Der Name Jörg Müller klingt so anständig und unverdächtig wie sein Träger beim Brandenburger Verfassungsschutz aussieht. Doch seiner Ernennung zum VS-Chef ging ein schmutziger Kampf hinter den Kulissen voraus. Und auch zu gewaltbereiten Antifa-Gruppen hat der Behördenleiter ein dubioses Verhältnis.
Der Katze fliegt ein Augapfel heraus, als ihr die Maus mit einem Hammer auf den Schädel schlägt. Unter der grausamen Szenerie prangt das Antifa-Logo mit rot-schwarzen Boxhandschuhen und dem Spruch: „Let’s Fight white pride“ („Lasst uns weißen Stolz bekämpfen“). So sieht die Werbegrafik für das diesjährige Antifa-Kampfsport-Training im sogenannten Jugendkulturzentrum „Freiland“ in Potsdam aus. Vergangenes Jahr hat Jörg Müllers Vorgänger, der damalige VS-Chef Frank Nürnberger, vor dem alljährlich stattfindenden Event gewarnt. Es sei ein Beispiel dafür, wie sich die linksautonome Szene intern auf „körperliche Auseinandersetzungen“ vorbereitet. In einem Schreiben heißt es: „Solche Veranstaltungen verdeutlichen die Gefahr, dass innerhalb der vorhandenen Rückzugsräume Aktionen gegen den politischen Gegner und die Polizei geübt und geplant werden. Somit sinkt Stück für Stück die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung.“
Zu dem Zeitpunkt, da der Verfassungsschutz unter Nürnberger die linksextreme Kampfsport-Aktion kritisierte, war Jörg Müller noch Leiter des Ministerbüros im brandenburgischen Innenministerium, das – konträr zum VS – nichts Verwerfliches an besagter Veranstaltung finden konnte. Als die AfD-Fraktion im Potsdamer Parlament monierte, dass das „Freiland“ der Antifa vom Staat mit sage und schreibe 190.000 Euro jährlich gefördert wird, stellte sich Innenminister Michael Stübgen von der CDU ans Rednerpult und sagte „klipp und klar“, dass das Freiland „kein linksextremistisches Szeneobjekt“ sei. Es gebe lediglich „vereinzelt Tendenzen“ von Extremisten, „Veranstaltungen zu unterwandern oder zu kapern“. Ergebnis der Parlamentssitzung: Das vom Steuerzahler finanzierte Fördergeld aus dem Innenministerium soll weiterfließen.
„Mit sofortiger Wirkung“
Von einem „Paukenschlag in Brandenburg“ (Tagesspiegel) ist die Rede, als VS-Chef Frank Nürnberger am 19. Dezember 2019 „mit sofortiger Wirkung“ vom Dienst entbunden und in den Ruhestand versetzt wird. Zwischen ihm und Innenminister Stübgen sei „nicht ausreichend Vertrauen“ vorhanden gewesen.
Info: In Brandenburg gibt es kein Landesamt für Verfassungsschutz, sondern nur eine Abteilung Verfassungsschutz im Innenministerium, die natürlich dem amtierenden Minister, in diesem Fall einem CDU-Mann, untersteht. Es ist eine innenpolitische Kernforderung der Brandenburger AfD, diese parteipolitische Abhängigkeit zu beseitigen und dem Verfassungsschutz ein eigenständiges Amt einzurichten.
Nach Angaben des Tagesspiegel ging im politischen Potsdam schon seit einigen Wochen das Gerücht um, Nürnberger sei beim Innenminister in Ungnade gefallen und könnte entlassen werden. Aus welchen Gründen genau, darüber kann nur gemutmaßt werden. Der innenpolitische Sprecher der Potsdamer Linksfraktion, Andreas Büttner, vermutet zu wenig Engagement im Kampf gegen Rechts. Schon nach Amtsantritt sei deutlich geworden, dass Stübgen das Problem des Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst stärker in den Blick nehmen wolle, sagte Büttner der etablierten Presse. Und ergänzt: „Ich bin mir nicht sicher, ob das unter Herrn Nürnberger beim Verfassungsschutz immer der Fall war.“
Pfarrer Stübgen auf Mission
Tatsächlich scheint sich Innenminister Stübgen keiner Sache so sehr verpflichtet zu fühlen wie dem Kampf gegen vermeintlichen Rechtsextremismus. Der evangelische Pfarrer saß lange Zeit im Bundestag, war Parlamentarischer Staatssekretär in Merkels viertem Kabinett, ehe er als Minister der Kenia-Koalition (Rot-Schwarz-Grün) von SPD-Mann Dietmar Woidke Einzug in die brandenburgische Landesregierung hielt. Gleich nach Amtsantritt kündigte er eine härtere Gangart gegen Rechtsextremisten an. Er werde 2020 für das Land ein eigenes Programm zur stärkeren Abwehr rechtsextremistischer Bedrohungen vorlegen, so Stübgen. Als sich bei den Protesten der gewaltbereiten Anti-Kohlekraft-Bewegung „Ende Gelände“ neun Bereitschaftspolizisten vor einer Mauer fotografieren ließen, auf die der Spruch «Stoppt Ende Gelände!» geschrieben war, ließ der Innenminister sie nicht nur vom Einsatz, sondern gleich aus ihrer angestammten Stadt Cottbus abziehen und auf andere Einheiten im Land verteilen.
Der Neue: „Vollstes Vertrauen“
Am 10. Februar 2020 präsentierte Stübgen dann seinen Ersatz für den geschassten Frank Nürnberger: Jörg Müller. Der genieße sein „vollstes Vertrauen“. Müllers Karriere ist von Linientreue geprägt. Nach einem Studium zum Diplom-Verwaltungswirt arbeitete er im Polizeipräsidium, ehe er 2001 in das Potsdamer Innenressort wechselte und nun schon seit fast zwei Jahrzehnten für die Regierung arbeitet. Schon in seiner ersten Pressekonferenz als VS-Chef machte er klar, wohin die Reise gehen soll: „Extremismus bekämpfen“, vor allem den von rechts. Nur vier Monate nach Amtsantritt ließ er den Worten Taten folgen: Am Montag erklärte er den Landesverband der Brandenburger AfD, die bei der Landtagswahl von über einem Fünftel aller Brandenburger gewählt worden war und hier mit den meisten Mitgliedern pro 100.000 Einwohner besonders großen Rückhalt in der Bevölkerung hat, zum rechtsextremistischen Verdachtsfall.
Auf dem Potsdamer Freiland können Antifas hingegen auch in diesem Jahr wieder mit staatlicher Förderung ihr Kampfsport-Event abhalten. Frank Nürnberger sah darin eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Doch wo ist Frank Nürnberger jetzt?
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