Kiautschou mit seiner Hauptstadt Tsingtau galt als Musterkolonie des Reiches. In China würdigt man noch heute die Aufbauleistungen der Deutschen. Die Rolle der Deutschen in der Kolonialgeschichte ist viel besser als ihr Ruf. Das verdeutlichen wir in unserer neuen Geschichtsausgabe „Deutsche Kolonien – Viel besser als ihr Ruf“. Das Heft ist ab Mitte Februar erhältlich, Sie können es aber schon jetzt hier vorbestellen.
Am 14. November 1897 setzten mehrere Kriegsschiffe unter dem Kommando von Konteradmiral Otto von Diederichs eine etwa 700 Mann starke Landungstruppe in der Bucht von Kiautschou an der chinesischen Ostküste ab. Der Chef der Kreuzerdivision war kurz zuvor von Schanghai aufgebrochen – mit der Order, «geeignete Punkte und Ortschaften» zu besetzen und «vollkommene Sühne» zu erzwingen. Der Grund: Zwei deutsche Missionare waren am 1. November von Einheimischen auf bestialische Weise umgebracht worden. Als die Männer nun an Land gingen, stießen sie auf keinerlei Widerstand. Die wenigen chinesischen Soldaten, die sich im Fischerdorf Qingdao aufhielten, ergriffen die Flucht.
«In 3.000 Jahren hat China nicht geschafft, was die Deutschen in 15 Jahren geschafft haben.» Sun Yat-sen
Sofort stellte Berlin Peking ein Ultimatum zur Überlassung der etwa 515 Quadratkilometer großen Region Kiautschou als Pachtgebiet. Dazu schreibt Hans Georg Prager in seinem Buch Tsingtau/Qingdao. Deutsches Erbe in China: «Am Pachtvertrag schieden sich die Geister. Er wurde vom Pekinger Kaiserhof mehrheitlich als eine gravierende Demütigung empfunden, in Europa jedoch schnell zum Meisterstück deutscher Diplomatie verklärt. Tatsächlich wurde der Vertrag in einigen Teilen zugunsten Chinas abgewandelt.»
Letztlich einigte man sich auf einen Kompromiss: Kiautschou inklusive der beiden Halbinseln Hai-si und Tsing-tau wurde für 99 Jahre an das Deutsche Reich abgetreten, blieb formell aber dem Herrscher der Qing-Dynastie unterstellt. Prager: «Konkret überließ der Kaiser von China den Deutschen die Hoheitsrechte über zwei unterschiedlich große Landzungen auf beiden Seiten des Eingangs zur Bucht von Kiautschou und dazu deren Wasserfläche. China erkannte außerdem eine 50 Kilometer breite Neutrale Zone rings um das Pachtgebiet an. (…) Als Kuriosität verdient die Tatsache Erwähnung, dass die Stadt Kiautschou – als seine Namensgeberin – gar nicht in dem Pachtgebiet, sondern in der Neutralen Zone lag.»
Enklave der Freiheit
Die Deutschen waren von Anfang an bemüht, Kiautschou nicht als territoriale Eroberung erscheinen zu lassen. Alle in dem Gebiet lebenden 200.000 Chinesen behielten ihre Staatsbürgerschaft und wurden nicht wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Im Gegenteil: In den 275 Dörfern der Region waren die ansässigen Dorfältesten weiterhin Träger der lokalen Selbstverwaltung, der Mandarin blieb im Amt. Die Bucht am Gelben Meer diente zwar als Stützpunkt für die dann zum Geschwader erweiterte Ostasiatische Kreuzerdivision der Kaiserlichen Marine, aber eben auch als Tor für den Handel und kulturellen Austausch mit Asien.
Unter deutscher Ägide wurde das Gebiet infrastrukturell erschlossen, Straßen und Bahntrassen wurden errichtet, vor allem aber sollte Qingdao förmlich aufblühen: Die ärmliche Fischersiedlung mit ihren Lehmhütten verwandelte sich binnen weniger Jahre in die aufstrebende Metropole Tsingtau. Der Hafen wurde ausgebaut, Schulen eröffnet und 1909 sogar eine deutsch-chinesische Universität eingeweiht.
Der US-Politologe Bruce Gilley schreibt in seinem Buch Verteidigung des deutschen Kolonialismus: «Oskar von Truppel, der deutsche Gouverneur zwischen 1901 und 1911, richtete einen gewählten Ausschuss chinesischer Händler ein, die ihn in der Handelspolitik beraten sollten, eine im restlichen China unbekannte Einrichtung. Zivilrechtliche Streitfragen wurden von einem chinesischen Beamtenrat geschlichtet.» So sei Tsingtau «nach und nach eine liberale, demokratisierende Enklave» geworden.
