Anlässlich des 8. Mai erscheint dieses Wochenende in drei Teilen ein Beitrag zum erfolglosen Attentat auf Hitler und die Hintergründe dessen Scheiterns – die damit verbundene angloamerikanische Interessenlage zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Dies ist der zweite Teil.

    Die Atmosphäre der finsteren Verbrecherwelt

    So textete denn die New York Times über das Attentat, dass dessen Einzelheiten mehr an „die Atmosphäre der finsteren Verbrecherwelt“ erinnerten als an die, welche man „normalerweise in einem Offizierkorps eines Kulturstaates erwarten würde.“ Das Renommierblatt zeigte sich entrüstet darüber, dass höchste Offiziere ein Jahr lang an dem Komplott „gegen das Oberhaupt des Staates und den Oberbefehlshaber der Streitkräfte“ gearbeitet hätten. Ein Komplott, bei dem man sich noch dazu „einer Bombe, der typischen Waffe der Unterwelt“ bedient hatte.

    Eine andere wichtige US-Zeitung, The Herald Tribune, kommentierte: „Im allgemeinen bedauern es die Amerikaner keinesfalls, dass Hitler von der Bombe verschont wurde und sich nun persönlich seiner Generäle entledigt. Außerdem haben die Amerikaner mit Aristokraten nichts am Hut, ganz besonders nicht mit solchen, die Dolchstöße ausführen“.

    Und die London Times schlug nach, es wäre wohl kaum nötig hervorzuheben, dass Hitlers Gegner keine Freunde der Alliierten sind: „Die Generäle, die sich als Thronfolger aufspielten, handelten nicht als Verfechter der Freiheit, sondern als Verfechter der Militarismus.“

    Eine offenbar an zentraler Stelle ausgegebene Sprachregelung, die darauf abzielte, die Sympathien der eigenen Bevölkerung von den deutschen Vorgängen abzuziehen, bewirkte, dass die alliierte Presse ganz allgemein die breite Beteiligung von Zivilisten an den Umsturzplänen bestritt und zugleich verschwieg, dass bei einem Gelingen des Putsches zentrale Positionen der neuen Regierung christdemokratisch, liberal und sogar links (Leuschner/SPD-Vizekanzler, Leber/SPD-Innenminister) besetzt werde sollten. Allenthalben wurde stattdessen gebetsmühlenartig von der „Verschwörung der Generale“, von einer „Intrige des Adels“ oder auch vom „Widerstand der Junker“ gesprochen, hinter dem sich nichts als der verzweifelte Versuch in ihrem Ehrgeiz verletzter Militärs verberge, aus Interesse an der eigenen Karriere den Tyrannen zu ermorden. Eine rein soldatische Verzweiflungstat ohne jeden ethischen Hintergrund.

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    Dass wir besser dastehen

    In genau diesem Sinne wurde der antifaschistische Aufstand von Winston Churchill verhöhnt. Der britische Staatschef, der von den Attentatsplänen im voraus unterrichtet war, sprach am 2. August 1944 vor dem Parlament von „Ausrottungskämpfen unter den Würdenträgern des Dritten Reiches“. Die Köpfe der deutschen Führung versuchten lediglich, ihr vorgezeichnetes Schicksal, die absolute Niederlage, zu umgehen, indem die „sich gegenseitig ermordeten“. Dass diese Worte in Wirklichkeit der Angst eines Jägers entsprangen, dem um ein Haar noch die sicher geglaubten Felle davongeschwommen wären, verdeutlicht die Auslassung seines engen Vertrauten John W. Wheeler-Bennett. Dieser sowohl beim Geheimdienst, als auch beim Außenministerium akkreditierte „Deutschlandexperte“, hatte eine Woche zuvor seinen Premier (Churchill) und Außenminister Eden über die Vorgänge im Reich wie folgt gebrieft:

    „Es kann jetzt mit einiger Sicherheit gesagt werden, dass wir besser dastehen, so wie die Dinge heute stehen, als wenn die Verschwörung vom 20. Juli geklappt hätte und Hitler ermordet worden wäre. In diesem Falle hätten die Generäle der ‚alten‘ Armee die Macht übernommen und, wie sich aus dem letzten Statement des Vatikans hinsichtlich der Vermittlungsbereitschaft des Papstes herleiten lässt, dann hätten sie über Baron von Weizsäcker einen bereits ausgearbeiteten Friedensappell veröffentlicht, laut welchem sich Deutschland geschlagen gibt und um Bedingungen nachsucht, die sich von der Forderung nach bedingungsloser Kapitulation unterscheiden.

