Die Parteien sind zur Beutegemeinschaft verkommen: Sie haben den Staat okkupiert und plündern die Untertanen aus. Nur ein Befreiungsschlag der Bürger kann den Moloch stoppen. In unserer Oktober-Ausgabe mit dem Titelthema «Die Horror-Wahl: Deutschland schafft sich ab» zeigen wir Wege aus der Demokratie-Krise auf. Hier mehr erfahren.

    Die Grünen erhoben einst den Anspruch, das politische System der Bundesrepublik umzukrempeln und die Verkrustungen, die im Laufe der Jahre entstanden waren, aufzubrechen. Dabei wollten sie selbst mit gutem Beispiel vorangehen: Basisdemokratie hieß das Zauberwort.

    Die Ökopartei wollte anders sein als die anderen, keinen abgehobenen Funktionärsapparat heranzüchten, neue Wege beschreiten. Ähnliche Ansätze fanden sich bei der Linken, die damit zugleich den Geruch einer früheren Diktaturpartei loswerden wollte. Diesmal machen wir es besser, so das Signal.

    Anhänger der Grünen schießt Foto von Baerbock. Von ihren einstigen Idealen ist die Partei heute weiter denn je entfernt. Foto: torstengrieger I Shutterstock.com

    Um dem Apparatschik-Unwesen entgegenzuwirken, führte man hier wie dort eine Höchstquote von Mandatsträgern in Vorständen ein. Diejenigen, die für die Partei in die Parlamente gewählt wurden, sollten nicht die Führungsebene dominieren – und den Kurs möglicherweise ihren Bedürfnissen anpassen können.

    Allerdings erwies sich das als unwirksam. Warum? Weil diejenigen, die die Vorstände wählen, selber zu einem Großteil aus dem parlamentarischen Beritt kommen. Schätzungen zufolge sind 30 bis 40 Prozent der Delegierten auf den Parteitagen der Linken Mandatierte oder direkt von diesen abhängige Personen, also Mitarbeiter der Fraktionen und Abgeordneten.

    «Mit zunehmender Organisation ist die Demokratie im Schwinden begriffen.» Robert Michels

    Man hätte also schon vorher ansetzen müssen: Statt einer Mandatsträgerquote in den Vorständen keine Funktionäre als Delegierte. Die Alternative wären Mitglieder- statt Delegiertenparteitage, nur stößt man hier sehr schnell an die Grenzen der Praktikabilität. Basisdemokratischer Idealismus sprengt irgendwann alle Platz- und Organisationskapazitäten. Jedes Konzert der Rolling Stones wäre leichter durchzuführen.

    Ehernes Gesetz der Oligarchie

    Gibt es also keinen Ausweg aus dem Dilemma? Ist jede Partei, auch wenn sie noch so hehre Grundsätzen hat, dazu verdammt, in die Hände einer Funktionärsclique zu fallen? Folgt man dem Soziologen Robert Michels (1876–1936), ist dies geradezu unvermeidlich, ja, es gebe sogar ein «ehernes Gesetz der Oligarchie»: Größere Menschengruppen bilden aus Effizienzgründen immer eine bürokratische Organisation. Diese wird irgendwann von einer Machtelite kontrolliert. Die daraus folgende Oligarchisierung führt schließlich zur Korrumpierung der oberen Kaste. Idealismus weicht Opportunismus.

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    Michels wusste, wovon er sprach: Der gebürtige Kölner trat 1903 in Marburg der SPD bei, kandidierte erfolglos für ein Reichstagsmandat und war Delegierter auf mehreren Parteitagen. Seine Erfahrungen im Räderwerk der Sozialdemokratie schrieb er in seinem Buch Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie  (1911) nieder.