«Ich habe … ein Stück Europäerdünkel abgelegt.» Tirpitz
Außerdem entstanden Kasernen, ein Lazarett, ein Gericht, eine evangelische Kirche, ein Postamt, ein Elektrizitätswerk, eine Filiale der Deutsch-Asiatischen Bank und 1903 auch die Germania-Brauerei, in der bis heute das international bekannte Tsingtao-Bier (siehe Infobox) hergestellt wird. Prager notiert: «Es ist unfassbar, in welchem Tempo sich an der Stelle des Dorfes nachher die vitale Metropole des Pachtgebietes entwickelte: 1905 war eine ansehnliche Stadt mit 29.000 Einwohnern emporgewachsen; 1914 zählte sie bereits 70.000 Einwohner. Diese Leistung war das Ergebnis klarer, sachbezogener Planung, zielstrebiger Zukunftsorientierung und bürokratieferner Regie durch die beiden Bauämter des Marine-Gouvernements.»
Kiautschou galt offiziell nicht als Kolonie.
Daher wurde das Gebiet auch nicht vom Reichskolonialamt verwaltet. An der Spitze stand der Gouverneur, stets ein Marineoffizier, der dem Chef des Reichsmarineamtes, Großadmiral Alfred von Tirpitz, unterstellt war. Über seine Erfahrungen in Ostasien sagte dieser später: «Ich habe den Einblick getan in eine ganz andere Kultur und habe ein Stück Europäerdünkel abgelegt.» Der Respekt beruhte auf Gegenseitigkeit. Gilley: «Als 1912 die Republik China gegründet wurde, besuchte der erste Präsident und ”Vater des modernen China” Sun Yat-sen auf Einladung der gut organisierten chinesischen Handelskammer Qingdao. Es wurde mit dem berühmten Bier ”Tsingtao” angestoßen. Sun lobte bei seinem Besuch den deutschen Kolonialismus überschwänglich. Unter den Deutschen sei Qingdao eine ”vorbildliche Stadt” geworden, der alle Chinesen nacheifern sollten: ”In 3.000 Jahren hat China nicht geschafft, was die Deutschen in 15 Jahren geschafft haben”, sagte er und nahm damit ähnliche spätere Bemerkungen über Hongkong unter den Engländern vorweg.»
Japan greift an
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges änderte sich die Lage schlagartig. Am 10. August 1914 stellte Japan den Deutschen ein Ultimatum, in dem es die vollständige Übergabe des Gebietes verlangte. Der Gouverneur von Kiautschou, Kapitän zur See Alfred Meyer-Waldeck, ließ dieses sowie ein weiteres Ultimatum verstreichen und zeigte sich fest entschlossen, das Pachtgebiet «bis zum Äußersten zu verteidigen». Japaner und Briten landeten daraufhin mit 4.300 Mann am 2. September in der Bucht und begannen mit Sturmangriffen auf deutsche Stellungen, die zunächst, auch dank der exzellenten Luftaufklärung des Marinefliegers Gunther Plüschow, der als «Flieger von Tsingtau» bekannt wurde, erfolglos verliefen. Doch das half letztendlich nichts: Die Alliierten massierten ihre Truppen und zwangen die Deutschen am 7. November 1914 schließlich zur Kapitulation. Nach dem Krieg verblieb das ehemals deutsche Schutzgebiet gemäß der Bestimmungen des Versailler Vertrages zunächst in japanischer Hand, wurde jedoch 1922 wieder an China zurückgegeben.
«Der 7. November 1914 ist der schwärzeste Kalendertag in meinem Leben.» Ehemaliger Bewohner Tsingtaus
«Der 7. November 1914 ist der schwärzeste Kalendertag in meinem Leben. Da habe ich die zweite Heimat verloren», schrieb ein ehemaliger deutscher Bewohner Tsingtaus seinen Liebsten nach der Übergabe der Stadt an die Japaner.
