Weißrussland drohen neue Sanktionen, weil das Land eine Ryanair-Maschine, die sich auf dem Flug von Athen nach Wilna befand, zur Landung zwang, um einen belorussischen Exil-Oppositionellen festzunehmen. Erste Stimmen – so der US-Historiker Timothy Snyder – fordern nun einen sofortigen Stopp des Pipelineprojekts Nord Stream 2, da Russland eine Beteiligung an dieser Entführung unterstellt wird. Es folgen Auszüge aus dem Artikel „Zwei Männer und ein Rohr“, der in COMPACT 11/2017 erschien.

    Schröder war gut drauf an jenem 8. September 2005, obwohl die Umfragen für die zehn Tage später stattfindende Bundestagswahl eher mau waren. „Hier sitzt ja meine Wählerinitiative“, feixte er beim Mittagessen mit den Chefs des russischen Megakonzerns Gazprom sowie der deutschen Unternehmen Eon und BASF im Berliner Interconti-Hotel. Dann wurde es feierlich. Im Beisein des russischen Präsidenten Wladimir Putin unterzeichneten die Firmenvertreter die Vereinbarung zum Bau der Erdgas-Pipeline Nord Stream. Der Kanzler sprach von einer „wahrhaft historischen Qualität“, denn die Leitung sichere Deutschland „in direkter Partnerschaft mit Russland große Teile seiner Energieversorgung auf Jahrzehnte“.

    Eurasisches Wirtschaftsprojekt

    Nord Stream war ein Meilenstein: Die 1.224 Kilometer lange Pipeline transportiert seit 2011 pro Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Gas von Wyborg in Karelien durch die Ostsee bis nach Lubmin bei Greifswald – und umgeht damit Transitländer wie Polen und die Ukraine. Eigentümer der Leitung ist die Nord Stream AG, an der Gazprom mit 51 Prozent, die BASF-Tochter Wintershall und Eon-Ruhrgas mit jeweils 15,5 Prozent sowie die niederländische Gasunie und die französische GDF Suez mit jeweils neun Prozent beteiligt sind. Um noch mehr Erdgas aus Russland nach Deutschland pumpen zu können, wurde 2015 mit der New European Pipeline AG eine weitere Projektgesellschaft gegründet, die Nord Stream 2 realisieren soll.

    An dem Joint Venture waren neben Gazprom mit 50 Prozent ursprünglich auch die westeuropäischen Energieunternehmen Eon, BASF/Wintershall, Royal Dutch Shell, OMV und Engie mit jeweils zehn Prozent beteiligt. Doch nachdem die polnische Wettbewerbsbehörde in einem Kartellverfahren Einspruch gegen diesen Zusammenschluss erhoben hatte, zogen sich die fünf westlichen Partner zurück, so dass Gazprom inzwischen alleiniger Gesellschafter ist. Nord Stream 2 soll mit zwei weiteren Röhren parallel zu der bestehenden Ostsee-Pipeline verlaufen. Aufsichtsratsvorsitzender der New European Pipeline AG ist Altkanzler Schröder, der auch als Vorsitzender des Aktionärsausschusses der Nord Stream AG amtiert.

    Wirtschaftstiger Russland

    Auch wenn ihn sein Vorvorgänger Helmut Schmidt für den Erdgas-Deal 2005 kritisierte – Schröder hatte genau den richtigen Riecher. Unter der Ägide Putins wurde Russland zu einem Tiger, der bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2009 jedes Jahr um mehr als sieben Prozent wuchs und in den Kreis der großen Weltwirtschaftsmächte zurückfand. Das Potenzial hätte eigentlich auch Schmidt richtig einschätzen müssen, denn schon zu den Zeiten seiner Kanzlerschaft war die alte Bundesrepublik energiepolitisch aufs Engste mit der Sowjetunion verbunden. Noch in den 1950er Jahren hatte der legendäre Krupp-Manager Berthold Beitz erste Fühler nach Moskau ausgestreckt und ein Tauschgeschäft „Rohre gegen Erdgas“ angebahnt.

    Der geplante Osthandel konnte nur mit Mühe von den USA ausgebremst werden, die im Jahr 1963 über den NATO-Rat ein gegen die Sowjets gerichtetes Embargo für Großröhren initiierten. Am Ende baute der Ostblock mit Unterstützung der DDR die Pipeline Druschba (Freundschaft) – und noch heute transportiert diese Öl bis nach Schwedt an der Oder.

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