Ein Schweizer Physiker legt Messergebnisse vor, wonach die Nord-Stream-Pipelines mit Mini-Nukes gesprengt wurden. Das Interesse in oppositionellen Kreisen an den Thesen ist beträchtlich – und hat die investigative Recherche von Seymour Hersh („Nord Stream Krimi“) in den Hintergrund gedrängt. Zu Unrecht.

    Ein solches Leserinteresse ist selten: Bestimmt zehn persönliche Zuschriften bekam ich seit Mai zu den Ausarbeitungen des Schweizer Physikers Hans-Georg Braun, wonach die Nord-Stream-Röhren mit Mini-Atombomben gesprengt wurden. Unter den Kommentaren unter unseren einschlägigen Videos finden sich ebenfalls Dutzende Hinweise. Obwohl Braun, wie Hersh und ich, von einer Täterschaft der USA ausgeht, war ich dem Ansatz gegenüber von Beginn an skeptisch. Der Fallout einer anderen Mini-Nukes-These kontaminierte schon vor 20 Jahren die Debatte um einen Inside-Job bei 9/11: Das Interesse an der Beteiligung US-amerikanischer Geheimdienstkreise an den Anschlägen des 11. September kollabierte, als plötzlich von verschiedener Seite die Hypothese gestreut wurde, die Twintowers seien nicht konventionell gesprengt worden (wofür es viele Anhaltspunkte gab), sondern nuklear. Was die besonders aufgedrehten Teile der Szene elektrisierte, wirkte auf den großen Rest der Aufklärungsuchenden abseitig.

    Erstmals auf Deutsch gedruckt: Seymour Hershs Recherchen zu Nord Stream. Hier bestellen.

    Ich fürchte, beim Thema Nord Stream könnte die Entwicklung ähnlich sein – vor allem, da Brauns Ansatz wissenschaftlich löchrig ist wie der berühmte Käse aus seinem Heimatland. Über die berufliche Karriere des Mannes will ich nicht streiten, obwohl im Netz darüber gestritten wird; angeblich war er beim angesehenen Massachussetts Institut of Technology (MIT). Entscheidend ist, dass seine Ausarbeitung nicht hinhaut. Das 16-seitige Papier mit dem Titel „Nordstream – Aatomy of Dante’s Explosion“ veröffentlichte er  am 31. Dezember 2022 und sandte es dann an Stellen in der Schweizer Regierung und der UNO.  Anfang April minimal korrigiert, trat es dann seinen Siegeszug im Netz an. Es gibt kaum eine alternative Webseite einschließlich der bürgerlichen „Weltwoche“, das nicht positiv oder neutral-wohlwollend darauf Bezug genommen hätte.

    Die Thesen

    Braun geht von einer nuklearen Sprengladung im Äquivalent von 200 Tonnen TNT aus – bisher sprechen die Nord-Stream-Ermittler von 500 bis 900 Kilogramm, also konventionellen Ladungen. Den Tätern sei es nicht nur um die Zerstörung der Gasröhren gegangen, so Braun, sondern auch um die Etfesselung einer „Tsunami-artigen Welle“ zur Zersörung der russischen Exklave Kaliningrad.

    Schon auf den ersten Blick mangelt es den Thesen an Plausibilität. Warum wurde in der Folge keine radioaktive Verseuchung der Ostsee festgestellt? Warum gab es kein massives Fischsterben? Und warum hat Moskau nie auf die mögliche Verwendung von Mini-Nukes reagiert? Ein schärferer Ansatz zur Delegitimation der NATO-Staaten ist kaum vorstellbar.

    Symbolbild Nord-Stream-Pipelines.

    Die Messergebnisse

    Brauns Hauptproblem: Er  legt sehr viele  seismische Messergebnisse vor – aber kein einziges radiologisches. Wie kann man von Einsatz einer Atombombe sprechen, wen man keine massiv erhöhte Radioaktivität festgestellt hat? Was soll das für eine Atombombe sein, bei der keine Spaltstoffe in messbarer Form freigesetzt werden und das Meer und die angrenzen Küsten verseuchen?