    Durch das Scheitern des Aufstands sind uns sowohl hier zu Hause wie in den Vereinigten Staaten Verlegenheiten erspart geblieben, die aus einem solchen Friedensgesuch möglicherweise resultiert hätten (etwa wenn sich die Putschregierung auf vorherige Versprechungen der Engländer berufen hätte, W.E.) Darüber hinaus entsorgen die gegenwärtigen Säuberungsmaßnahmen Hitlers wahrscheinlich zahlreiche Individuen, die uns nicht nur im Falle eines gelungen Putsches, sondern auch nach der Niederringung eines nazistischen Deutschlands Schwierigkeiten bereitet hätten.

    Wenn es stimmt, dass eine Anzahl der bedeutenderen Generäle zusammen mit solchen Zivilisten wie Schacht, Neurath und Schulenburg erledigt worden sind, so haben uns die Gestapo und die SS einen gewichtigen Dienst erwiesen, indem sie eine Auslese jener Kräfte beseitigte, die zweifellos nach dem Krieg als „gute“ Deutsche posiert hätten. […] Es ist daher zu unserem Vorteil, dass die gegenwärtigen Verfolgungen weiter andauern, denn das Töten von Deutschen durch Deutsche wird uns künftig vor vielen Verlegenheiten bewahren.“

    Soweit das Memorandum Wheeler-Bennetts, der vor dem Attentat die Oppositionsführer Adam von Trott und Goerdeler empfangen und ihnen suggeriert hatte, er stünde auf ihrer Seite. Das Dokument datiert auf den 25. Juli, als in Deutschland bereits die ersten Todesurteile gegen festgenommene Widerstandskämpfer vollstreckt wurden.

    Wenn sich „die Revolte verschlimmern“ sollte

    Währenddessen zeigte sich auch das Weiße Haus in Sorge um „seinen“ Führer.

    So schrieb Franklin D. Roosevelt an seine Frau Eleanor aus Hawaii: „Möglicherweise muss ich überstürzt zurückkommen, wenn sich die deutsche Revolte verschlimmern sollte! Ich hoffe, dass das nicht passiert.“ Erst eine Woche nach Hitlers Beinahe-Entmachtung gab der Präsident seine erste öffentliche Erklärung zu dem Staatsstreich ab. Gegenüber Reportern log er: „Ich denke nicht, dass ich mehr über die deutschen Vorgänge weiß, als Sie. […] Wir mögen alle unsere eigene Anschauung dazu haben.“ Dann fuhr er fort, die alliierte Forderung nach einer totalen Kapitulation zu betonen: „Fast jeder Deutsche leugnet die Tatsache, dass sie sich im letzten Krieg ergeben haben. Aber dieses mal, werden sie mit der Nase darauf gestoßen werden!“ Aus Moskau stimmten Stalins Propagandisten ein: „Das hitleristische Deutschland wird nicht durch aufrührerische Generäle auf die Knie gezwungen werden, sondern durch uns und unsere Verbündeten!“

    Natürlich blieb diese extreme Sichtweise im Westen nicht ohne Widerspruch. Allen Dulles war über die Tragödie des 20. Juli über alle Maßen bestürzt. Und  George Anthony Bell, der Bischof von Chichester, verlangte – außer sich vor Wut über die alliierte Reaktion – dass alles Menschenmögliche getan werden sollte, um wenigstens jene Verschwörer, die noch nicht von der SS ergriffen worden waren, aus Deutschland herauszulotsen. Seinem Appell wurde nicht einmal eine Antwort zuteil. Wohl, weil die Regierung gerade in die genau entgegengesetzte Richtung ruderte:

     

    England denunziert die deutsche Opposition

    Am 13. Juli 1996 druckte die London Times verschiedene Briefe, die das Blatt nach Platzierung eines Berichts erhalten hatte, der sich mit Englands Verrat am deutschen Widerstand beschäftigte. Eine Einsendung erinnerte an einen Fall direkter britischer Sabotage an der Anti-Hitleristischen Opposition. Der Verfasser, International Affairs Rezensent Nicky Bird, verweist darin auf