    Die Analysen sind Essenz jahrelanger Forschungen und beanspruchen Allgemeingültigkeit. «Dass Michels diesen Mechanismus an sozialistischen Organisationen vorführte, begründete er damit, dass er bei ihnen besonders aussagekräftig sei. Da sie eigentlich demokratische und sozialistische, also anti-oligarchische Ziele verfolgten, setzten sich die oligarchischen Tendenzen bei ihnen gegen eine gegenläufige Intention durch», so der Soziologe Erhard Stölting. Tatsächlich tritt die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit hier am deutlichsten zutage.

    George Grosz entlarvte in seinen Gemälden die politischen Eliten der Weimarer Republik. Dieses stammt aus dem Jahr 1926. Foto: CC0, Wikimedia Commons

    Das Übel lag für Michels in der Institution Partei an sich. «Mit zunehmender Organisation ist die Demokratie im Schwinden begriffen», analysierte er. «Die Führer, die zunächst nur die Vollziehungsorgane des Willens der Masse sind, werden selbständig, indem sie sich von der Masse emanzipieren.» Dies tun sie, wie Michels konstatierte, vornehmlich aus materiellen Interessen.

    Doch wie kommen sie damit durch, ohne dass dagegen zuerst die Basis und schließlich das Volk rebellieren? Sie schmeicheln den Menschen und setzen auf deren Neigung, sich täuschen zu lassen und sich einer starken Führung zu unterwerfen. «Die Massen besitzen einen tiefen Drang zu persönlicher Verehrung. Sie bedürfen in ihrem primitiven Idealismus weltlicher Götter, denen sie mit desto blinderer Liebe anhängen, je schärfer das raue Leben sie anpackt», stellte Michels treffend fest.

    Wollte der Rheinländer der oligarchischen Verkrustung der Oberen zunächst mit einem gewerkschaftlich basierten Sozialismus von unten (Syndikalismus) entgegenwirken, erkannte er schon bald die Hoffnungslosigkeit dieses Unterfangens und wandte sich schließlich nicht nur von der SPD, sondern auch von der Demokratie selbst ab.

    Michels sympathisierte bald mit dem Faschismus, nahm sogar die italienische Staatsbürgerschaft an und wurde 1928 von Mussolini höchstselbst auf den Lehrstuhl für Nationalökonomie an der Universität Perugia berufen. Damit folgte er den Geistesgrößen, deren Elitentheorien ihn maßgeblich inspirierten: Mit Gaetano Mosca und Vilfredo Pareto saßen zwei einst überzeugte Liberale im faschistischen Senat in Rom.

    Berliner Scheindemokratie

    In jüngerer Zeit ist es vor allem der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim, der sich als Parteienkritiker einen Namen gemacht hat. Der emeritierte Professor der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer hat als Jurist teils bahnbrechende Urteile erwirkt. So geht auch die Aufhebung der Fünf-Prozent-Hürde bei Europawahlen auf eine Klage des inzwischen 80-Jährigen beim Bundesverfassungsgericht zurück.

    Mit Büchern wie Demokratie ohne Volk. Plädoyer gegen Staatsversagen, Machtmissbrauch und Politikverdrossenheit  (1993), Das System. Die Machenschaften der Macht  (2001) oder Diener vieler Herren. Die Doppel- und Dreifachversorgung von Politikern  (2009) hat sich von Arnim bei der herrschenden politischen Klasse nicht gerade beliebt gemacht.

    «Dass es die AfD gibt, entspricht durchaus dem Sinn der Wettbewerbsdemokratie.» Hans Herbert von Arnim

    In seinem Werk Die Deutschlandakte. Was Politiker und Wirtschaftsbosse unserem Land antun  (2008) kommt er zu dem erschreckenden Befund, dass sowohl der Regierung als auch dem Parlament über weite Strecken die demokratische Legitimation fehlen. Letzteres komme seiner Funktion als Kontrollinstanz nur ungenügend nach, das freie Mandat sei «nur noch schöner Schein», die Volkssouveränität «eine Fiktion zur Ruhigstellung» der Bürger, die Wahlen eine Veranstaltung «politischer Kartelle».

