Entführung, Schändung, Mord: Es sind monströse Verbrechen, denen Kinder immer wieder zum Opfer fallen. Alles nur Einzelfälle – oder steckt dahinter ein perverses System? Ein tieferer Blick auf die Strukturen offenbart Erschreckendes. Ein Auszug aus dem Titel-Aufmacher aus der neuen COMPACT 7/2020. Jetzt HIER zu bestellen.

    Von der Alme bis zur Sauer erstreckt sich im Süden Westfalens das Bürener Land. «Ein kleines Paradies inmitten von Deutschland», bewirbt der lokale Tourismusverband den idyllisch wirkenden Flecken Erde, der vor allem bei Wanderern beliebt ist. Die Bistumsstadt Paderborn ist nur einen Katzensprung entfernt, und auch zum Hermannsdenkmal oder den sagenumwobenen Externsteinen im Teutoburger Wald fährt man nicht lange. Fast scheint es, als gehe von der Region eine mystische Kraft aus: eine Kraft, die Gutes bewirken kann – oder aber das Tor zur Hölle öffnet.

    «Nicki» sieht düstere Symbole, Spritzen – und Blut.

    Der düstere Schatten, der über der urwüchsigen Karstlandschaft liegt, wird von einer Burg im östlichsten Zipfel der alten Kreisstadt Büren geworfen. Der Bau wurde im 10. Jahrhundert als Wehranlage errichtet, später diente er als fürstbischöfliche Residenz. Bekannt und ebenso berüchtigt ist die Wewelsburg jedoch wegen ihrer Nutzung im Dritten Reich. Auf Himmlers Geheiß wurde sie 1934 für die SS erworben, sollte zum zentralen Versammlungsort der höchsten Führer seines schwarzen Ordens ausgebaut werden. Manche Historiker glauben, dass in den alten Gemäuern auch rituelle Feiern stattgefunden haben. Dafür spricht die Gestaltung des Obergruppenführersaals mit der in Marmor gefassten Schwarzen Sonne im Nordturm und der darunterliegenden Gruft, deren kultischer Zweck augenfällig ist. Welche Geister dort beschworen wurden, liegt im Dunkeln – man ist sich nur sicher, dass es keine guten waren.

    Tatort Wewelsburg

    Miley Cyrus: Manche vermuten, dass sich hinter ihrem Wandel vom Disney-Kinderstar zur Sex-Ikone ein düsteres Geheimnis verbirgt.
    Foto: picture alliance

    Für Meike Büttner (siehe Interview in COMPACT 7/2020) sind diese bösen Geister höchst real. Dabei wurde die junge Frau lange Zeit nach dem Ende der Nazi-Herrschaft geboren. Sie ist gerade einmal 38 Jahre alt. Auch «Nicki» verbindet mit der Wewelsburg schreckliche Erinnerungen. «Nicki», das ist eine von mehreren Identitäten einer Frau, die als Kind schwer traumatisiert wurde. Als Schutzmechanismus haben sich bei ihr sogenannte Innenpersonen abgespalten. Dissoziative Identitätsstörung nennt man das in der Psychologie. Die Filmemacherin Liz Wieskerstrauch hat ihre Geschichte 2001 in der ARD-Dokumentation Höllenleben nacherzählt. Im Alter von 14 Jahren zeigt «Nicki» ihren Stiefvater an. Er wird wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Doch höchstwahrscheinlich hat die zur Zeit der Filmaufnahmen 40-jährige Frau als Kind noch viel schrecklichere Erfahrungen machen müssen, die bis heute ungesühnt sind. In dem Film führt «Tony», eine andere Innenperson der Frau, das Kamerateam zur Wewelsburg. Im Kellergewölbe des Nordturms erinnert sie sich: Kinder werden für ein Ritual vorbereitet, es gibt Gesänge, sie sieht düstere Symbole, Spritzen – und Blut. Man habe ihr einen Dolch gegeben, ihre Hand geführt, ein anderes Kind habe dadurch sein Leben verloren.