    Zu den seismischen Messungen: Braun stellt seismische Wellen und Beben fest, die bis nach Nordskandinavien reichten. Gleiches gilt für die Verbreitung von Aerosolen. Außerdem sei die Form dieser seismischen Wellen nicht mit der von konventionellen Sprengungen vergleichbar, sondern ähnele etwa einem Atombombenversuch von Nordkorea vom 12. Februar 2013.

    Was er dabei völlig übersehen hat: Wucht und Form der Detonation (und damit der seismischen Wellen) waren in diesem speziellen Fall nicht nur von der Sprengladung abhängig – zusätzlich ist ja noch das Gas in den Röhren explodiert, die voll gefüllt waren und auf 200 Meter aufgerissen wurden.

    Die Ausarbeitung von Braun ist also nicht beweiskräftig. Ein Nebeneffekt seiner Darstellung: Wenn er von Mini-Nukes ausgeht, hätten natürlich nicht 500 bis 900 Kilo Sprengstoff nach Bornholm transportiert werden müssen. Bei atomaren Bomben genügt eine Ananasgröße! Solche Vorrichtungen passen auch auf die Segeljacht „Andromeda“, die amerikanische und deutsche Geheimdieste als Ablenkungsspur von den Hersh-Recherchen in Umlauf gebracht haben. Hersh selbst hat zu dieser aberwitzigen Story in „Nord Stream Krimi. Wie die US-Regierung die Pipelines sprengen ließ“ ausführlich Stellung genommen. Unfreiwillig leistet der US-Kritiker Braun den Andromeda-Komplottisten in Langley also Hilfestellung.

     

    16 Kommentare

    1. Beim Einsatz von A-Waffen ist Folgendes zu beachten:
      Es gibt zwei Möglichkeiten der Wirkung
      1. Sprengpunkt Boden – Die Explosion erfolgt wie bei einer konventionellen Bombe beim Aufschlag oder in unmittelbarer Erdnähe. Durch den Druck der Explosion wird Material hochgewirbelt und radioaktiv belastet. Dieses kommt dann als radioaktiver Ausfall wieder auf den Boden zurück und verstrahlt diesen. So geschehen in Hiroshima.
      2. Sprengpunkt Luft – Die Explosion erfolgt wie bei einer Luftmine in einiger Höhe. Es wird kein oder nur sehr wenig Material hochgewirbelt und somit auch kein radioaktiver Ausfall erzeugt. Erfolgt die Explosion über dem Hafen – wie in Nagasaki – so wird das Wasser verdampft und sofort durch nachfliessendes Wasser ersetzt. Eine mögliche Verstrahlung wird somit zugedeckt. Dabei ist die Hitze so gross, dass das verdampfte Wasser atomisiert wird und nicht – als Wasserdampfwolke weiterzieht und irgendwo herunterregnet.
      Wenn ein "Atomschlag" mit einer kleinen Bombe weit unter der Meeresoberfläche stattgefunden, ist die Menge des nachfliessenden Wassers so riesig, dass die Verstrahlung äusserst gering gehalten werden kann und nur mit sehr speziellen Messinstrumenten noch detektiert werden kann.

    2. Comedy pur

      So macht ein "wahrer Freund" unser Uncle Sam Geschäfte mit den Europäern ..

      arte: Der Kampf um Airbus

      Da hat die sizilianische Mafia noch viel zu lernen!

      • Putzfrau 80+ am

        Ich denke, dass diese "Mini Nuke-Geschichte" nur ndie Andromeda-Story unterfüttern soll. Man sollte den Hintergrund des Nachrichten-Verbreiters mal umfassend ausleuchten, im Hinblick darauf, wer ihn finanziert.. Die Amis, möchten sich offenbar aus ihrem Ukraine-Desaster davonstehlen , indem sie der Ukraine das Verbrechen in die Schuhe schieben und ihre blutigen Pfoten in Unschuld waschen.

        • Norbert Leser am

          @Dame 80+
          Natürlich. Die Pipelinesprenger haben Angst, dass ihr Natoladen nach ihrem Angriff auf das verbündete (!) DE auseinanderfliegt.
          Und sie anschließend von den Chinesen verkloppt werden.

