Das Darknet ist zum Synonym für Kriminelles und Widerwärtiges geworden. In Wirklichkeit ist es besser als sein Ruf – und ein Refugium für Whistleblower, Freigeister und Dissidenten. Ein Auszug aus der aktuellen Ausgabe von COMPACT mit dem Titelthema «Impfstreik». Hier mehr erfahren.

    Vor wenigen Wochen berichtete die Bild-Zeitung über einen neuen Trend: Die Cybersicherheitsfirma Check Point hat entdeckt, dass Corona-Impfstoffe für teures Geld im Darknet an den Meistbietenden verhökert werden. Die Nachfrage nach AstraZeneca sei am geringsten, während das russische Vakzin Sputnik V und das chinesische Präparat Sinovac zu Höchstpreisen von bis zu 650 Euro pro Dosis gehandelt würden.

    Zugleich soll laut einem Bericht der BBC auch der Handel mit gefälschten Impfpässen und Testzertifikaten florieren. Mindestens 150 Dollar müssten Käufer für die Fake-Dokumente hinblättern. Ob Impfbefürworter oder Impfgegner – für jeden ist etwas dabei.

    Sputnik V: Der russische Impfstoff erzielt Höchstpreise im Darknet. Foto: Juan Roballo | Shutterstock.com

    Es ist nicht das erste Mal, dass das Darknet – mitunter auch Dark Web genannt – in die Schlagzeilen gerät. Schon seit Jahren berichten die Medien über diesen vermeintlich mystischen Ort der Gesetzlosigkeit, der wie eine digitale Neuauflage der Pirateninsel La Tortuga erscheint, als ein gigantischer Schwarzmarkt, auf dem man alles kaufen könne, egal wie kriminell und abartig es auch sei. Doch was hat es mit jener Schattenwelt des weltweiten Netzes wirklich auf sich?

    Was ist das Darknet?

    Der Begriff Darknet stammt aus den Zeiten, in denen das Internet noch nicht allgemein zugänglich war, sondern unter dem Namen Arpanet Universitäten oder Militäreinrichtungen miteinander verband. In diesen Netzwerken wurden einige Server als tote Briefkästen eingerichtet, die Nachrichten empfangen, aber nicht verschicken konnten. Sie waren nicht in den Verzeichnissen gelistet und damit für die normalen User nicht sichtbar.

    Geheimer Ort: Da Whistleblower oft die Anonymität des Darknets suchen, haben selbst große Zeitungen wie die «News York Times» dort Seiten eingerichtet, um an vertrauliche Information zu gelangen. Foto: Pixabay

    Erstmals in den Fokus der medialen Berichterstattung geriet das Darknet 1971, als es von Studenten des MIT in Cambridge und der Uni Stanford zum Handel mit Marihuana verwendet wurde.
    Im Mainstream tauchte der Begriff erst Jahrzehnte später auf, nämlich 2002, als die Microsoft-Mitarbeiter Peter Biddle, Paul England, Marcus Peinado und Bryan Willman ihr Paper The Darknet and the Future of Content Distribution publizierten.

    Darin vertraten sie die These, dass es niemals möglich sein werde, ein perfektes System zur digitalen Durchsetzung des Urheberrechts zu etablieren, weil es im Internet parallele Strukturen gebe, die durch Verschlüsselung, Peer-to-Peer oder Umleitungen per VPN (Virtual Private Network) nicht öffentlich einsehbar und zugänglich seien. Da diese Strukturen teilweise sogar eigene Netzwerkprotokolle verwendeten, sei es nicht möglich, diese vollständig zu unterbinden.

    Eine Schlüsseltechnologie des Darknets sind VPN-Anonymisierungsdienste. Diese funktionieren so, dass eine zufällige Kette von Servern zwischen Nutzern und Ziel aufgebaut wird. Jeder Server kennt dabei nur zwei Verbindungen, nicht die gesamte Kette. Die bekannteste Software eines solchen Darknet-VPN ist der sogenannte TOR-Browser.