    “die verhängnisvolle BBC-Radioübertragung vom 22. Juli 1944 – zwei Tage nachdem Stauffenbergs Anschlag gescheitert war -, in welcher bis dato noch nicht verhaftete Verschwörer genannt wurden.“ Der Beitrag „wurde von Maurice Latey vom Deutschlanddienst des BBC verfasst, auf Anforderung von dessen Schriftleiter Hugh Greene. Greene hatte ein Tonband erhalten, welches eine lange Liste von Personen namentlich erfasste, die man mit dem Coup in Verbindung brachte. Und von denen suchte sich Latey die wichtigsten heraus.“ Bird weiter: „Eingesandt worden war das Band von der in Woburn Abbey eingerichteten Geheimdienstabteilung Political Warfare Executive, Foreign Office/PWE, die für den Inhalt der Nachrichtensendungen nach Deutschland verantwortlich zeichnete. Latey schrieb 1988 in einem privaten Brief, „weder Hugh noch ich hätten ahnen können, daß die PWE uns mit einer Aufstellung beliefern würde, welche die Verschwörer in Schwierigkeiten bringen könnte“. Nichtsdestoweniger taten sie genau das, und die PWE muß sich der Folgen wohl bewußt gewesen sein, die aus der Veröffentlichung einer solchen Liste resultierten.“

    Die von den Briten betriebene Denunziationskampagne – sie wurde seinerzeit auch durch den PWE-eigenen „Soldatensender Calais“ verfolgt – lag genau auf der Ratschlagsebene des Wheeler-Bennett-Memorandums, die Fraktion der „guten Deutschen“ noch vor Kriegsende auszudünnen. Was nicht verwundern darf, da der gefragte Chefberater John Wheeler-Bennett dem Chef der Political Warfare Executive Bruce Lockhart als Vize zur Seite stand.

    Die Londoner Spionagebüros griffen bei ihrem Verrat auf erstklassige Informationen zurück, die sie im Zuge ihrer engen Verhandlungen mit den deutschen Widerständlern erhalten hatten: Trott zu Solz traf sich in Stockholm mehrfach mit englischen Geheimdienstleuten, Abwehrchef Canaris informierte den britischen Abwehrchef Graham Menzies über die Attentatsplan gegen Hitler höchstpersönlich. Von der Gegenseite über das Bestehen eines angeblichen Einvernehmens getäuscht, übermittelte Stauffenberg zuletzt sogar eine Liste möglicher Ansprechpartnern aus seinem Widerstandskreis. Eine Vertrauensgeste, die sich nun als Todesurteil entpuppte.

    Dieser Machiavellismus ist umso befremdlicher, wenn man sich vor Augen hält, dass Churchill, Roosevelt und Stalin damals schon seit mehr als einem Jahr von der gegen das europäische Judentum gerichteten „Endlösung“ wussten. Doch anstatt den Holocaust durch den Widerstand beenden zu lassen oder auch nur ein einziges Mal mit gezielten Luftschlägen gegen die Wach- und Vernichtungseinheiten von KZs auf das Geschehen einzuwirken, mühte man sich um seine propagandistische Instrumentalisierung. Etwa um den Kampfeswillen der eigenen Soldaten anzuspornen oder –  wie bei Churchills Zivilbombardements geschehen – um eigene Terrorkampagnen als Vergeltungsschläge zu begründen. Auch die Zwangsmaßnahmen gegen Deutschland wie Teilung, Besetzung und „Umerziehung“ fanden hier eine willkommene zusätzliche Argumentationsplattform.

    Thorsten Schulte: Fremdbestimmt. 120 Jahre Lügen und Täuschung

    Tucholsky schrieb 1931: »Das Volk versteht das meiste falsch; aber es fühlt das meiste richtig.« Immer mehr Menschen fühlen, dass die Zukunft Deutschlands und Europas in Gefahr ist. Daher muss das ganze Ausmaß von Täuschung und Fremdbestimmung ans Licht. Nur so können wir erkennen, was uns heute bedroht, warum gegen uns regiert wird, was wir dagegen tun können. Thorsten Schulte demaskiert die Geschichtsschreibung der Sieger, deckt Un- und Halbwahrheiten und das Weglassen wichtiger Fakten in den Medien auf. Er entlarvt das verzerrte Geschichtsbild, das immer noch zu einem Schuldkomplex führt. Mit verheerenden Folgen. Erst dadurch wird seine Gefahrenanalyse für das heutige Deutschland verständlich. Wir müssen unsere Geschichte kennen – die wahre Geschichte. Hier im Compact-Shop zu erwerben.