    Beweise für die geschilderten Taten ließen sich nie finden – auch nicht in ähnlichen Fällen. Den Opfern wird daher oft mit Skepsis begegnet, den Therapeuten unterstellt, sie würden ihre Patienten durch suggestive Befragungen in eine bestimmte Richtung führen. Diese Vorwürfe kennt auch die Psychotherapeutin Daniela Splettstößer-Pache. Doch sie ist überzeugt, dass das, was man gemeinhin als rituellen Missbrauch bezeichnet, keine Fantasie ist, sondern bittere Realität. Und sie geht von organisiertem Verbrechen aus, dessen Dimensionen sich kaum überblicken lassen. In ihrem 2019 erschienenen Buch Das Unfassbare begreifen schreibt sie: «Ritueller Missbrauch geschieht meist in Täternetzwerken, die in alle gesellschaftlichen Bereiche und leider auch in unsere christlichen Gemeinschaften hineinreichen.» Werfe man «einen erweiterten Einblick in die Strukturen der ausführenden Kulte», könne man schnell feststellen, «dass es enge Verknüpfungen mit dem Gewerbe der Prostitution, der Musik- und Schauspielbranche, mit Menschenhandel, Politik und Satanismus gibt».

    Lügde, Bergisch Gladbach, Münster

    Die Wewelsburg: Zur Zeit des Dritten Reiches SS-Festung, für deren Ausbau Zwangsarbeiter in einem nahe gelegenen KZ schufteten. Fanden hier auch noch nach 1945 schwere Verbrechen statt?
    Foto: André Heinermann / Kreismuseum Wewelsburg

    Auf den ersten Blick hat das alles nichts mit den Fällen zu tun, von denen man derzeit viel in den Medien liest. Und doch ist schon jetzt klar, dass man nicht mehr von Einzeltätern sprechen kann, die unabhängig voneinander agieren. In Nordrhein-Westfalen haben mehrere hundert Ermittler inzwischen ein umfangreiches Pädophilennetzwerk aufgedeckt. Im Herbst vergangenen Jahres wurde ein heute 43-jähriger Tatverdächtiger in Bergisch Gladbach festgenommen, der seine zweijährige Tochter über einen längeren Zeitraum schwer missbraucht und auch Aufnahmen davon gemacht haben soll. Nach Sicherstellung des Materials wurden Ermittlungen gegen fast 30 weitere mutmaßliche Täter aufgenommen, die ihre Opfer teilweise sogar untereinander ausgetauscht haben sollen. Mittlerweile weiß man, dass eine Spur auch zu dem Campingplatz in Lügde führt, wo drei Männer zwischen 2008 und 2018 in mehr als 1.000 Fällen Jungen und Mädchen zwischen vier und 13 Jahren sexuell missbrauchten und ihre Taten filmten. Aufnahmen, die in Lügde entstanden sind, tauchten nun bei dem Hauptverdächtigen aus Bergisch Gladbach auf. Dessen Großvater, der laut Angaben von Ermittlern selbst wegen Kindesmissbrauchs aktenkundig ist, hatte laut Recherchen des WDR von Mitte der 1980er Jahre bis Mitte der 1990er Jahre einen Stellplatz in Lügde gepachtet. Eine Spur zu dem Kinderschänderring in Münster um einen 27-jährigen IT-Techniker, der sich mit mindestens drei anderen Männern an mehreren Kindern im Alter von fünf bis zwölf Jahren vergangen, die Taten gefilmt und im Darknet angeboten haben soll, gibt es zwar noch nicht, aber die Ermittlungen befinden sich noch im Anfangsstadium. Von ritualisierten Formen des Missbrauchs ist nichts bekannt, die Täter kommen eher aus den unteren Gesellschaftsschichten. Doch was, wenn hier nur die Spitze des Eisbergs sichtbar wird? Wenn nur die untersten Ebenen eines weitaus größeren Netzwerks ins Rampenlicht geraten, während die oberen Etagen im Dunkeln bleiben?

