Es geht um einen vergessenen, ja verdrängten Gedenktag. Es geht um den niedergeschlagenen Volksaufstand des 17. Juni 1953. Wer mit dem eigenen Leben für das Recht eintritt und letztlich der Gewalt weichen muss, hat den Kampf nicht verloren. Er hat etwas Unverlierbares getan.

    _von Bettina Airaksinen

    Der Linken liebste Revolution ist die französische. Deren in der Praxis gewaltträchtige, zersetzende Ideen im Gewande wunderbarer Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit haben es, wer hätte es je für möglich gehalten, bis in das Bundesverfassungsgericht geschafft. In dem Land, in dem wir seit 2015 ganz besonders „gut und gerne leben“, wohnt neuerdings die Gemeinschaft der Freien und Gleichen statt des deutschen Volkes. Was diese letztlich pubertäre Idee für uns bedeuten kann, soll unter dem Titel „Verfassungs – Gaga“ demnächst getrennt beleuchtet werden.

    Die Revolution von 1848 ist eine, die – interessanterweise von Entscheidern, die in WGs und Bürgerinitiativen sozialisiert sind und mit Mao-Bibel unter dem Kopfkissen und Palestinensertuch um den Hals von nichts anderem träumen als von Infiltration, Transformation und Revolte – beinahe nur noch abwertend konnotiert wird. Sofern sie überhaupt noch Erwähnung findet.

    Sie sei „nicht gelungen“, heißt es im zum zeithistorischen Laberfach degenerierten Geschichtsunterricht, der an der Uni in so genannte „Kulturwissenschaften“ mündet, die jeder treiben kann, der keine alten Sprachen beherrscht und das „Handwerkszeug des Historikers“ (Buchtitel Ahasver von Brandts) schon gar nicht. Hierzu gehört als Kernkompetenz das Auffinden, Sichten, Einordnen und nicht nur kritische, sondern auch verständige Bewerten vergangener Faktenlagen. Das alles ist inmitten der „bundesdeutschen Bildungskatastrophe“ (Björn Höcke) nicht mehr darstellbar. Für die drei Studies, die das vielleicht noch wollen und vermissen, lohnt sich keine Fakultät (pardon: kein Fachbereich). Young European Leader wird man auch ohne das alles. Hirn ist verzichtbar, Hauptsache präformierte Haltung.

    Als „gescheitert“ wird sie bezeichnet, da sie vom staatsbürgerlich – patriotischen Bürgertum ausging, das keinen pubertären Idealen nachhing, sondern hart zur Sache ging. Die „Besten eines Volkes“ (Prof. Dr. jur. Karl – Albrecht Schachtschneider) waren durchaus bereit, in den Knast zu wandern oder sich erschießen zu lassen für die Anerkennung ihrer apriorischen und daher unveräußerlich bestehenden Rechte.
    Wir Deutsche hätten allen Grund uns mit Stolz und ohne unsere zeitbedingt verengte Brille, auch dieser Revolution öfter in einer Feierstunde würdig zu erinnern.

    Der Geist von Hambach 1832 und Frankfurt 1848 benötigt nachträglich keine linksgrüne Bahnsteigkante. Vollends vergessen werden soll nun, als Ausfluss einer Erinnerungspolitik, die sich selbst nicht traut und deshalb an Widersprüchen und Verklemmtheit zu ersticken droht, der Volksaufstand in der „DDR“ vom 17. Juni 1953.

    Dem stalinistisch – kommunistischen Machtbereich einverleibt, seiner alle Lebensbereiche durchdringender Doktrin, Lenkung und Kontrolle im Wortsinne wahllos unterworfen, zeigte sich, dass im deutschen Volke der Kampfesmut auch nach hunderttausendfachem Tod, Verletzung, Bombenterror, Vertreibung, Vergewaltigung, Gefangenenlager, Hunger, Wohnungsnot und Brennstoffmangel keineswegs erloschen war. Noch weniger erloschen war, das zeigte sich gerade am 17. Juni 1953 exemplarisch und wird Umerziehungsapologeten nicht schmecken, das klare, an den Zehn Geboten geschärfte Empfinden für Recht und Unrecht, Freiheit und Unfreiheit.

