An diesem Sonntag übergibt Marine Le Pen auf dem Parteitag des Rassemblement National im südfranzösischen Fréjus den Vorsitz interimsweise an den bisherigen Vizechef Jordan Bardella. Im Interview mit COMPACT zeigte sich der 26-Jährige als Verteidiger nationaler Souveränität. Mehr über Europas Patrioten lesen Sie in dem Buch Make Europe Great Again des AfD-Außenpolitikexperten Petr Bystron. Hier bestellen.

    In Frankreich deutet mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im Mai 2022 alles auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Marine Le Pen vom Rassemblement National (RN) und Amtsinhaber Emmanuel Macron hin. Die 53-Jährige liegt in den jüngsten Umfragen mit Werten zwischen 22 und 23 Prozent nur hauchdünn hinter Macron, dem 24 bis 25 Prozent vorausgesagt werden.

    Das Land sei in zwei Lager gespalten, sagte Le Pen der Zeitung Le Figaro. Die Franzosen hätten im nächsten April die Wahl zwischen einem Befürworter der Globalisierung und einer Verteidigerin der Nation. „Ich bin die Kandidatin derjenigen, die ihre Wurzeln in Frankreich behalten wollen“, so die Herausforderin.

    Um sich verstärkt dem Wahlkampf widmen zu können, will Le Pen ihr Amt bei einem Treffen des Rassemblement im südfranzösischen Fréjus übergangsweise an den bisherigen Vize-Vorsitzenden Jordan Bardella abgeben. Der 26-jährige Europaabgeordnete gilt als hoffnungsvollstes Nachwuchstalent der Partei, die bis 2018 Front National hieß.

    Belagert von den Medien: Bardella ist Blitzlichtgewitter gewohnt. Foto: Mario Alexander Müller, COMPACT

    Bardella stammt aus einer italienischen Familie und wuchs in den von Einwanderern und sozialer Armut geprägten Pariser Vororten auf. Mit 16 trat er dem RN bei, mit 19 wurde er Abgeordneter des Regionalparlaments in Saint-Denis, mit 23 machte ihn Marine Le Pen zum Spitzenkandidaten für die Europawahlen. Bevor er sich ganz der Parteiarbeit widmete, studierte der Jungstar der französischen Patrioten Geografie an der Pariser Sorbonne.

    Der Autor dieser Zeilen hat Bardella schon im Frühjahr 2019 im Vorfeld der Europawahlen für COMPACT interviewt. Nachfolgend geben wir dieses Gespräch, das in COMPACT 5/2019 erschien, ungekürzt wieder:


    Herr Bardella, Sie stammen aus einer Einwandererfamilie, wuchsen in den Pariser Banlieues auf. Nun sind Sie Spitzenkandidat Ihrer Partei. Wer sind Ihre Vorbilder?

    Meine Mutter hat italienische Wurzeln, sie stammt aus einer Industrieregion. Aber anders als viele heutige Migranten gehöre ich zu einer Generation von Einwanderern, die in der französischen Kultur und Wirtschaft bereits perfekt assimiliert ist. Mein Vorbild ist vor allem Marine Le Pen, von der ich viel gelernt habe. Zum ersten Mal traf ich sie, als ich 16 Jahre alt war, und habe sie seither oft begleitet. Sie war es, die in mir den Wunsch geweckt hat, politisch aktiv zu werden.

    Der RN geht bei der Europawahl mit dem Slogan «On arrive» (Wir kommen) ins Rennen. Die Forderung nach dem Austritt aus dem Euro ist in den Hintergrund getreten – habt Ihr Euch dem Establishment angepasst?

    Vor zwei Jahren waren wir mit der Forderung nach dem Austritt aus EU und Euro noch sehr isoliert und standen mit dieser Position allein auf weiter Flur. Wir hatten damals nur die Möglichkeit, uns entweder den Regeln der EU zu unterwerfen oder sie ganz zu verlassen. Aber nun gibt es in ganz Europa Parteien, die die nationale Souveränität verteidigen und immer öfter auch Regierungsverantwortung übernehmen. Gemeinsam können wir in der EU viel bewegen. Der Rahmen hat sich also total verändert, und wir sind pragmatisch: Die heutige politische Landschaft gibt uns neue Möglichkeiten.

    «Die Franzosen haben uns gezeigt, dass sie den Euro behalten wollen.»

    Vor den Präsidentschaftswahlen 2017 hatte Ihre Partei ein fast schon sozialistisches Wirtschaftsprogramm. Nach der Niederlage wurde der Kurs geändert. Warum?

