Enttarnt: Die Brandstifter im Hintergrund

Religiöse Endzeitvorstellungen haben momentan Hochkonjunktur. Man könnte das gelassen sehen – würden nicht manche Sekten gerne mal nachhelfen, damit sich ihre Voraussagen erfüllen. Das zeigt auch Thorsten Schulte in seinem neuen Bestseller «Die große Täuschung». Verschwiegene Hintergründe zu den Brandstiftern im Hintergrund. Hier mehr erfahren.

Was haben Wladimir Putin und Donald Trump gemein? «Toxische Männlichkeit», sagen die einen. Entschlossenheit und Coolness, meinen die anderen. Doch da ist noch etwas, das in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist: Folgt man dem US-Magazin Politico, haben beide zu den Förderern der jüdischen Gemeinschaft Chabad Lubawitsch gehört.

Mithilfe von Oligarchen wie Roman Abramowitsch und Lew Lewiew, «die später Chabads größte Gönner weltweit werden sollten», so Politico, hätte Putin die herkömmlichen jüdischen Strukturen in Russland durch Netzwerke der chassidischen Sekte ersetzt und den Chabad-Rabbi Berel Lazar als Moskauer Oberrabbiner installiert. Das Magazin schreibt: «Während Putin seine Kontrolle über Russland gefestigt hat, wird Lazar spöttisch als ”Putins Rabbiner” bezeichnet. Er hat den russischen Staatschef zur Jerusalemer Klagemauer eskortiert und an der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Sotschi, Putins Lieblingsprojekt, am jüdischen Sabbat teilgenommen.»

Bei Trump laufen die Connections vor allem über seinen Schwiegersohn Jared Kushner und dessen Umfeld. «Dass Rabbi Levi Shemtov, der neue Rabbiner in Kushners Leben, eine politische Figur ist, ist unbestritten. Shemtov, Gründer der kleinen Chabad-Gemeinde The Shul im feinen Washingtoner Viertel Kalorama, ist Vizepräsident der American Friends of Lubavitch und bestens vernetzt in allen Institutionen und Parteien», stellt die Jüdische Allgemeine fest.

Messias, Mahdi und Magog

Tatsächlich ist Chabad (hebräische Abkürzung für «Weisheit, Verstehen und Wissen») eine der einflussreichsten jüdischen Gruppen weltweit. Entstanden ist die Gemeinschaft im 18. Jahrhundert in Osteuropa, ihre Anhänger nennen sich Lubawitscher – nach dem früheren geistigen Zentrum im weißrussischen Lubawitsch.

Inzwischen befindet sich die Chabad-Zentrale in Brooklyn, 1950 übernahm dort der Rabbiner Menachem Mendel Schneerson die Führung und entsandte seine Anhänger in alle Welt. Als der Mann mit dem langen weißen Bart 1994 starb, rief man ihn zum Messias aus. Bis heute glauben viele Lubawitscher, dass der Rebbe eines Tages aus seinem Grab auferstehen und die Welt erlösen werde.

Der Autor Wolfgang Eggert (Israels Geheimvatikan) beschreibt Chabad als Weltuntergangssekte, die nicht nur auf das Ende aller Tage warte, sondern aktiv darauf hinarbeite. Die Lubawitscher glauben an zwei Erlösergestalten. Da wäre zum einen der Messias ben David, der während der Apokalypse erscheine und zum neuen Weltherrscher werde. Zuvor jedoch trete der Messias ben Joseph auf, der alles für die Ankunft ben Davids vorbereite und dafür sorge, dass sich die Endzeitprophetien erfüllen.

Manche Truther deuten auch den Ukraine-Krieg in diesem Zusammenhang: Angeblich sollen Lubawitscher auf beiden Seiten im Hintergrund an einer Eskalation des Konflikts arbeiten, um die Voraussagen wahr werden zu lassen. Dass Ihor Kolomojskyj, Oligarch und Gönner des ukrainischen Präsidenten Selenski, ebenfalls ein großzügiger Chabad-Förderer ist, passt da nur allzu gut ins Bild.

Die Gedankenwelt der jüdischen Sekte weist erstaunliche Ähnlichkeiten mit dem Mahdi-Glauben im Islam auf. Der Mahdi, ein Nachkomme des Propheten Mohammed, ist eine insbesondere in der schiitischen Richtung bedeutende Messias-Gestalt, die während der Endzeit das Böse bekämpft.

Im heutigen Iran hat diese Vorstellung politisch Gestalt angenommen: Der Staat ist in Erwartung der Ankunft des Mahdi aufgebaut, die Regierung soll alles für dessen Regentschaft vorbereiten. Für gewöhnlich geschieht dies in Form passiven Abwartens, doch 2020 forderte beispielsweise der Geistliche Alireza Panahian, dass man eine Eskalation der Corona-Krise fördern solle, damit sich die Apokalypse und damit die Ankunft des islamischen Messias beschleunige.

Auch im Christentum existierten solche Strömungen. Signifikante Teile der Konservativen in den USA sind durch die protestantische Doktrin des Dispensationalismus geprägt. Die besagt, dass alle Nationen einem bestimmten Endzeitplan folgen müssen, aber jedes Land auch einen eigenen hätte.

Ein wichtiger Bestandteil dieser apokalyptischen Vorstellung ist der Kampf gegen den König Gog aus einem östlichen Königreich Magog in der durch die Offenbarung des Johannes überlieferten «Zeit der Drangsal». Die Amerikaner seien demnach dazu berufen, nach diesem Endkampf gemeinsam mit den Juden das «neue Jerusalem» zu bauen.

