Pädophile Positionen waren in den 1980er Jahren bei den Grünen hoffähig. Wir sprachen dazu mit einem Forscher, der im Auftrag der Partei dieses dunkle Kapitel aufarbeitete. Es folgt ein Auszug aus dem Interview, das Sie ungekürzt im neuen COMPACT-Spezial 27: „Geheimakte Kinderschänder. Die Netzwerke des Bösen“ lesen können – hier bestellen.

    _ Stephan Klecha im Gespräch mit Martin Müller-Mertens

    Die grüne Führung reagierte damals hilflos auf die Pädophilie-Debatte. In Ihrem Bericht sprechen Sie von einer regelrechten Schweigespirale.

    Wir hatten diese Debatten ja nicht nur bei den Grünen. Wir hatten sie bei den Jungdemokraten, in Teilen auch in der FDP. Wir hatten sie im Spiegel, in der Zeit. Man hat in verschiedenen Bereichen über die Frage sexueller Befreiung und in diesem Zusammenhang auch über Pädophilie debattiert, entsprechende Forderungen akzeptiert oder zumindest hingenommen. Teile der Schwulenbewegung haben sich so verhalten. Heute will sich keiner daran erinnern oder allenfalls sagen: Wir haben schwere Fehler begangen. Das ist insofern interessant, weil dieser Diskurs damals ja wesentlich vielschichtiger war. Es war ja nicht so, dass einfach eine verwirrte Position übernommen wurde.

    Mir erscheinen pädophile Forderungen durchaus verwirrt.

    Dahinter steckten aber auch bestimmte rationale Argumente. Diese waren nicht immer unbedingt klug, und natürlich hat man auch bestimmten Leuten Foren geboten. Aber nicht, um Pädophilie zu akzeptieren – das war dann eher ein Resultat. Dahinter steckten Grautöne, die heute etwas untergehen.

    Es wirkt so, als seien pädophile Positionen in den 1970er und 1980er Jahren fast ein Teil des Zeitgeistes gewesen.

    Wenn Sie überlegen, dass der Chef des Feuilletons der Zeit, Rudolf Walter Leonhardt, entsprechende Thesen veröffentlichte… Das las man als engagierter Gymnasiallehrer oder junger Universitätsdozent, und darauf nahm man dann auch durchaus Bezug. Wir haben diese Debatten ja auch beim Kinderschutzbund gefunden. Es gab durchaus eine relativ breite Strömung, die solche Positionen für zumindest vertretbar hielt. Wenn man die Position selbst auch nicht teilte, hat man sie zumindest als bedenkenswert eingestuft. Entscheidend ist aber: Es gab auch Gegenstimmen, es war nicht alternativlos. Es gab insbesondere den Sexualwissenschaftler Günter Amendt, der auch eine hohe Popularität genoss. Er hat massiv davor gewarnt, zusammen mit Alice Schwarzer. Damit gab es gerade auch im linksalternativen Milieu sehr wohl mahnende Stimmen.

    Erinnern sich Grüne oftmals nicht an die Debatten, weil diese Vorgänge für sie damals gar nicht sonderlich bemerkenswert waren?

    Als wir das von Jürgen Trittin presserechtlich verantwortete Göttinger Kommunalwahlprogramm von 1981 thematisiert haben, meldeten sich diverse Leute, die bei diesen Kommunalwahlprogrammen beteiligt waren. Die sagten, wir haben das da einfach so reinkopiert und uns gar keine Gedanken dazu gemacht. Da ist dann wieder die Schweigespirale. Warum haben die sich nicht in den letzten Wochen und Monaten dazu geäußert? (Ende des Auszugs)

    Das Interview können Sie ungekürzt im neuen COMPACT-Spezial 27: „Geheimakte Kinderschänder. Die Netzwerke des Bösen“ lesen können – hier bestellen.

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