoskop aus Perspektiven, das uns immer wieder aufs Neue herausfordert.

    Die Geschichte muss vollkommen umgeschrieben werden: Das zeigen nicht nur die neuen Erkenntnisse zur Osterinsel, sondern auch andere historischen Phänomene, die wir in unserer aktuellen Sonderausgabe „Geheime Geschichte – Von den Pharaonen bis zur Kabale im Vatikan“ unter sonst verschwiegenen Gesichtspunkten beleuchten. Hier bestellen.

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