Kleine Bilanz eines großen Tages – fünf Erfolgsmeldungen und eine Leerstelle.

    1.) Ein großer Sieg: Erneut hat die Freiheitsbewegung die Hauptstadt für einen Tag befreit. Die Taktik des Regimes, die Massen auf der Straße Unter den Linden / Friedrichstraße mit Polizei einzukesseln, ist nicht aufgegangen. Die Leute waren gewitzt und sind trotzdem irgendwie auf die andere Seite des Brandenburger Tores gekommen.

    Die Teilnehmerzahl lässt sich noch schwerer schätzen als beim letzten Mal, weil sich die Leute auch abseits der Straßen am Großen Stern unter den Bäumen des Tiergartens zerstreuten, aber nach übereinstimmenden Berichten waren es mehr als am 1. August. Damals ging COMPACT von 500.000 aus.

    Q / Querdenker-Buttons: Das Erkennungszeichen der Aufgewachten!

    2.) Die Führungscrew steht und ist anerkannt:  Querdenken-711 und Michael Ballweg haben erneut ihr organisatorisches Geschick bewiesen und „das große Ding“ trotz aller Verbote und Schikanen erfolgreich durchgezogen. Zugleich widerstanden sie dem mächtigen Distanzierungsdruck aus dem Establishment und bewahrten dadurch die Offenheit der Versammlung für alle möglichen Denkrichtungen. Dafür nimmt man dann auch gerne das Hare Krishna  hin…

    3.) Gelebte Freiheit: Unabhängig von der politischen Aussage war der 29.8. auch ein Tag der ganz praktischen Freiheitserfahrung: Während überall in der Republik die Hygiene-Repression immer stärker wird, konnte man hier, wie in alten Zeiten, Menschen ohne Maske ins Gesicht lächeln, sie umarmen und küssen, es wurde getanzt… Für alle, die gestern da waren, waren das Glücksmomente und Endorphine, psychische Gesundung, Frischzellenkur – und alle werden das nächste Mal wiederkommen, um allein schon dieses „Woodstock“-Feeling wieder zu erleben.

    4.) Das Reich wird Pop: Es war die bekannte wilde Mischung des 1. August: Hippies und Hools sonnig Seite an Seite, Wölfe und Lämmer leben in Frieden miteinander wie in der biblischen Prophezeiung. Regenbogen-, Peace- und Reichsfahnen in Harmonie. Wobei letztere mehr geworden sind!

    Die Reichsfahne hat sich aus dem sektiererischen Zugriff der diversen Reichsbürger-Grüppchen gelöst und ist eine Art Popsymbol geworden: Wie die Regenbohnenfahne steht sie als Versprechen auf etwas „ganz Anderes“, das Deutschland einmal war, bevor es die aktuelle Schrumpfform BRD gab.

    Das Anknüpfen an mythische Erzählungen aus der  Vergangenheit macht eine Stärke der Bewegung aus. Wie ich in meinem Leitartikel in der aktuellen COMPACT 9/2020 ausführte, ist diese typisch deutsche Romantik auch der Grund, warum die Corona-Rebelten in Deutschland stärker sind als anderswo. Hol Dir den Artikel („Revolution der Herzen“) digital hier – und hier gibt es die Printausgabe.

    Fröhliche Krishna-Tänzerin. Foto: Paul Klemm

    5.) Reichstagsumarmung statt Reichstagssturm: Am Abend gelangten etwa 500 Demonstranten auf die Treppe des Reichstages und direkt vor die Türen des Hohen Hauses. Das war eine völlig friedliche Aktion und, anders als in den Medien dargestellt, kein Reichstagssturm.

    Die organisierten Reichsbürger waren eine verschwindende Minderheit in der Menge: Man sieht neben ihrer Fahne auch Schwarz-Rot-Gold, das Sternenbanner, die russische Trikolore, Q-Annon und Fahnen der Bundesländer, daneben auch völlig unbekannte Farbmischungen (Südkorea?).

    Hauptsächlich bestand die Menge aus dem typischen Querschnitt aller am 29.8. Sie wollten wohl zum Ausdruck bringen: Der Reichstag muss wieder dem Volk gehören, vom Volk wieder – politisch, nicht militärisch – in Stand gesetzt, wieder zum Fokus des Volkswillens werden.

    Dieser Gedanke ist diffus, aber im Kern völlig richtig. Als die Polizei aufkreuzte, gab die Menge die Zugänge zum Reichstag schnell frei. Gewalt, zum teil ruppig, kam nur von den Beamten.

    COMPACT-Edition 8: Tage der Freiheit. Reden, Interviews, Fotos.

    6.) Die Leerstelle: Eine Weiterführung des Tages durch ein großes Protestcamp im Regierungsviertel gelang, trotz Ballwegs Ankündigung, nicht. Vermutlich hätte das die Organisatoren und die Bewegung zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch überfordert – es war ja schon toll, erneut eine solche Megademo durchzusetzen.

    Trotzdem bleibt das für die Zukunft ein wichtiger Punkt: Nicht nur Feste der Freiheit zu feiern, sondern auch Elemente der Volksmacht zu etablieren – gewaltfrei und für die Bevölkerung nachvollziehbar, versteht sich. Solche Elemente lassen sich durch die Diskussion einer neuen deutschen Verfassung – Michael Ballweg spricht von einer Verfassungsgebenden Versammlung – begleiten, aber nicht ersetzen.

    Im Gegenteil zeigt das Beispiel der Revolution von 1848, dass eine Verfassungsdebatte auch eine Bewegung spalten kann: Die Konstituante (Paulskirchenversammlung) geriet zur Schwatzbude, während die zersplitterten Bewegungen in Wien, Berlin und Baden von den Preußen nacheinander niedergeworfen wurden. – Das Nahziel ist eine weitere Millionendemo mit einer gut vorbereiteten Begleitaktion: „Angela, Dein Volk ist da!“

    Reichsflagge, US-Flagge und Regenbogenfahne. Foto: Paul Klemm

     

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