Der deutsche Strom, die deutsche Maid, die deutsche Tragik: Nirgends lockt das Unsagbare unserer Volksseele so süß und so verderblich. Die Lorelei ist eine Schicksalsgestalt der Romantik, die auch Eduard Klaus in seinem Prachtband «Die Schönheit unserer deutschen Kultur» angemessen würdigt. Hier mehr erfahren.

    Es ist schon erstaunlich, dass ausgerechnet eines der unbeholfensten Gedichte von Heinrich Heine bis heute zu seinen bekanntesten zählt. Es geht um jene 1824 entstandene «Lorelei», wo ihm die Melodie zum Nichtwort «Melodei» degeneriert, die Endreime krampfhaft daherstolpern und im Refrain von «Kamme» auf «wundersame» einen jammervollen Höhepunkt erklimmen.

    Was sind solch anspruchslose Verslein gegen die 23 Jahre früher entstandene Ballade «Lore Lay» des Clemens Brentano! Sein Opus «Zu Bacharach am Rheine» gehört wohl zum Ergreifendsten, was die deutsche Romantik an Lyrischem hervorgebracht hat. Diesen reichhaltigen Schatz hebt Eduard Klaus in seinem prächtigen Bildband «Die Schönheit unserer deutschen Kultur».

    Brentano erzählt die Geschichte einer Frau, die ihrer Schönheit und ihrer bösen Verführungskünste so überdrüssig geworden ist, dass sie sterben will oder doch zumindest als Nonne Frieden finden möchte. Sie beschließt:

    «Ich will noch einmal sehen
    wohl in den tiefen Rhein
    und dann ins Kloster gehen
    und Gottes Jungfrau sein.»

    Vom steilen Felsen aus sieht Lore Lay ein Schiff, in dem sie ihren Geliebten vermutet, der Einzige, dem ihr Herz gehört, von dem sie aber betrogen und verlassen wurde. Mit den Worten «Mein Herz wird mir so munter, er muss mein Liebster sein!» stürzt sie sich in den Rhein. Mit ihr sterben drei Ritter, die sie zum Kloster begleiten sollten. So erfüllt sich auch noch im Tod das Verhängnis der schönen Zauberin: «Und machte viel zu Schanden der Männer ringsumher.»

    Eine erotische Allegorie

    Wenn man auf dem 132 Meter hohen Schieferfelsen zwischen den rechtsrheinischen Städtchen Sankt Goarshausen und Dörscheid steht, so bietet sich ein wunderschöner Blick ins Flusstal; auch für ihr vollklingendes Echo ist die Stätte bekannt.

    Vor Jahrhunderten, als der Rhein, Deutschlands Schicksalsstrom, noch nicht so gnadenlos begradigt war, soll am Fuße des Berges ein gefährlicher Wasserstrudel manchem Schiffer und seinem hölzernen Nachen zum Verhängnis geworden sein.

    «Wo das Flusstal des Rheins unterhalb von Kaub am engsten ist, starren zu beiden Seiten schroffe Felswände von schwarzem Schiefergestein unheimlich hoch empor», weiß ein Bericht aus dem 18. Jahrhundert zu vermelden. »Schneller schießt dort die Flut des Rheinstroms, lauter brausen die Wogen, prallen ab am Felsen und bilden schäumende Wasserwirbel. Nicht geheuer ist es in dieser Schlucht, über diesen Stromschnellen.»

    Bei Clemens Brentano hat sie keine blonden Haare, sondern rote: Die Lorelei gilt vielen als erste deutsche Femme fatale. Foto: Ollyy | Shutterstock.com

    Entstand daraus die Sage von der lockend-tückischen Lorelei, jenes «Märchen aus alten Zeiten», wie Heine behauptet? Mitnichten. Auch hier gebührt dem 23-jährigen Clemens Brentano das Urheberrecht, wie man in dem Prachtband «Die Schönheit unserer deutschen Kultur» nachlesen kann. In seinem Roman «Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter» taucht 1801 erstmals die Ballade über unsere Rhein-Sirene auf.

    Allerdings griff der Dichter, dem wir unter anderem die Volksliedersammlung «Des Knaben Wunderhorn» verdanken, tatsächlich einen alten regionalen Mythos auf. Denn Lore, was wie ein weiblicher Vorname klingt, kommt aus dem Mittelhochdeutschen, wo Lure oder Lore für feminine Elementargeister stehen, die Menschen zu Liebesabenteuern verlocken.