    Zunächst mal sind wir weder rechts noch links. Wir verteidigen gleichzeitig die Identität unseres Landes wie auch unser soziales Modell: Es geht darum, die Familien, die Mittelschicht und das einfache Volk zu schützen. Aber wir sind gleichzeitig pragmatisch, und so mussten wir den Franzosen zuhören, als sie uns 2017 gezeigt haben, dass sie den Euro behalten wollen. Also haben wir unser Programm reformiert.
    Was wird für die kommende Wahl wichtiger sein: soziale Themen oder die Frage nach der Identität?
    Beides sind heute essenzielle Kämpfe: die Verteidigung unserer Identität und gleichzeitig die Verteidigung der Franzosen, die am wenigsten haben. Diese Kämpfe müssen parallel und nicht gegeneinander geführt werden.

    Wenn wir über Identitätspolitik sprechen: Einwanderung, Islam oder gleichgeschlechtliche Ehe – wo greifen Sie in erster Linie an?

    Überall in Europa ist Einwanderung und damit verbunden der Islam derzeit das wichtigste Thema. Unsere Haltung gegenüber der gleichgeschlechtlichen Ehe haben wir vom RN immer sehr deutlich gemacht. Persönlich glaube ich allerdings, dass dieses Thema für das französische Volk zur Zeit keine Priorität hat. Wir sollten uns daher den Problemen widmen, die gerade am dringendsten sind: Steuern, Arbeitslosigkeit, und Einwanderung.

    Haben Sie Verständnis für die Gelbwesten?

    Die Gelbwesten sind eine Revolte des einfachen Volkes gegen hohe Steuern, vor allem aber auch gegen die Arroganz der politischen Eliten, die von Macron repräsentiert werden. Sie sind ein Ausdruck der Sorgen und Nöte der Franzosen. Viele Gelbwesten wählen Le Pen, etwa 40 bis 45 Prozent.

    Sein großes Vorbild ist Marine Le Pen – die wiederum kokettiert mit der französischen Nationalheldin Jeanne D‘Arc. Foto: Blandine Le Cain, CC BY 2.0, flickr.com

    Aber Präsident Macron hat doch eine große nationale Debatte ausgerufen.

    Das ist eine reine Kommunikationsoperation, die den Graben zwischen Volk und Eliten nicht hat schließen können. Es ging dort nie wirklich um eine Debatte, Macron hat sich die Teilnehmer selbst ausgesucht und nur diejenigen eingeladen, die er haben wollte – vor allem die Journalisten.

    Die Demonstranten fordern mehr direkte Demokratie. Sie auch?

    Nun, wir wollen eine echte Demokratie. In Frankreich haben wir ein sehr spezielles Mehrheitswahlrecht – anders als in den meisten europäischen Ländern gibt es keinen Proporz. Wir wünschen uns daher Wahlen nach dem Verhältniswahlrecht wie in anderen Ländern und fordern ein Referendum darüber. Wenn man mich Populist nennt, weil ich das Volk fragen will, nehme ich dieses Etikett gerne an.

    Früher sollen Sie der französischen Identitären Bewegung nahegestanden haben.

    Ich war kein Mitglied der Identitären. Das sind Aktivisten, die Aktionen machen – der RN ist eine politische Partei und macht Politik. Das ist etwas ganz anderes. Zum Beispiel hat die Gruppe in den Alpen einen Grenzübergang blockiert, über den viele illegale Migranten kommen. So erzeugt sie Aufmerksamkeit für sehr wichtige Themen. Aber die Identitären sind nicht direkt am politischen Prozess beteiligt und zielen nicht darauf ab zu regieren, wie der RN. Wir bekämpfen die Migration nun seit 45 Jahren. Wenn auch andere darüber sprechen, freut uns das natürlich sehr – aber wir waren die Ersten.

    «Wenn ich Populist bin, weil ich das Volk fragen will – dann gerne.»

    Gibt es in Frankreich für den RN überhaupt eine Regierungsperspektive, wie in Österreich und Italien, oder bleibt nur die Opposition?

    Zunächst erlaubt das Wahlsystem in Frankreich ja gar keine Koalitionen, weil wir kein Verhältniswahlrecht haben. Wie unser neuer Name Nationale Sammlungsbewegung verdeutlicht, möchten wir uns öffnen und auch den Politikern anderer Parteien die Möglichkeit geben, mit uns zu kooperieren. Ich denke hier zum Beispiel an den ehemaligen konservativen Minister Thierry Mariani, der unserer Partei gerade beigetreten ist und nun auch für die Europawahl kandidiert. Mit Einzelpersonen kann das funktionieren, mit anderen Parteien ist es allerdings kompliziert.

    In Italien haben Sie besonders gute Kontakte, unter anderem zu Matteo Salvini. Nun gibt es Streit zwischen den Regierungen beider Länder: Die italienische wirf Macron vor, er belehre sie über die Flüchtlingspolitik. Teilen Sie diese Kritik?

    Seit Macron an der Regierung ist, hat er nichts anderes getan, als andere europäische Führungskräfte zu beleidigen, Salvini und auch andere. Die Folge ist, dass er in Europa komplett isoliert dasteht. Wir Patrioten verteidigen ein Europa, das viel friedfertiger ist als das von Macron.

    Vielen Dank, Herr Bardella.


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