Die US-Prediger Hal Lindsey und Jerry Falwell sahen gemäß dieser Vorstellung in einem Atomkrieg zwischen dem Westen und der UdSSR einen wichtigen Schritt zur Erfüllung biblischer Endzeitprophezeiungen. Beide sollen später sogar Einfluss auf die Nuklearstrategie des Pentagons unter Präsident Reagan gehabt haben.

Der Guru mit dem Nervengas

Das Phänomen religiöser Endzeitvorstellungen ist beileibe nicht auf den westlichen Kulturkreis beschränkt. In Japan etwa sorgte vor einigen Jahren die Aum-Sekte von Shoko Asahara (bürgerlicher Name: Chizuo Matsumoto) für Aufsehen.

Der Akupunkteur und Experte für traditionelle chinesische Medizin sah sich selbst als Reinkarnation von Jesus Christus und Buddha, betrachtete Adolf Hitler als religiösen Propheten und lehrte, dass die Apokalypse in Form eines Dritten Weltkrieges zwischen Asien und dem materialistisch-dekadenten Westen nahe sei. Nur er und seine Anhänger könnten gerettet werden, meinte Asahara.

Zunächst setzte Omu Shinrikyo, so der offizielle Name der Aum-Sekte, auf Yoga und Bekehrungskampagnen, nahm mit einer eigenen Partei an Parlamentswahlen teil und produzierte Animes. Als sich dies jedoch als wenig erfolgreich erwies, kam Asahara zu der Überzeugung, dass er den Dritten Weltkrieg selbst auslösen müsse, um seine eigene Prophezeiung zu erfüllen.

Resultat war der verheerende Anschlag mit dem Nervengas Sarin auf die U-Bahn in Tokio am 20. März 1995, bei dem 13 Menschen starben und über 6.000 wegen Folgeschäden behandelt werden mussten. Asahara wurde daraufhin verhaftet und zum Tode verurteilt. 2018 wurde das Urteil vollstreckt.

Im Prozess kam heraus, dass Aum auch in den Drogenhandel involviert war und Mitglieder der Sekte unfreiwilligen Hirnoperationen unterzogen worden waren. Inzwischen umbenannt in Aleph, gibt sich die Gemeinschaft reformiert und geläutert, doch manche meinen, dies sei nur Tarnung, um besser Politik und Wirtschaft infiltrieren zu können. 2019 verübte ein Aum-Anhänger mit seinem Auto einen Terroranschlag im Tokioter Stadtteil Harajuku, drei Jahre zuvor wurden Gebäude der Sekte in Russland, 2017 in Japan durchsucht. Die EU listete Aum bis 2011 als Terrorgruppe auf.

Nach dem U-Bahn-Anschlag von 1995 entstand die Theorie, dass okkulte Themen und Symbolik in japanischen Medien mit Asaharas Gruppe in Verbindung stünden. Niederschlag fand dies unter anderem in der Anime-Serie Neon Genesis Evangelion (1995–1996), in der es darum geht, dass die Welt insgeheim durch eine Endzeitsekte geleitet wird, die in einem kabbalistischen Plan das Ende der Menschheit einleiten will.

Asaharas Lehren weisen auffällige Parallelen zu denen Charles Mansons auf. Dieser bastelte sich aus verschiedenen Quellen wie Scientology, Christentum, Science-Fiction und Hippiekultur eine Weltanschauung zusammen, die besagte, dass die Beatles in ihrem Song «Helter Skelter» für das Jahr 1969 einen Rassenkrieg in den USA prophezeit hätten. Manson versuchte, den Weltuntergang zu beschleunigen, indem er unter anderem Roman Polanskis Frau Sharon Tate ermorden ließ, um für Chaos zu sorgen.

Apokalyptischer Algorithmus

Neben organisierten Endzeitsekten gab und gibt es auch immer wieder Nerds, die mit solchen Vorstellungen spielen. Ein Beispiel ist der Mathematiker und Hippie-Philosoph Terence McKenna, der sich mit Drogen, Schamanismus und Sexualmagie beschäftigte. McKenna wollte auf Basis antiker religiöser Systeme wie dem konfuzianischen I Ging die genaue Abfolge historischer Ereignisse wie den Atombombenabwurf auf Hiroshima erklären und daraus einen Algorithmus schaffen, der die Apokalypse genau vorausberechnet.

Diesen nannte er «Zeitwelle Null», und McKenna meinte damit beweisen zu können, dass die Weltgeschichte aus mehreren ineinander verschachtelten Zeitzyklen besteht, die alle auf eine große Katastrophe hinauslaufen würden. Mit psychedelischen Pilzen könne man geistig einen kleinen Vorgeschmack auf dieses Szenario bekommen.

Der US-amerikanische Programmierer Terry A. Davis, der an psychotischen Episoden litt, schrieb wiederum das Betriebssystem TempleOS, mit dem er biblische Endzeitprophetien erfüllen und den dritten Tempel errichten wollte. Sein Betriebssystem sei ein Weg, um im neuen Zeitalter elektronisch mit Gott sprechen zu können.

Der britische Philosoph Nick Land wiederum entwickelte das Konzept des Akzelerationismus. Es geht davon aus, dass die Menschheit auf ein katastrophales Ereignis zusteuert. Da man dies ohnehin nicht verhindern könne, müsse man daran arbeiten, dass dies so schnell wie möglich eintrifft. Anhänger dieser Idee finden sich unter anderem in der sogenannten Boogaloo-Bewegung. Diese unterstützte während der Black-Lives-Matter-Proteste 2020 Militante auf beiden Seiten – damit es zu möglichst heftigen Ausschreitungen kommt.

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