In jenem Brief, der in Otto von Gottbergs 1915 erschienenem Buch Die Helden von Tsingtau dokumentiert ist, heißt es weiter: «Wer nie in Tsingtau lebte, kann nicht fühlen, was das schmucke Städtchen war für mich und andere Obdachlose, die jetzt den Verlust ihrer Heimat betrauern. Denkt Euch, Ihr habt einen blühenden Garten! Mit Eurem Sparpfennig und Eurer Hände Arbeit habt Ihr den steinigen Boden gerodet, die gelockerte Erde gedüngt, dann Blumen ausgesät, Bäumchen gesteckt und jedes Pflänzchen mit Liebe und Sorgfalt gepflegt. Ihr freut Euch an dem Knopfen und Blühen und seid schon in Sorge, wenn leichter Nachtfrost die Pracht zu vernichten droht. Da braust über die prangenden Blüten ein Gewittersturm und zerknickt, verwüstet, fegt weg, was Fleiß und Liebe mühsam schufen. Dann beschattet Ihr wohl die Augen mit müder Hand, zerdrückt eine Träne und setzt Euch entmutigt ins wüste Feld. – So trauern wir Deutsche um Tsingtau. Die schöne Stadt liegt in Trümmern, und wir meinen, wenn morgen die Sonne aufgeht, müsse sie bestürzt ins Wolkenmeer zurückflüchten.»
Deutsches Erbe
Ganz so schlimm hat es Tsingtau dann doch nicht getroffen. Noch heute staunt man über den Stadtkern, der von im Fachwerk oder Jugendstil errichteten Häusern mit roten Ziegeldächern dominiert wird und einen reizvollen Kontrast zur Hochhaus-Skyline auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht bietet. Der ehemalige Palast des deutschen Marinegouverneurs wie auch dessen Dienstvilla finden heute als Verwaltungssitz beziehungsweise stadtgeschichtliches Museum Verwendung. Die Wertschätzung für den deutschen Baustil geht sogar so weit, dass in mehreren Neubaugebieten, abweichend von der üblichen Hochhausbauweise, vorwiegend mittelhohe, deutsch aussehende Wohnhäuser in die grüne Landschaft eingepasst wurden.
Wer in China-Restaurants ein Bier bestellt, greift oft zu Tsingtao. Was viele nicht wissen: Es waren Deutsche, die das Getränk nach Fernost brachten. Da die in Kiautschou stationierten Soldaten der kaiserlichen Marine großen Durst hatten, gründeten Siedler in Tsingtau die Germania-Brauerei, die 1903 ihren Betrieb aufnahm. Auch nach der Einnahme der Stadt durch die Japaner wurde dort weiter Bier produziert, nun unter dem bis heute bekannten Namen. Die Chinesen führten die Tradition fort. Inzwischen ist die Brauerei in Qingdao die größte der Volksrepublik, pro Jahr gehen fast 80 Millionen Hektoliter Bier in mehr als 100 Länder auf der ganzen Welt. In China liegt der Marktanteil von Tsingtao bei etwa 17 Prozent.
Dies dokumentiert die gegenseitige Wertschätzung, von der das Verhältnis zwischen Deutschen und Chinesen in Kiautschou geprägt war. In seinem Pachtgebiet am Gelben Meer handelte das Deutsche Reich maßvoll und gerecht, statt auszubeuten und zu unterdrücken. Während Kolonialmächte wie England oder Frankreich gerade in Asien eine regelrechte Blutspur hinterließen, kann die kurze Zeit der deutschen Herrschaft in Fernost als Phase zum Nutzen beider Völker angesehen werden. Auch deshalb hegt man heute in China keinen Groll gegenüber den Deutschen, sondern ist stolz auf die Errungenschaften, die diese Zeit mit sich brachte.
Alles Wichtige über unsere früheren Kolonien lesen Sie in COMPACT-Geschichte Nr. 18: „Deutsche Kolonien – Viel besser als ihr Ruf“. Lassen Sie sich nicht von antideutschen Historikern und Massenmedien in die Irre führen. Den opulent illustrierten Prachtband, der in wenigen Wochen erscheint, können Sie HIER BESTELLEN.
15 Kommentare
Die größten Kriegsverbrecher aller Zeiten, die kolonisatorischen Machthaber des Vereinigten Königreiches, haben es nötig, andere Völker zu diffamieren. Diffamierungen sind psychologisch betrachtet ein maskierter Neid. Neid ist im Grunde ein Lob.
Q= Quatsch . Die Briten haben andere Völker nicht diffamiert , im Gegenteil bewunderten manche Briten deutsche Militärs . Lese mal T.E. Lawrence , damit du klüger wirst.
P.S. Lettow – Vorbeck und seine afrikanische Truppe wurden von den Briten nach dem Waffenstillstand mit Achtung behandelt . Den Gegner verunglimpfen , zum Unmenschen erklären, daß machen deine russischen Halbbarbaren , die kennen Ritterlichkeit gegenüber dem Feind nicht.
