Die linke Szene fordert ihre Freilassung, fackelt Autos und Häuser ab, weil Lina Engel in Haft sitzt. Doch während die Antifa #FreeLina twittert, wird die Liste der Vorwürfe immer länger. In COMPACT-Spezial Antifa – Die linke Macht im Untergrund finden Sie unsere bisherigen Recherchen Zu dem Fall. Jetzt bestellen, solange das Heft noch legal zu haben ist – denn Linksextremisten wollen es aus dem Verkehr ziehen lassen.

    #FreeLina – Freiheit für Lina: Dieser Slogan trendet derzeit in den sozialen Netzwerken, prangt als Graffiti auf Häuserwänden und als Aufdruck auf linkem Szene-Merch. Auch manche Journalisten scheint die Kampagne gepackt zu haben – wie Christian Fuchs, der sie in der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit als harmlose „Studentin im Visier“ porträtierte und eine Freundin der Beschuldigten zu Wort kommen ließ.
    „Sie ist eher der Typ Antifaschistin by heart“, wird diese zitiert.* Die Kasseler HNA wiederum schrieb von Engel gar als „vermeintliche Linksextremistin“, ließ die für ihre guten Kontakte in die  Szene bekannte Linken-Politikerin Juliane Nagel zu Wort kommen.

    Wer solche Artikel liest, könnte meinen, das arme Mädchen sei Opfer eines Justizskandals geworden. Dabei ist die aus Kassel stammende Lina eben kein Engel. Sie ist die erste Linksextremistin seit 20 Jahren, gegen die der Generalbundesanwalt ermittelt. Man hat sie im Polizeihubschrauber nach Karlsruhe gebracht, sie sitzt im gleichen Frauenknast wie Beate Zschäpe. Derzeit sieht es auch nicht so aus, als ob sie auf freien Fuß kommt: Im Gegenteil wird die Liste der Gewaltverbrechen, die der 26-Jährigen zur Last gelegt werden, immer länger.

    Kein blonder Engel

    Man wirft Lina Engel vor, Teil einer kriminellen Vereinigung (§ 129 Strafgesetzbuch) zu sein. Gemeinsam mit mindestens neun Genossen aus mehreren Bundesländern soll die Antifa-Frau brutale Überfälle auf Andersdenkende begangen haben, so die Soko LinX, die die Ermittlungen ins Rollen brachte.

    Dabei waren der Gruppe, die immer wieder mit Hämmern auf ihre Opfer losging, Menschenleben offenbar egal, solange es gegen vermeintliche Rechte ging. „Schwere Gesundheitsschädigungen und in Einzelfällen auch der mögliche Tod von Menschen wurden billigend in Kauf genommen“, heißt es im Verfassungsschutzbericht 2019.

    Antifa-Schmiererei in Leipzig-Connewitz: Das Graffiti soll Johann Guntermann, der Freund von Lina Engel, fabriziert haben. Foto: Screenshot Youtube

    Vor solchen Attacken soll die Studentin ihre Opfer ausgespäht und Tatwerkzeuge geklaut haben, sie agierte offenbar auch mit einem gestohlenen Ausweis. Bei den Gewalttaten selbst soll sie das Auto ihrer Mutter als Fluchtwagen genutzt, Kommandos gegeben und Pfefferspray gesprüht haben.

    Deshalb sitzt Lina Engel seit November 2020 in Untersuchungshaft. Anders als es sich manche Unterstützer wohl wünschen würden, gilt eine zeitnahe Freilassung als unwahrscheinlich. Wie die Bild und die Welt kürzlich berichteten, hält der Generalbundesanwalt nicht nur an den Anschuldigungen gegen die junge Frau fest, sondern hat auch einen neuen Haftbefehl mit weiteren Vorwürfen erwirkt.

    Das Antifa-Terrorpärchen

    Während Lina Engel in der JVA Chemnitz hinter Gittern sitzt, ist ihr mitangeklagter Freund schon seit November auf der Flucht. Johann Guntermann – ein mehrfach vorbestrafter Antifa-Gewalttäter, der in Frakturschrift „Hate Cops“ auf die Finger tätowiert hat – soll es auch gewesen sein, der die Abiturientin mit Einser-Abschluss maßgeblich radikalisierte.

    Vieles spricht dafür, dass der gebürtige Hallenser, der bis 2012 in Bayern lebte und schon dort Brandstiftungen begangen haben soll, die eigentliche Triebkraft hinter der sogenannten Gruppe E. ist. 2018 wurde er vom Landgericht Leipzig zu 19 Monaten Haft verurteilt, weil er Steine auf einen Friseurladen und das Amtsgericht geworfen hatte (Sachschaden 35.000 Euro). Der Grund: Angeblich war der Asylbewerber Khaled Idris Bahray in Dresden von Rassisten ermordet worden. Später stellte sich heraus, dass der Täter in Wahrheit der Mitbewohner des Eritreers und auf Demos gegen rechts mitgelaufen war.