    Deutschland wird nicht besetzt zum Zwecke seiner Befreiung

    Um die Doppelzüngigkeit noch zu steigern, wurde den unterlegenen Deutschen die zurückliegende und fortdauernde Zerstörung ihres Landes damit erklärt, dass sie sich der Nazis nicht frühzeitig selbst entledigt hatten. Unter der Überschrift „Grundlegende Ziele der Militärregierung in Deutschland“ forderte der US-Generalstab am 26. April 1945 von dem Oberbefehlshaber der Besatzungstruppen an vorderster Stelle:

    „Es muss den Deutschen klargemacht werden, dass Deutschlands rücksichtslose Kriegführung und der fanatische Widerstand der Nazis die deutsche Wirtschaft zerstört und Chaos und Leiden unvermeidlich gemacht haben und dass sie nicht der Verantwortung für das entgehen können, was sie selbst auf sich geladen haben.“ Bruchlos daran anschließend heißt es, die Maske des edlen Ritters ein Stück weit öffnend: „Deutschland wird nicht besetzt zum Zwecke seiner Befreiung, sondern als ein besiegter Feindstaat. Ihr Ziel ist […] die Besetzung Deutschlands, um gewisse wichtige alliierte Absichten zu verwirklichen.“

    Wohl auch im Sinne der „gewissen Absichten“ hielten es die Alliierten nach dem Krieg für angebracht, die Interpretation aufrecht zu erhalten, laut der die Ereignisse des 20. Juli Frucht einer Verschwörung einiger weniger ehrgeiziger Offiziere gewesen war. So konnte man nämlich die (vor allem von der Nazi-Propaganda verbreitete) These stützen, nach der es während der Naziherrschaft in Deutschland keinerlei Form von Widerstand und Opposition gegen das Regime gegeben hätte, weshalb alle Deutschen als Nazis betrachtet und auch als solche behandelt werden müssten. Louis P. Locher, früherer Chef des Berliner Büros der Associated Press und später Kriegskorrespondent der Alliierten in Paris, erwähnt in seinem Buch „Always the Unexpected“, dass die amerikanische Presse gezielt Meldungen über den deutschen Widerstand unterdrückte. Er erklärt: „Berichte über die Widerstandsbewegung passten nicht in das Konzept der bedingungslosen Kapitulation. Schon im Sommer 1942 hatte meine Annahme Bestätigung gefunden, dass Roosevelt entschlossen war, die Schuld des gesamten deutschen Volkes und nicht nur des Naziregimes für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges festzulegen.“ Jetzt erliess der US-Präsident sogar eigens eine Weisung, dass schriftliche Erwähnungen über einen deutschen Widerstand während der Hitlerzeit zu unterbleiben hätten. Der lange Arm dieses Banns überschattete ein gutes Stück Nachkriegszeit des besetzten Deutschland und reichte mitten hinein in die sogenannten Kriegsverbrecherprozesse, bei denen es auch um die Aburteilung von Widerstandskämpfern ging, die den Nachstellungen der Gestapo entgangen waren.

    Nicht wenige Köpfe der Opposition hatten die Kapitulation auf diplomatischen Positionen im Ausland überdauert, nur um jetzt zu erleben, dass sie als Angeklagte vor das Nürnberger Siegertribunal zitiert wurden. Natürlich baten die Verzweifelten sofort ihre vermeintlichen Freunde im britischen Außenministerium um Bezeugung ihrer aktiven Widerstandsarbeit, doch liefen ihren Appelle zumeist ins Leere. So wurde infolge schwerster Rechtsbeugung der entschiedene Nazigegner Ernst von Weizsäcker, ehemals Staatssekretär im deutschen Außenamt, zu einer Gefängnisstrafe verurteilt – obwohl zahllose bekannte Antifaschisten aus aller Herren Länder für ihn Partei ergriffen.

    Die Rehabilitation sollte auf sich warten lassen. Während der von eigenen Landsleuten geleistete Widerstand besonders in den Niederlanden, in Polen, Frankreich und Italien zur Grundlage des politischen Selbstverständnisses der Demokratie wurde, blieb der Widerstand der Deutschen gegen den Nationalsozialismus auf Druck der Besatzungsmächte lange Zeit ein Tabuthema. Die Alliierten waren auch nach Kriegsende nicht an einem „Nachweis des anderen, besseren Deutschlands“ interessiert. „Sie wollten nicht“, schreibt Gerd Überschär, „dass sich die Überlebenden der NS-Diktatur auf einen deutschen Widerstand berufen könnten.“ Wobei praktisch-psychologische Gesichtspunkte, die sich von dem zentralen Begriff der Kollektivschuld herleiteten, bestimmend waren.

    Teil 1 der Reihe finden Sie hier.

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