Anders als seine Kollegen, die aus Angst vor ausbleibenden Engagements mit den Wölfen heulen wie ihre Berufsgruppe zu Zeiten des Nationalsozialismus oder der DDR, als die Jobvergabe von der regimekonformen Gesinnung abhing, redet der Schauspieler Jan Josef Liefers Klartext zu den politmedial verfemten Demos gegen die unverhältnismäßigen Corona-Maßnahmen.

    Diplomatisch gelingt ihm der Spagat zwischen Sachlichkeit und Kritik; er bemängelt aber auch die Zerrissenheit unter den Teilnehmern, die anders als die Dissidenten der DDR 1989 unterschiedliche Ziele verfolgen. Am 4. November – wenige Tage vor dem Fall der Berliner Mauer – hatte Liefers sich auf der sogar vom DDR-Fernsehen übertragenen Abschlusskundgebung der größten Demonstration der DDR-Geschichte auf dem Alexanderplatz mit seiner aufrüttelnden Rede vor Hunderttausenden ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt mit den Worten: „Die vorhandenen Strukturen, die immer wieder übernommenen prinzipiellen Strukturen lassen Erneuerung nicht zu. Deshalb müssen sie zerstört werden. (…) Und das heißt für mich unter anderem auch Aufteilung der Macht zwischen der Mehrheit und den Minderheiten.“

    Voller Verständnis aber auch leise enttäuscht scheint der 56-Jährige heute über die Bilder von der Demo am 29. August in Berlin. In ihr sieht er „eher die Auflösung von Wirkung und von Kraft, weil es sich in tausend Richtungen Luft verschafft und einfach so viel Dampf auf dem Kessel ist, so viele verschiedene Meinungen und Ziele und Agenden eine Rolle spielen, dass man eigentlich keine richtige Wirkung und Zielsetzung spüren kann“.

    Jan Josef Liefers auf der Demo 1989 | Foto: Wikipedia CC BY-SA 3.0 de

    Die Polarisierung sei „krass“ geworden, und „schnell wird diese kleine Pistole aus der Tasche gezogen, dass jeder, der eine kritische Frage äußert oder seine Zweifel äußern möchte, öffentlich auch ganz schnell in so eine Ecke geschubst werden kann“. Am Beispiel der Demonstration vom November 1989 mahnt er „Disziplin“ als Vorbild an – und appelliert an die Vernunft, Agents Provocateurs keine Chance zu geben. Seinerzeit seien sie „in diese Demonstration eingeschleust“ worden, „um zu provozieren, sie zu zersetzen“. Durch die Ruhe und Friedlichkeit aber habe sie große Kraft gehabt.

    Liefers, der in Dresden in einer Schauspieler-Dynastie aufgewachsen ist, 1996 mit „Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“ seinen filmischen Durchbruch schaffte, gelingt mit seinen Worten zu dem der Berlin-Demo vorangegangenen Verbot durch SPD-Innensenator Andreas Geisel ebenfalls eine diplomatische Meisterleistung: „Wann immer ein Staat ein besonders autoritäres Auftreten hat, sieht er auch nicht sehr gut aus!“ Ebenso geschickt verbirgt er seinen Unmut über den Corona-Alarm hinter dem zunehmenden Unverständnis und der wachsenden Ungeduld der „einfachen“ Leute, die endlich wieder in ihren Berufen arbeiten wollten.

    Liefer, einem breiten Publikum bekannt in der Rolle des arroganten, selbstgerechten Rechtsmediziners an der Seite von Axel Prahl als freakiger Hauptkommissar in der WDR-Krimiserie „Tatort – Thiel und Boerne“, plädiert dafür, die „Angst rauszunehmen aus dem Alltag, zu einem vernünftigen Risikomanagement zu kommen“. Seine Kritik an den hanebüchenen Kontaktverboten insbesondere zu Senioren ummantelt er mit der Geschichte seiner eigenen Familie, mit seiner Forderung, endlich wieder die Enkel zu ihren Großeltern zu lassen.

    Und er hat eine versteckte Botschaft für diejenigen, die diese Demonstrationen für ihre Zwecke missbrauchen: Niemand aus seinem Bekanntenkreis werde radikal, weil er gerade nicht wisse, wie er seine Miete zahlen solle. An Liefers differenzierten wie wohlgewählten Worten, so stellt es sich dar, können seine Kollegen und mehr noch die Politiker samt ihrer medialen Entourage lernen, wie Deeskalation geht. Dafür gebührt ihm Respekt.

    Dem Regime nicht genehme Künstler erhielten Auftrittsverbot, mussten auswandern oder… 

    Bleibt zu hoffen, dass ihm nicht dennoch die Gesinnungskeule um die Ohren fliegt wie etwa seinen Schauspielerkollegen kurz nach der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933, da unter Reichspropagandaminister Joseph Goebbels die Gleichschaltung der Kulturszene in Deutschland einsetzte, die derzeit eine Renaissance zu erleben scheint: Schauspieler, Sänger, Regisseure oder Kabarettisten, die dem System aus rassischen oder politischen Gründen nicht genehm waren, erhielten Auftrittsverbot, mussten auswandern, landeten in Haft, wurden gar ermordet.

    Geschichte wiederholt sich, wenn heutzutage wie seinerzeit Ideen und Themenvorschläge sowie Drehbücher und Besetzung bestimmten Interessen dienen sollen, Abtrünnige aussortiert werden, wie das Beispiel Silvana Heißenberg zeigt: Nach masseneinwanderungs- und regierungskritischen Posts auf Facebook 2016 wurde die Schauspielerin (u.a. „Helen Dorn“, ZDF, oder „Mein dunkles Geheimnis“, SAT1) auf allen Sendern kaltgestellt.

    Schließlich bestätigt sich auch heute noch oder mehr denn je Goebbels Auffassung, der Film sei „eines der […] weitreichendsten Mittel der Beeinflussung der Massen“. Deutschland war bereits „gleichgeschaltet“ und mit ihm der deutsche Film und seine Protagonisten. So stellt es sich auch heute wieder dar. Denn wer gegen den Strom schwimmt, geht unter.

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    Wie Hans Joachim Mendig, Geschäftsführer der Hessischen Filmförderung, der sich politisch unkorrekt mit unter anderem dem AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen privat zum Essen traf und aufgrund der Forderung von 300 konformistischen Staatskünstlern – darunter der Regisseur Dominik Graf sowie die Schauspielerinnen Jasmin Tabatabei oder Iris Berben – von der Bühne abtreten musste. Unvergessen ist auch die öffentliche Hinrichtung von Eva Herman bei „Johannes B. Kerner“ (ZDF) im Tribunal der Selbstgerechten, dem auch Senta Berger angehörte. Sie hatte dem Establishment missliebige Äußerungen getroffen. Möge Jan Josef Liefers dieses Schicksal erspart bleiben.

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