    Im vollem Bewusstsein der Brutalität stalinistischer „Säuberungen“, die geballte Sowjetmacht im Nacken, strömten an den Tagen kurz vor dem 17. Juni die Massen aus den Werkhallen und Büros auf die Straßen, um „Freie Wahlen“ zu fordern. Über 4 Millionen Menschen sollen sich beteiligt haben. Freie Wahlen, das hieß im Klartext nichts anderes als „die herrschende Kaste soll weg“, der sie lenkende „Bruderstaat“, der größte aller denkbaren Ausbeuter, soll abziehen. Wir wollen selbst bestimmen, wer wie über uns entscheidet, im Wirtschafts – und im Privatleben.

    West-Berliner Briefmarke, 1953. Foto:

    Der Subtext war Klartext genug, um alle Hebel der gerade erst mit der Herrschaft beliehenen SED auf Alarmstufe „rot“ zu stellen. Was hatten die protestierenden Menschen außer ihren Stimmen, ihrer physischen Anwesenheit? Nichts. Einige wenige hatten Steine und Streichhölzer. Mit einem improvisierten Rammbock wurde das Tor des Stasi – Untersuchungsgefängnisses Hohenschönhausen aufgebrochen und Gefangene befreit. Wilden Vandalismus gegen Unbeteiligte gab es nicht, es ging nur gegen die Unterdrücker des zwangssozialistischen Systems. Gegen die schließlich anrollenden Panzer der und Gewehre der Sowjetarmee hatte man nichts als den eigenen Körper, Schreie und Pflastersteine.

    Des Bauernkriegs wird noch hie und da gedacht, der Volkserhebung des 17. Juni kaum. Malergenie Professor Werner Tübke hat ihr keine monumentalen Gemälde gewidmet, obwohl sie in ihrer riesigen Dimension und Einmütigkeit ein gewaltiges Fanal für die Freiheit in der deutschen Geschichte ist, auch wenn es nicht in einen echten Freiheitskrieg gegen eine gewaltige Übermacht mündete wie in napoleonischer Zeit.

    Es ging um nichts weniger als „Freiheit statt Sozialismus“. Kennen wir das Schlagwort von den alten CDU – Plakaten noch? Demokratischen Sozialismus gibt es nicht. Das ist Orwellsprech, eine schönfärberische Lüge. Sein Endziel ist notwendig der Kommunismus und dieser ist notwendig Zwangsherrschaft pur.

    Eine voreilig für erledigt gehaltene Frage steht mit aller Macht erneut im Raum. Konzepte für eine „Konservative Revolution“ füllen wieder Bücher. Es wird getagt, es kreisen die Papiere. Der grüne Schwiegermutterliebling Robert Habeck schwärmt im Interview davon, dass in China doch alles leichter ginge, was man im zähen Parlamentarismus nicht so leicht oder auch mal gar nicht auf die Bahn bekommt. Da hat er Recht. Der Tücken und Verwerfungen sind viele.

    Damit das deutsche Volk, das es zu seiner mit Etlichen geteilten Erleichterung nicht gibt, in Wahlen und Abstimmungen das Richtige wählt, muss man es (um-)schulen und framen und nudgen und betören mit herrlichen Ideen für eine Zukunft, in der ein selbst gebastelter Friede ohne Gott, den Schöpfer und Erhalter aller Dinge, alle Menschen im überwachten Ameisenzustand glücklich macht. Pendel und Regenbogenfahne werden den Ameisen vermutlich belassen.

    Die Aufständischen des 17. Juli 1953 ahnten von diesen psychopathologischen Auswüchsen der Jetztzeit noch nichts. Sie wären nicht auf die Idee verfallen, sich als gendersensible, diffus schmachbeladene Wesen zu begreifen, denen letztlich nur noch eine Wahl belassen werden wird, nämlich die des eigenen Geschlechts.