    Nach Ansicht des Verfassungsrechtlers hätten sich die großen Parteien den Staat zur Beute gemacht, betrachteten ihn als Selbstbedienungsladen und überlagerten – obwohl sie laut Grundgesetz zwar an der politischen Willensbildung mitwirken sollen, diese jedoch nicht allein bestimmen dürfen – alle Bereiche des öffentlichen Lebens.

    Der gebürtige Darmstädter findet es gut, dass ein neuer Akteur auf den Plan getreten ist, der unabhängig vom Polit-Establishment agiert. «Dass es die AfD gibt, entspricht durchaus dem Sinn der Wettbewerbsdemokratie», so von Arnim in einem Interview mit der Welt . «Die CDU unter Merkel hat rechts eine Lücke aufgemacht. Ich finde es falsch, wenn viele die Funktionsträger und Wähler dieser Partei ausgrenzen und sie wie Feinde behandeln oder gar die Machtmittel des Staates gegen sie in Stellung bringen.»

    Kann die AfD also die Verkrustungen aufbrechen – oder wird sie am Ende selbst dem «ehernen Gesetz der Oligarchie» zum Opfer fallen?

    Mehr Macht dem Bürger

    Man sollte jedenfalls nicht allein auf das Instrument Partei setzen. Der Wirtschaftswissenschaftler Thorsten Polleit sieht den Ausweg aus der Sackgasse sogar nur «in einer rigorosen Machtbeschneidung der Parteien» durch die Einführung von Volksentscheiden und Direktwahlen.

    «Damit solche Änderungen eine Umsetzungschance haben, bedarf es der Rückbesinnung auf die ursprüngliche Idee der Demokratie. Sie steht nicht für Herrschaft der Mehrheit, sondern für den Schutz der Minderheit – und das individuelle Recht auf Selbstbestimmung», mahnt der Chefökonom der Degussa und Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth in einem Essay für die Wirtschaftswoche  (im März 2019) an.

    Hinter verschlossenen Türen: Bundeswirtschaftsminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz auf dem Weg zum Klimakabinett. Foto: picture alliance/dpa

    Polleit schreibt:

    Wollen wir die Demokratie buchstäblich am Leben erhalten, müssen wir daher mittel- und langfristig größer denken – oder besser gesagt: kleiner. Müssen Absetzbewegungen, Sezessionen, Aufspaltungen – kleineren politischen Einheiten den Weg bereiten.

    Solche Entitäten seien «offen und friedfertig», sie müssten ihre «Bürger und Unternehmer pfleglich, das heißt, als Citoyen und Leistungserbringer behandeln», um ihren Rückzug oder gar ihre Abwanderung zu verhindern.

    Polleit, der sicherlich ein Gemeinwesen wie die Schweiz vor Augen hat, kommt zu dem Schluss:

    «Politische Kleinheit verspricht nicht nur höheren Wohlstand, sondern auch ein Plus an Identität und unmittelbarer ”Staatsnähe”. Aber auch räumliche Nähe zwischen Regierten und Regierenden hilft, Missstände im Keim zu ersticken und wirksam zu sanktionieren. Robert Michels‘ ”ehernes Gesetz der Oligarchie” würde auch in kleinen Demokratien wirksam bleiben, gewiss. Aber seine Auswirkungen ließen sich leichter adressieren – und direktpolitisch minimieren.»

    Doch wie sah es Michels selbst? Er schrieb etwas ratlos:

    Die immanenten Nachteile der Demokratie sind nicht zu verkennen. Trotzdem ist als Form die Demokratie das geringere Übel. Das Ideal wäre eine Aristokratie sittlich guter und technisch brauchbarer Menschen. Aber wo ist sie zu finden?

    Eine Frage, die auch Kritiker des Parteienstaates beantworten müssen.


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