Jeder weitere Tag kann den ganz großen Knall bringen: Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi drohte am vergangenen Samstag auf einem grenznahen Luftwaffenstützpunkt mit dem Einmarsch der Armee des bevölkerungsreichsten nordafrikanischen Landes in Libyen. Dort tobt ein entscheidender Kampf um die Erdölförderstätten im Osten des Landes.

     Al-Sisi, selbst nicht nur Präsident, sondern auch Feldmarschall der ägyptischen Armee, hatte am Wochenende das ganz große Besteck aufgefahren – offensichtlich auch um seinem Kontrahenten, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, zu imponieren und eine deutliche Warnung an diesen auszusprechen. Kampfjets zogen in Formationen über den Militärstützpunkt Sidi Barrani und Spezialeinheiten der Armee paradierten vor den ranghöchsten Generälen der Armee.

    „Stehen jederzeit für Operationen bereit“

    Um keine Zweifel an seinen Intentionen zu lassen, äußerte al-Sisi ganz direkt: „Jede direkte Intervention von Ägypten in Libyen ist legitim. Unsere Luftwaffe und unsere Spezialeinheiten stehen bereit, jederzeit Operationen durchzuführen.“ Wieder einmal betonte al-Sisi, dass er das in der ostlibyschen Kyrenaika in der Stadt Tobruk tagende Parlament für die einzige legitime Vertretung des Landes halte. Es ging aus den Wahlen im Juni 2014 hervor, wurde aber schon im Juli 2014 von islamistischen Milizen aus der Hauptstadt Tripolis vertrieben. Schutz gewährte ihr der frühere Gaddafi-General Chalifa Haftar, der als faktischer Herrscher über den Ostteil des Landes die Unterstützung Russlands, Ägyptens, Frankreichs und der Vereinigten Arabischen Emirate genießt.

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    International anerkannt ist freilich die von radikalen Islamisten unterstützte und von der Hauptstadt Tripolis aus operierende Regierung des libyschen Premierministers Fayez as-Sarradsch. Er wäre wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon gestürzt worden, wenn Erdoğan im Januar dieses Jahres nicht einen Militäreinsatz beschlossen hätte, um den wankenden libyschen Premierminister zu stützen.

    Der Konflikt und seine rote Linie

    Die mit türkischer Unterstützung und maßgeblich von islamistischen Milizen getragene Gegenoffensive führte die Dschihadisten, denen es gelang, den Kessel von Tripolis zu sprengen, nun vor die Tore der Stadt Sirte. Sie war schon die Machtbasis Gaddafis, der hier geboren wurde. Wie an einer Perlenkette aufgereiht liegen in einem östlichen Halbkreis rund um Sirte einige der wichtigsten Ölförderstätten des Landes.

    Das dürfte auch der tiefere Grund gewesen sein, aus dem heraus al-Sisi bei seinem Auftritt am vergangenen Samstag eine „rote Linie“ zog, die von Sirte an der Mittelmeerküste bis zur 400 Kilometer südlich gelegenen Region al-Dschufra reicht. Die ägyptischen Streitkräfte, so der Präsident weiter, würden sofort einschreiten, falls eine der libyschen Konfliktparteien diese Grenze überschreitet.

    Putin schickt seine Migs

    Das ist eine klare Ansage, die deutlich macht, dass jeder Tag den Beginn eines Großkrieges in Nordafrika bringen könnte. Würde es so weit kommen, dann wäre es wirklich angebracht, von einem „Afrikanischen Weltkrieg“ zu sprechen – der Begriff wird bislang teilweise auf den Zweiten Kongokrieg angewendet, der zwischen 1998 und 2003 tobte und an dem sich zahlreiche Staaten des schwarzen Kontinents wie auch außerkontinentale Akteure beteiligten.

    Verschiedenen Medienberichten zufolge hat Russland Ende Mai 14 Kampfflugzeuge der Typen Mig-29 und Su-24 von Syrien nach Libyen verlegt, die dort die Einheiten Haftars unterstützen sollen. Das macht deutlich, dass für Putin – ebenso wie für al-Sisi – die Stadt Sirte eine rote Linie darstellt, die niemand nach Osten hin überschreiten darf. Der Krieg in Libyen geht derzeit jedenfalls in eine entscheidende Phase.

    Im eigenen Land entwickelte Wunderwaffen ermöglichten Erdoğan den Durchmarsch zu Gaddafis Geburtsstadt. Lesen Sie in der Juli-Ausgabe von COMPACT, die Sie über COMPACT-Digital+ jetzt schon abrufen können, wie die Türkei zur Drohnenmacht wurde.

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