    Im Jahr zuvor war den Ostdeutschen der systematische Aufbau des Sozialismus von Stalin befohlen worden. Die SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) krempelte unverzüglich die Ärmel hoch und ging ans Werk. Nach nur einem Jahr Praxis hatte die Menschen vom rücksichtslos durchorganisierten neuen Glück im Arbeiter – und Bauernstaat die Nase bereits gestrichen voll. Mehr als 300 000 mit dem Sozialismus Zwangsbeglücke lassen die nach dem Kriege geringe Habe zurück und fliehen in Richtung Westen. In verbliebenen Rest, vor allem in der arbeitsfähigen Jugend und mittleren Generation, gärt es. Über 30.000 Menschen werden wegen politischer Vergehen verhaftet und den schon Einsitzenden hinzugefügt: insgesamt sitzen in politischer Haft 67.000 Bürger. Das war beileibe kein sozialdemokratisierter Strafvollzug!

    Man wünscht sich, linksverklärte Otto – Suhr – Studenten, Anhänger des SDS, der KPDML oder auch der ASJ (sozialdemokratische Juristen) wären 1952 / 53 persönlich mittendrin gewesen, zum Beispiel als Landwirt oder Hausbesitzer oder Kleingewerbetreibender oder bekennender Christ. So manches Theorie – Seminar und Sit-in wäre mangels Interesse ausgefallen und man hätte etwas Produktives lernen können in der gewonnen Zeit.

    Zwischen 1952 und 1953 wird die „Nationale Volksarmee, NVA“ massiv aufgestockt, d.h. es werden die noch lebenden Männer und Söhne einbestellt und gemustert, die endlich wieder für das Wohl ihrer Familien arbeiten konnten und entsprechend vermisst wurden. Die Frauen und älteren Männer hatten bei schlechter Ernährungslage und zum Teil katastrophalen Wohnverhältnissen nicht selten die doppelte Arbeitsnorm zu erfüllen und schufteten bis zum Umfallen. Die Erhöhung der Norm bedeutet nichts anderes als eine krasse Lohneinbuße. Der Mittelstand wurde „sozialisiert“, wobei die schauerlichen Einzelheiten hier nicht ausgebreitet werden können, die Landwirtschaft enteignet und „kollektiviert“.

    Welches Elend sich hinter diesem einen mageren Satz verbirgt, können Landwirte, die echte Bauern sind, gewiss spontan ergreifen und ermessen, ein Erstsemerster einer Bologna – „Geschwätzwissenschaft“ (Akif Pirinci) vermutlich eher weniger. In Kern geht und ging es nicht um eine neue Form der Arbeitsorganisation zum Wohle aller, sondern, sorgfältig verdeckt, um das Kollektiv als Kontrolle.

    Parallel verletzt der konzertierte Angriff der Partei auf die damals überwiegend bibeltreue Kirchen das oft noch rege Innerste der Menschen und nimmt ihnen auch die Geborgenheit der geistlichen Heimat in Ritus, Verkündigung, Kirchenlied und Anbetung.

    Der Massenmörder Stalin stirbt am 5. März 1953. Der Volksaufstand des 17. Juni beginnt an den Baustellen der nach ihm benannten Allee nach einer Zeit gespannter Ruhe. Sie entgeht der Führung nicht, da die Stasi überall ihre Augen und Ohren hat. Mit Rückendeckung der neuen Sowjetführung kündigt man an, die Normerhöhungen in Richtung „neue sozialistische Normalität“ zu lockern. Damit soll es sein Bewenden haben.

    Die Stalinallee im Mai 1953. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-19487-0003 / Weiss / CC-BY-SA 3.0 / CC BY-SA 3.0 DE (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)

    Schockiert muss das ZK feststellen, dass es dem Volk um mehr geht als Materielles und die Wiederherstellung einigermaßen erträglicher Verhältnisse. Es geht um Freiheit oder Knechtschaft! Zu Tausenden strömen die Menschen unter der Parole „Freie Wahlen!“ auf die Straße. In Ostberlin, Magdeburg, Halle, Leipzig finden die mächtigsten der über 500 zeitgleichen Demonstrationen statt – das alles ohne Smartphone, ja, sogar ohne Fernsprecher und Fax. Wenn ein aufrechtes Gefühl sich bildet und ein Gedanke sich formt, dessen Zeit gekommen ist, dann springt er über, auch ohne solche Mittel, aus Trümmern und Leid.