    Ebenso wie die typisch deutsche Mittagsfrau, eine Dämonin, die schlafende Landleute zur Mittagszeit auf ihren Feldern heimsucht und sie mit erotisch-drückenden Träumen quält oder ihnen hinterhältige Fragen stellt. Ley wiederum ist ein altes Wort für Felsen oder Klippe.

    Eine wahre Liebestragödie

    Nur fünf Jahre nach der fiktiven Tragödie der rheinischen Zaubermaid kam es zu einer realen: Am Ufer des Rheins bei Oestrich-Winkel erdolchte sich die 35-jährige Dichterin Karoline von Günderode und versank in den Fluten. Sie litt an allerhand unerfüllter Liebe – vor allem zu Clemens Brentano. Der hatte ihr im wilden Überschwang seiner romantischen Seele geschrieben:

    «So öffne alle Adern Deines weißen Leibes, damit das heiße schäumende Blut aus tausend wonnigen Springbrunnen spritze! So will ich Dich sehen und trinken aus den tausend Quellen, trinken, bis ich berauscht bin und Deinen Tod mit jauchzender Raserei beweinen kann.»

    Bald danach setzte der Kult um die Lorelei ein. Man dichtete ihr Musikinstrumente an (bevorzugt die Harfe), eine Schnur aus Bernstein, ebenso die blonde Mähne und den betörenden Gesang. Wenn man so will, rückte sie auf zur ersten Femme fatale der Deutschen.

    Mit einem gravierenden Unterschied zum US-amerikanischen Vamp, wie Thea Dorn und Richard Wagner in ihrer Anthologie «Die deutsche Seele» feststellen: «Anders als ihren gerissenen Schwestern unterstellt dieser Lore-Verführerin noch nicht einmal der Mann, der sich in ihren Netzen verfangen hat, ein bewusstes Vernichtungskalkül.»

    Ein Teufelsweib

    Im Mittelalter war der erstmals 920 erwähnte Lurleifelsen berüchtigt für seine gefährliche Strömung, die viele Schiffbrüchige forderte. Verantwortlich dafür machte man Zwerge und Berggeister oder eben eine Nymphe. Legenden über die gefährliche Nixe geisterten schon lange durch das Gebiet am Mittelrhein, wie sich einem durch die Lektüre von «Die Schönheit unserer deutschen Kultur» erschließt:

    «Wer sie sieht, wer ihr Lied hört, der verliert sein Herz. Hoch oben auf der höchsten Spitze ihres Felsen steht sie, in weißem Kleide, mit fliegendem Schleier, mit wehendem Haar, mit winkenden Armen. Keiner aber kommt ihr nahe. Sie weicht vor ihm zurück, sie lockt ihn durch ihre zaubervolle Schönheit – bis an den jähen Rand des Abgrundes. Er sieht nur sie, er glaubt sie vor sich auf festem Boden, schreitet vor und stürzt zerschmetternd in die Tiefe.»

    Sogar der Teufel «wurde von Liebe zu ihr so heiß, dass er dampfte». Am Ende musste selbst Luzifer kapitulieren und war froh, noch ohne Schaden davongekommen zu sein. «Aber als er fort war, da zeigte sich, o Wunder, seine ganze Gestalt, schwarz in die Felswand eingebrannt.»

    In seinen Rheinmärchen griff Clemens Brentano die Sagengestalt 1846/47 noch einmal auf. Hier heißt sie Lureley und es ist ausdrücklich von ihrem «goldenen Haar» die Rede, aus dem sie zuweilen Perlen regnen lässt, sowie von ihrer «überaus holdseligen Miene».

    Opulent illustriert: „Die Schönheit unserer deutschen Kultur“ ist auch optisch ein Hochgenuss. Hier bestellen. Foto: Repro COMPACT

    Die Meerjungfrau trägt auch einen schwarzen Rock nebst weißem Schleier, was wenig mit ihrer ansonsten gern gezeigten verführerischen Nacktheit korrespondiert. Auch leidet Lureley an gebrochenem Herzen, weil sie oft von ihrem Liebsten betrogen wurde. Den Menschen ist sie freundlich gesinnt, aber wehe, wenn sie von vorüberfahrenden Schiffern verhöhnt wird, dann zieht sie diese in den Tod hinab. Tatsächlich hat Brentano hier ein wenig bei Heine gewildert.