    Auf der Flucht: Gefährder Johann Guntermann, hier auf einem Foto von 2011 – damals soll er in München DHL-Fahrzeuge abgefackelt haben. Foto: Polizei

    Das Urteil begründete der Richter damals mit den Worten:

    „Sie leben in den Tag hinein, haben eine Latte von Vorstrafen. Von so einem wie ihnen darf der Rechtsstaat einen derart massiven Angriff nicht einfach hinnehmen.“

    Doch für Guntermanns kriminelle Karriere endete nicht mit der Haft. Kaum entlassen, beging er offenbar neue Taten. Erst kürzlich wurde der 27-Jährige als Gefährder eingestuft – also als Person, der die Polizei jederzeit einen Anschlag zutraut. Die Maßnahme ist eine absolute Seltenheit: Bundesweit fallen nur sieben Linksextremisten in diese Kategorie, darunter auch ehemalige RAF-Terroristen.

    Die Blutspur der Hammerbande

    Über die bisherigen Ermittlungen und mögliche weitere Fälle haben wir bereits ausführlich in COMPACT-Spezial Antifa – Die linke Macht im Untergrund berichtet. Doch nun sind auch offiziell neue Vorwürfe zur Anklage hinzugekommen, hinter denen COMPACT bereits die Gruppe E. vermutete:

    ▪️ 2018 wurde ein Mitglied der NPD-Jugendorganisation JN in Wurzen (Sachsen) auf dem Weg zum Fußballtraining überfallen. Der zu Boden Geworfene wurde mit Eisenstangen schwer verletzt. Das damals 23-jährige Opfer erlitt 14 Platzwunden, mehrere gebrochene Wirbel, Frakturen in der Kniescheibe sowie zahlreiche Blutergüsse. Die Polizei vermutet Lina Engel und vier ihrer Komplizen hinter dem brutalen Angriff.

    ▪️ 2019 soll die Hammerbande nur wenige Gehminuten von Lina Engels von ihrer Mutter bezahlten Altbauwohnung im Leipziger Szene-Kiez Connewitz einen Kanalarbeiter ins Krankenhaus geprügelt haben. Dabei habe die junge Frau Passanten mit Pfefferspray davon abgehalten einzugreifen. Sinngemäß habe sie gesagt, das Opfer sei ein Nazi und habe es verdient. Der banale Grund für die Gewaltorgie: Der Mann soll eine Mütze der als rechts geltenden Marke Greifvogel Wear getragen haben. Er erlitt mehrere Brüche, Jochbein und Mittelgesicht mussten von den Ärzten mit Metallplatten operativ fixiert werden.

    ▪️ 2020 lauerten etwa 20 bewaffnete Antifas am Bahnhof Wurzen fünf Personen auf, die sich auf dem Rückweg von einem Gedenkmarsch für die Opfer der Bombardierung Dresdens vor 75 Jahren befanden. Unter den verletzten Demonstranten war auch ein 15-Jähriger. Auf der Flucht wurde ein Teil der Linksextremisten von einem Blitzer erfasst, es kam zu Hausdurchsuchungen. Doch nicht nur das – den Ermittlern zufolge sollen Videoaufnahmen eines Zuges und abgehörte Gespräche von Tatverdächtigen Lina Engels Beteiligung an dem schweren Landfriedensbruch beweisen.

    Blutspuren nach Antifa-Attacke in Wurzen 2020. Foto: COMPACT

    „Ihre Strafakte ist länger als ihr Minirock“, kommentierte die Bild-Zeitung diese Entwicklungen. COMPACT recherchiert unterdessen selbst im Fall der Gruppe E.

    Unsere Investigativ-Reporter haben mit zahlreichen mutmaßlichen Opfern der Hammerbande gesprochen, Tatorte besichtigt und tausende Seiten Fallakten gesichtet. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Ermittler noch lange nicht alle Taten des mutmaßlichen Terror-Pärchens in der Anklage berücksichtigt haben.

    Im zweiten Teil dieses Artikels wird es morgen um die Fälle gehen, die COMPACT exklusiv ermittelt hat. Anders als alle anderen Medien trauen wir uns, die Täter und ihre einflussreichen Unterstützer beim Namen zu nennen. Die linke Szene klagt daher gegen COMPACT und will unsere Sonderausgabe Antifa – Die linke Macht im Untergrund verbieten. Jetzt noch ein Exemplar sichern, bevor der Staatsanwalt klopft.

    * Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieses Artikel hieß es, der Journalist Christian Fuchs habe in einem Zeit-Artikel Juliane Nagel zitiert. Das ist nicht korrekt. Wir bitten um Entschuldigung.

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