    Die Masse schwillt vor den Gebäuden des Systems unaufhörlich an, Wachhäuschen der Polizei werden abgefackelt, Gefängnistore durchstoßen, der Generalstreik ausgerufen. Die in den Ministerien eingeschlossene Nomenklatura fürchtete um ihr Leben. Es werden nicht nur freie Wahlen gefordert, sondern laut und deutlich die Absetzung der Regierung und die Wiedervereinigung zu Gesamtdeutschland.

    Das war zu viel, denn das hätte den Sieg des dem Volke „geschenkten“ Sozialismus beendet, den die breite Masse niemals freiwillig gewollt hätte. Aus der Sicht etlicher Linksapologeten lag das natürlich an der immanenten Nazigesinnung, die durch den herrlichen Sozialismus und die Freiheit, die er meint, gleich mit aberzogen werden sollte. In der Folge wurde jede eigene Meinung unterdrückt, wie immer sie zuvor auch ausgesehen haben mag. Die Gedanken blieben frei, nur durfte man sie nicht mehr äußern.

    Im Westen ging im Augenblick der akuten Gefahr so gut wie niemand für die Brüder unter Stalins Knute solidarisch auf die Straße, schon gar nicht mit ihnen gemeinsam. Sie standen den Panzern der Sowjetarmee allein gegenüber. Die befreiten Gefangenen wurden wieder eingefangen, eingeknastet, gequält. Es gab Tote und Verletzte.

    Die Begräbnisstätte der Toten wird gepflegt, das einzige von den nicht getöteten Opfern selbst errichtete Mahnmal verunkrautet. Der kleine Verein aus „Erlebenden“, der es pflegt, findet an deutschen Schulen keine helfenden Hände. Warum auch, vielleicht ist ja der Opa, der da anfragt, eine alte Umweltsau? Man ist divers und tolerant und bunt und extremst sensibel, nur nicht den Eigenen gegenüber, die mit ihren Leben und ihrem Schweiß eingestanden sind für das, was heute mit gutem Gefühl und beinah vollendeter Verblendung dahin gegeben wird.
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    Abgeschafft ist der „Tag der deutschen Einheit“ als allgemeiner Feiertag ersetzt durch den 3. Oktober. Seither, ein echter Treppenwitz der Weltgeschichte, wird „Deutschen“ wieder groß geschrieben. Wie lange noch, so fragt man sich.

    Vorbei sind die Feierstunden zum 17. Juni mit Streichquartett und Sonntagsanzug in der Stadthalle, vorbei die weihevollen Stunden mit Kinderchor und Schützenappell, vorbei das Pakete Packen in jeder Klasse und die Kerzen im Fenster, vorbei das Singen und Beten für die Unterdrückten. Vorbei das herzliche Mitleid mit den Vertriebenen, vorbei das intensive Denken an die Toten. Vorbei die Reden des Oberbürgermeisters, die etwas taugen konnten, obwohl er SPD war, vorbei der Kampf für eine Wiedervereinigung, die keineswegs als Okkupation des Ostens mit Buschkohle und Westbeamte gedacht war und allen ihre Würde als deutsche Menschen gelassen hätte.

    Nun wachsen Gras und Dornen darüber über den 17. Juni 1953.

    Nur selektiv darf in Deutschland gedacht werden, noch selektiver getrauert und immer sich selbst bezichtigend. Es wird Zeit, dass das wieder anders wird. Freiheit statt Sozialismus ist aktueller denn je. Setzen wir den 17. Juni wieder auf einen Ehrenplatz der deutschen Geschichte. Machen wir ihn wieder zu einem nationalen Feiertag, wie es sich gehört. Und zeigen wir den Jungen, was Mut und Anstand inmitten von Germoney – Gaga bedeuten. Vielleicht begreifen sie es ja doch noch. Es wäre ihnen und uns allen nur zu wünschen!

    Ostfriesland, den 16. 06. 2020

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