    Scorpions, Marilyn und die Bronx

    Als urdeutsche Touristenattraktion wird die Lorelei heute eifrig vermarktet. Sie sitzt an der Spitze des Hafendammes von Sankt Goarshausen und sinniert oben auf dem Felsen. Sie wird auch besungen, nun ja. 1981 trällerte die Gruppe Dschingis Khan ihr «Loreley -ley -ley». Und die Hardrock-Band Scorpions kreierte 2010 eine erstaunlich unkrawallige Version (natürlich auf Englisch): «Lorelei – my ship has passed you by».

    Loreleis Ruhm reichte schließlich bis nach Übersee. Und das nicht erst durch den Film «Blondinen bevorzugt» (1953), in dem Marilyn Monroe als Lorelei Lee auf Männerfang geht. Bereits 1899 wurde im New Yorker Stadtteil Bronx am Joyce-Kilmer-Park ein Denkmal für Heinrich Heine aufgestellt. Dieser Marmorbrunnen zeigt aber nicht des Dichters Antlitz, sondern die Gestalt der Lorelei.

    Frühfeministische Gruppen agitierten gegen die «schamlose» (weil spärlich bekleidete) Figur sowie ihr «pornografisches Spektakel». Im Ergebnis wurden dann sämtlichen allegorischen Begleitfiguren und der Lorelei Köpfe wie Arme abgeschlagen.

    100 Jahre danach galt der über und über mit Graffiti verschandelte Torso als hässlichstes Denkmal von New York. Wenig später erkannte man endlich die Peinlichkeit und ließ es restaurieren. Und mit wessen Geld wohl? Na klar, mit dem der deutschen Steuerzahler!

    Die Romantik ist Ausdruck unserer Volksseele: Das streicht Eduard Klaus in seinem Buch «Die Schönheit unserer deutschen Kultur» deutlich heraus. Ein wahrer Prachtband: 225 Seiten, Atlas-Großformat,  mit 112 farbigen, eigens für dieses Buch geschaffenen Künstler-Collagen und patriotischen Texten. Das findet man heute sonst nirgendwo. Hier bestellen.

    21 Kommentare

    1. Ralf.Michael am

      Alte Deutsche Erotische Literatur ! Ich liebe Sie ! ……Die Nacht ist Kühl und Dunkel, und die Tante schläft beim Unkel …….

    2. jeder hasst die Antifa am

      Lorelei Statue wird abgerissen,dafür kommt jetzt eine von Ricarda Lang hin,die Statiker arbeiten noch daran wie man verhindern kann das sie nicht abstürzt.

      • Hinter der Loreleyspitze, und dem kleinen sich anschließenden Hotel, gabs mal ein großes grünes Areal mit nem Freizeitheim.
        Quasi zwischen dem Hotel und der Loreleybühne.
        Angeblich wurden da inzwischen größere Hotels gebaut.
        Müßte mal gucken.
        In diversen Produkten von Goo***.

    3. Im besagten Rheinabschnitt gibts auch viele kurvige Seitentäler.
      Mit entsprechend kurvigen Sträßchen drin.
      Motorradfahrer wissen was ich meine.

    4. Kern der Sache ist doch , daß geschlechtliche Anziehung nie einfach und ungefährlich war.

      • Langeweile ist aber auch irgendwie doof.

        Und das Leben kommt nun mal aus der Verschiedenheit.
        Und maximal bunt ist die Paarung Mann – Frau.

        • Tja, manche erfinden aus Langeweile die wüsteten Verschwörungsgeschichten – und bibbern dann vor ihren eigenen Erfindungen. Es gibt sogar ein auf solche Kundschaft spezialisiertes Magazin.
          Seit ich lesen konnte, kannte ich gar keine Langeweile mehr. Ein Menschenleben ist viel zu kurz, um auch nur 10 % des Lesenswerten zu lesen.

      • @Sokrates:

        Und wieder zum wöchentlichen Bergfest eine bloße Behauptung mit Absolutheitsanspruch. Wird langsam langweilig.