Sehr richtig , Pachtgebiet , also eben keine Kolonie , solche waren auf Dauer angelegt .Trotzdem sehr demütigend für China , da die Pacht mit Waffengewalt erzwungen wurde. Je nun, alle taten es. Ist aber ein gewaltiger Unterschied, ob man afrikanische Wilde zu ihrem eigenen Besten in Obhut nimmt oder ob man mit dem ältesten noch existierenden Kulturvolk der Erde Schindluder treibt. China verdankt dem großen Zedong Mao , daß es erwacht ist .
"Langnasen" ist ein lassistisches Klischee und schleit nach Lache! Das muß ich soflt dem Gloßen Volsitzenden melden!
Wie wäle es mit Gweilo ?
Mhh. Ich wünschte … wir Heutigen würden von den Damaligen … ebenfalls ‚kolonisiert‘ werden können…
Ach, seufzt Professor_zh, das wäre in der Tat verlockend! Aber die Chinesen von damals waren ungleich ehrgeiziger als die ,,Deutschen" von heute (Anwesende ausgenommen). Hoffen wir, daß es zur Kolonialisierung kommt – und daß sie nicht etwa 3000 Jahre dauert!
Danke für diesen interessanten Bericht und die Info, dass das Tsingtao-Bier auf uns Deutsche zurückzuführen ist. Das wissen sicher die wenigsten. Ich habe es auch nicht gewusst, aber in China schon – zum ersten Mal – getrunken, und festgestellt, dass es sehr gut schmeckt.
China und Geschichte, gut und schön….ich bin bei „Aktivist Mann Live aus Davos“, dass hat mein Interesse.
Hier, Aktivist Mann telegram“ mit Stimmen aus der Schweiz und viel Mut.
Compact, heut schlaft ihr etwas, Kommentare brauchen Stunden und hallo, wer braucht China, wenn in Davos schön ist, die Bude kracht und der Baerbock steppt!
Der Artikel ist Teil einer Serie mit der den Nachgeborenen, die seit über einem halben Jahrhundert mit einem vollkommen fremdbestimmten Geschichtsbild geimpft werden, wenigstens teilweise … aufgeklärt werden sollen. Teilweise deshalb, weil es die berühmte ‚Mehrheit‘ eh nicht interessiert – die leben in ihrem Marvel oder DC-Universum und gieren nicht nach historischer Wahrheit oder tatsächlich selbstbestimmter kollektiver Identität, sondern … nach dem nächsten Superheldenfilm.
Dennoch kann man sich zumindest der Hoffnung hingeben, daß einige Nachgeborene ein bischen was Richtiges über ihre tatsächliche kollektive Geschichte erfahren. Und wirkliche Änderungen gehen bekanntlich immer von wenigen ‚Aktivisten‘ aus – auch wenn die faktische Umsetzung dann der notwenigen Masse durch das sogenannte Volk bedarf. Insofern ist dieser wie jeder andere Artikel dieser Serie absolut wichtig, weil er ein kleines Stückchen Befreiung aus der geistigen Sklaverei bedeuten kann, in der wir seit 1945 gefangen sind. Von der Gefangenschaft in der nationalsozialistischen Ideologie sozusagen nahtlos in die Gefangenschaft der Ideologie der ‚westlichen Wertegemeinschaft’…
olle Kamellen und nicht ma ne Fußnote in der deutschen Geschichte
Sonst noch was?
Für die Linksgrünen Kulturabschaffer und Schuldkultfanatiker schon.
Olle Kamellen? Lesen Sie vielleicht mal den Artikel von Martin Lichtmesz über einen Artikel (Integriert euch doch selber) eines gewissen Behzad Karim Khani, in dem er sich wohl an einer Art ‚Provokation‘ versucht. Der Artikel offenbart ein derartiges Ausmaß an geschichtlichem Nichtwissen, daß man Leuten wie diesem ‚Herrn‘ nur dringendst sämtliche Veröffentlichungen zum Thema deutsche Geschichte von COMPACT
empfehlen kann.
Gut, ich weiß auch: Er würde sie nicht lesen! Und selbst wenn: Die innere (Schuld)Abwehr gegenüber der Tatsache, daß er und ’seine Leute‘ (fälschlich auch ‚Einwanderer‘ genannt) den größten Genozid der Menschheitsgeschichte (nämlich den an den weißen Völkern) veranstalten, wäre zu stark als daß er diese Wahrheit an sich heran ließe. Nichtsdestotrotz: Die Wahrheit ist die Wahrheit … und die, die sie suchen, werden dankbar für jedes Fitzelchen sein. Deshalb sollten Sie sich ihre relativierenden Abwertungen einfach sparen – unter der Mehrheit der Leser dieser Seite besteht mit Sicherheit kein Bedarf danach …