    Dutroux und Sachsensumpf

    Der Vergleich mit zwei besonders brisanten Kriminalfällen der 1990er Jahre lassen solche Vermutungen nicht unrealistisch erscheinen – der Fall Dutroux und der sogenannte Sachsensumpf.
    Im belgischen Charleroi hatte der schon 1989 wegen Entführung und Missbrauchs von fünf Mädchen im Alter von zwölf bis 19 Jahren zu 13 Jahren Haft verurteilte, aber bereits nach drei Jahren begnadigte Kinderschänder Marc Dutroux mit seiner Ehefrau Michelle Martin den Keller seines Hauses 1995 zu einem Verlies ausgebaut. Dorthin entführte er im Juni jenes Jahres zwei achtjährige Mädchen, um sie zu vergewaltigen und Videomaterial von den Taten anzufertigen. Bis Anfang August verschleppte und missbrauchte er vier weitere Mädchen zwischen 12 und 19 Jahren zum selben Zweck. Die ältesten vergiftete Dutroux, zwei konnten, als er aufflog, lebend befreit werden. Die beiden ersten Opfer ließ seine Frau angeblich verhungern, während er wegen Autodiebstahls über drei Monate in U-Haft saß. Das ist höchst zweifelhaft. Wurden die Mädchen an höhere Kreise weitergereicht? Dutroux selbst sagte 2004 vor Gericht aus, er sei nur Handlanger gewesen. Die entführten Mädchen seien auch für Personen bestimmt gewesen, die teils «höchste Protektion von ganz oben» genössen. Ermittler Patrick Debaets resümierte: «Sobald man gegen Pädophilie vorgehen will, stößt man auf ein System von Protektionen und bekommt sofort Probleme.» (…) Ende des Textauszugs.


    Lesen Sie in dem Artikel «Kinderschänder: Die Netzwerke der Eliten» in COMPACT 7/2020 weiter:

    *Der Fall Sachsensumpf: Welche Spuren vom früheren illegalen Kinderbordell Jasmin in Leipzig in die obersten Etagen von Politik und Justiz – und wie konnte man verhindern, dass diesen Spuren weiter nachgegangen wird?

    * Bohemian Grove: Welches dunkle Geheimnis verbirgt sich hinter den alljährlichen Okkult-Ritualen der US-Machtelite in dem abgeschotteten Areal in Kalifornien – und welche Spuren führen zu einem Pädophilie-Skandal, der das politische Washington in den 1990er Jahren erschütterte?

    *Pizzagate: Welche handfesten Hinweise gibt es auf eine Verstrickung des Clinton-Umfeldes in einen möglichen Kindersex-Ring, in dessen Zentrum eine renommierte US-Journalistin das Restaurant Comet Ping Pong in Washington sieht?

    *Adrenochrom: Was ist dran an der Theorie massenhafter Verschleppungen und Folterungen von Kindern zwecks Gewinnung der angeblichen Superdroge der Machtelite?

    *Satans Agent: Der mysteriöse US-Offizier und Psyop-Spezialist der NSA, Michael Aquino, der der Church of Satan angehörte, den Temple of Set gründete und sich wegen Kindesmissbrauchs vor Gericht verantworten musste.

    JETZT WIRD ABGERECHNET: Jeffrey Epsteins Lolita-Express für Promis,  Clintons Wahlkampfleiter Podesta und die Maddie-Ermittlungen, Sachsensumpf, Dutroux-Netzwerk und Pizza-Gate, MK-Ultra und die Wewelsburg… Alles nur Einzelfälle? Nein, dahinter steckt auch ein perverses System. Alle Dokumente, Beweise und Indizien jetzt in COMPACT-Magazin 7/2020.

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