        1. Ob’s "einfach" ist, hängt maßgeblich von den Beteiligten ab.
        2. Ob’s gefährlich ist, hängt davon ab, wie stark und lange man im Gefühlsschwall verhaftet bleibt, wenn die Begegnung nicht von Dauer ist.

    5. Das stark begradigte Rheinstück vor dem wilden Rheintal sorgte früher immer für Probleme.
      Die mußten immer wieder baggern und es gab Überschwemmungen.

      Viktor Schauberger bot an das Problem dauerhaft zu lösen.
      Quasi von innen heraus (Steuerung der Strömungen durch große Steine im Flußbett).
      Wurde aber leider nicht angenommen.

      • @rap:

        Mittlerweile greift man bei dsbzgl. Aufgabenstellungen auf Heern Schaubergers Erkenntnisse zurück. Dazu hab ich sogar im ÖR (SWR oder so) ne kleine Reportage gesehen.
        Allerdings ging’s da um einen kleinen, nicht von der Berufsschiffahrt genutzten Fluß.

    6. Der Rheinsteig ist sehr schön.
      Dort sind meine Eltern früher gerne gewandert.

      Ich selber war mal ein "Schängel" gewesen.
      Zumindest meine ersten 3 Monate.

    7. Die beidseitigen Eisenbahnlinien sind eine Katastrophe.
      Die fahren den Bewohnern quasi durch die Wohnung.

      Was ist eigentlich aus der Umgehung durch den Hunsrück geworden?
      Zu konstruktiv?

      Inzwischen zerstören tausende von Windrädern die Landschaft.
      Da macht eine Eisenbahnlinie mehr auch nichts mehr aus.

    8. Es ist schoen dort oben bei der Lorelei und bei Niedrigwasser sieht man die scharfen Felsen, welche so manchem Floss zum Verhaegnis wurden. Bei uns war die Lorelei immer blond und blauaeugig. Nordisch-Germanisch.

      • "… blond und blauaeugig. Nordisch-Germanisch. …"

        Da gibt es schon noch ein paar Rassenmerkmale die Kopf/Körperform betreffend mehr, denn auch osteuropide (slawische) Frauen können blond und blauäugig sein. Wir sollten beim philosophischen Beschreiben der Dinge/Wesen/Kräfte nach Art und Beschaffenheit nicht in die Fehlannahme verfallen die Merkmale der Menschenrassen nur auf Farbgebung zu reduzieren (Haut- Augen- und Haarfarbe bzw. die Form des Haars (siehe Europide/Negride).

      • rechtsklick am

        Rothaarig ist auch nordisch-germanisch. Kein Wunder, daß das Christentum rothaarige Frauen außergewöhnlich oft der Hexerei beschuldigte.

        • Das rote Haar kommt durch die Abwesenheit von Melanin.
          Welches ja der interne UV-Schutz in Haut und Haaren ist und natürlicherweise breitengradabhängig ist.
          https://de.m.wikipedia.org/wiki/Melanine#Melanin_beim_Menschen

          Und daß Kirchen größere Probleme mit der Sexualität haben ist bekannt.
          :(

        • "Rothaarig ist auch nordisch-germanisch. …"

          Das stimmt. Rothaarig und oft auch grünäugig. Man könnte jetzt abschweifen ins Thema Langschädel (daß es die als natürlich gewachsene Schädelform gab ist bekannt und auch den Cargo-Kult darum der es als Schönheitsideal verehrte, indem dessen Träger die Form bei ihren Kindern durch unnatürliche Schädelanpassungen (mit Brettern abbinden) nachahmten (ohne allerdings die 25% mehr Hirnvolumen zu bekommen), aber das würde zu weit führen (nämlich nach Ägypten/Kemet).

        • @D
          Vielleicht noch interessant dazu:
          https://imageproxyb.ifunny.co/crop:x-20,resize:640x,quality:90×75/images/3ba4660aea432befc8955371af158d7336a2ca33b35e1f18ce8b9b895a19a5ff_1.jpg

          Oder der Trailer von "Above majestic", gegen Ende zu:
          https://m.youtube.com/watch?v=q4TjJPx-QtM

        • @r
          Kennen Sie die Aussagen des arabischen Kalifen Al-Ma’mun als er die fälschlich so bezeichnete "Cheops" Pyramide öffnete und den beschrieb worauf er im Innern stieß?