    3. Keiner redet von einer Atombombe sondern von einer Wasserstoffbombe. Diese werden heute nicht mehr mit einer Atombombe gezündet, somit gibt es andere Spaltprodukte die Nachweisbar sind. Die Erhöhung der Wassertemperatur um 5 Grad ist auch nachweisbar. Die Erdbebenstärke in Kalinigrad auch.
      Da über diese Waffen nie berichtet wird, ist es kein Wunder wenn die Leute denken das dies alles Blödsinn ist, dies wäre aber auch ein Argument dafür und nicht dagegen.
      Wie wollen die Russen denn reagieren? Auch mit diesen Waffen?
      Das wollen sie nicht, weil es zur Eskalation führen würde, noch ein Argument!

    4. Norbert Leser am

      Brauns Gequatsche von der "Entfesselung eines Tsunamis zur Zerstörung von Königsberg (Kaliningrad)"
      ist ebenso ausgemachter Humbug

      In dem Fall wären Danzig, Kopenhagen, Göteborg und Rostock genauso betroffen.

      War der Professor zu lange in USA, dass er den Stand seiner Geographiekenntnisse dem amerikanischen angepasst hat?

      • Hat er nie gesagt! Er sagte das die Erschütterung des Bodens dort besonders hoch war, dies geht auf einen Bodengegebenheit zurück, die eine Erdbebenwelle richtet!

    5. Norbert Leser am

      Herr Elsässer, Sie haben vollkommen recht!

      Dieser Schweizer Prof. Braun mit seiner thermonuklearen Phantasiebehauptung
      soll ganz offensichtlich ablenken

      Er arbeitet in USA für das US-amerikanische Institut MIT.
      Es ist klar, was er bezwecken soll.
      Alle Welt weiß, dass Washington die Pipelines gesprengt hat. Der US-Präsi selbst hatte es angekündigt.
      Das können sie nicht mehr abstreiten.

      Stattdessen schicken CIA/Pipelinesprenger einen US-Prof. mit Schweizer Staatsangehörigkeit vor.
      Der für Washington die Flucht nach vorn antritt.

      Er will folgende Reaktion hervorrufen:
      "Thermonuklear?
      Das ist doch nicht der Fall!
      Also waren es die USA vielleicht doch nicht???"

      Ablenkungsmanöver, nichts weiter.
      Dirk Pohlmann ist auf einen CIA-Schwätzer reingefallen.

      • Man braucht nur Bodenproben nehmen! Deshalb sollte man nicht von Schwätzer reden, es war auch keine A Waffe sondern eine Wasserstoff Waffe!

    6. Friedenseiche am

      im Grunde interessiert doch nur eines:

      welcher Abschaum ist das gewesen?

      • Spätestens, seit es sich bei den NS-Sprengungen im veröffentlichten Sprachgebrauch um keinen Terroranschlag/Umweltkatastrophe mehr handelt, wissen wir doch, wer dahinter steckt.

        Ayßerdem sind sich Expert*innen einig, daß weiße Lebendgeburten und Kuhfürze sowieso die Klimakiller#1 sind.

    7. Der Braun hat sicher ein Compact-Abo. Natürlich wird es immer Menschen geben, die eine Fliege mit dem Vorschlaghammer erschlagen. Wenn es am Tatort radioaktiv strahlen würde, wäre das ein Beweis, daß Private als Täter ausscheiden, mehr nicht. So what ?

      • Durch die hohe Strahlung unter Wasser, würden sich solche Produkte finden lassen und sie werden auch beschrieben.
        Es war aber keine Atombombe sondern eine Wasserstoffbombe, die nicht atomar mehr gezündet wird!

        • Talavera de la Reina am

          Dem Injenjör ist nix zu schwör. Strahlen Wasserstoffbomben nicht? Das Problem im 21. Jahrhundert ist, daß es von krassen Spezialisten wimmelt, die einem Laien immer das Blaue vom Himmel runter reden können.

      • @ Soki

        Hat Braun seine Messungen gefaket? Sind die (offiziell) zugänglichen Daten gefaket? Falls nein, mit welcher Theorie wollen Sie diese Daten erklären? Wenn die Daten stimmen, so bleibt als einzig wissenschaftlich plausible Theorie eine (skalierbare) Mini-Nuke übrig. Follow the science…