    TOR steht für The Onion Routing, wobei «Onion» auf die Schichten einer Zwiebel anspielt und damit die zuvor beschriebene zufällige Kette von Weiterleitungen symbolisiert. Das Programm erlaubt es, jeden Computer, auf dem es installiert ist, zum Host (Rechner zur Datenweitergabe) einer Darknet-Seite zu machen. Dazu macht der TOR- Browser ein Verzeichnis auf dem Computer öffentlich zugänglich. In dieses Verzeichnis wird die Website dann gepackt.

    Grafik: COMPACT; LittleKingfisher / Shutterstock.com

    Weil die meisten Darknet-Seiten auf privaten PCs lagern, sind diese in der Regel sehr schlicht gestaltet und haben eine niedrige Dateigröße mit wenigen Bildern und viel Text. (…)

    Drogen, Waffen und Kinderpornos?

    Im vergangenen Jahr schätzte das TOR-Netzwerk die Zahl der gehosteten Seiten auf rund 18.000. Hinzu kommen 58.000 Mirrors (Sicherheitskopien dieser Seiten). Der Drogenhandel macht mit vier Prozent des gesamten Traffics nur einen kleinen Teil der Services aus. Für die Beschaffung von Rauschmitteln gibt es inzwischen wesentlich unkompliziertere Wege. Im Messenger-Dienst Telegram, oft als «Darknet des kleinen Mannes» bezeichnet, tummeln sich Anbieter, die Lieferdienste für Drogen wie beim Pizzaservice anbieten. Mit Waffenhandel haben sogar nur 0,3 Prozent der Seiten im Dark Web zu tun.

    Auffällig klein ist mit 2,3 Prozent auch der Anteil pornografischer Seiten. Überraschend mag für manche sein, dass Kinderpornografie, die von den Medien fast ausschließlich mit dem Darknet in Verbindung gebracht wird, dort nur eine Randerscheinung ist.

    Verbrechen: Kinderpornografisches Material wird hauptsächlich im sogenannten Deep Web, nicht im Darknet ausgetauscht. Foto: Redovi2 | Shutterstock.com

    Matthias Schulze, stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik, schreibt dazu:

    «Es gibt erheblich mehr kinderpornografische Angebote im frei verfügbaren Teil des Internets als im Dark Web. Eine Studie von 2014 kommt zu dem Schluss, dass von rund 31.000 mit Kinderpornografie assoziierten Websites nur 51, also 0,2 Prozent, über das Dark­net gehostet wurden. Der Rest wird häufig in Ländern mit schwacher Staatlichkeit im regulären Deep Web gehostet. Aber auch die direkte Distribution über Mailinglisten oder Messenger-Dienste ist weiter verbreitet als der Handel über das Dark Web.»

    Tatsächlich werden Pädo-Angebote seitens der Nutzer selbst zurückgedrängt. Auf vielen Kryptomärkten ist entsprechendes Material geächtet, und da das Darknet keine automatischen Suchmaschinen wie Google kennt, kann die Verbreitung von bestimmten Seiten sehr gut eingeschränkt werden, indem genug Leute sich weigern, solche Links weiterzuleiten.

    Politische Dissidenten

    Den weitaus größten Teil des Traffics im dunklen Netz, nämlich über 70 Prozent, macht der Austausch sensibler Daten aus, noch einmal 10 Prozent entfallen auf Hacker-Tools. Daneben wächst die Zahl von Kommunikationsangeboten, Wikis und politisch unkorrekten Seiten. Dissidenten unterschiedlicher Couleur, deren Internetseiten von Webhostern plattgemacht wurden und deren Angebote der zunehmenden Zensur in Social Media zum Opfer gefallen sind, weichen verstärkt ins Darknet aus. (…) Ende des Textauszugs.

    Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Mai-Ausgabe von COMPACT mit dem Titelthema «Impfstreik. Warum Millionen keine Spritze wollen». Dort lesen Sie auch, wie politische Dissidenten das Darknet nutzen, wer ihre Vorbilder sind und wo das dunkle Netz in der Populärkultur auftaucht. Hier mehr erfahren.

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