Die Querdenker stellen verstärkt die Frage nach der Souveränität Deutschlands und fordern einen Friedensvertrag – Themen, die bisher vor allem bei Randgruppen und rechtsaußen versauerten. Doch nun tanzen die Regenbogenkinder mit den Schwarz-Weiß-Roten gemeinsam um den Freiheitsbaum – und die Party hat erst angefangen. In COMPACT 10/2020 mit dem Titelthema „Das Reich wird Pop“ gehen wir der neuen deutschen Sehnsucht auf den Grund. Jetzt vorbestellen!
Am 30. August schrieb COMPACT-Chefredakteur Jürgen Elsässer in seinem Resümee zur zweiten Querdenker-Demo in Berlin unter Punkt 4:
Das Reich wird Pop: Es war die bekannte wilde Mischung des 1. August: Hippies und Hools sonnig Seite an Seite, Wölfe und Lämmer leben in Frieden miteinander wie in der biblischen Prophezeiung. Regenbogen-, Peace- und Reichsfahnen in Harmonie. Wobei letztere mehr geworden sind! Die Reichsfahne hat sich aus dem sektiererischen Zugriff der diversen Reichsbürger-Grüppchen gelöst und ist eine Art Popsymbol geworden: Wie die Regenbohnenfahne steht sie als Versprechen auf etwas „ganz anderes“ , das Deutschland einmal war, bevor es die aktuelle Schrumpfform BRD gab.
Diese provokante These war Ausgangspunkt der Überlegungen der COMPACT-Redaktion zur Oktober-Ausgabe. Gibt es eine Möglichkeit, dieses neue, unbekümmerte Lebensgefühl in Schwarz, Weiß und Rot zu vermitteln, ohne als verknöcherter Nostalgiker abgestempelt zu werden? Wie lässt sich die neue „Reichs-Pop-Bewegung“ (Jürgen Elsässer) fassen, was macht sie aus – und was unterscheidet sie von der Klientel, die bisher mit solchen Fahnen in Verbindung gebracht wurde? Und überhaupt: Gibt es vielleicht sogar Traditionsstränge, die in eine ganz andere Richtung weisen?
Die Antworten auf diese Fragen und vieles mehr finden Sie in COMPACT 10/2020 mit dem Titelthema „Das Reich wird Pop“. Wir gehen der neuen deutschen Sehnsucht auf den Grund. Für den Mainstream wird dies ein Grund mehr zur Skandalisierung sein. Doch wir haben die besseren Argumente, den besseren Flow – und wir sind unverkrampft! Nachfolgend ein Auszug aus dem Leitartikel von Jürgen Elsässer:
Ein milder Spätsommertag, die Siegessäule im Abendlicht, Göttin Viktoria lässt ihren Lorbeerkranz funkeln, zu ihren Füßen das Volk in all seiner Mannigfaltigkeit… Der 29. August in Berlin war ein großes Freiheitsfest: Wieder waren, wie schon vier Wochen zuvor, Hunderttausende in die Hauptstadt gekommen. Wieder waren Hippies, Esoteriker, Rastafaris und Peace-People gemeinsam mit Patrioten, QAnons und sogenannten Verschwörungstheoretikern unterwegs, eingewebt in die große Mehrheit ganz normaler Bürger, die sich von den Grundrechtseinschränkungen und der Panikmache im Zuge der Corona-Krise bedroht sehen.
Wieder wurden Regenbogen- und Reichsflaggen Seit’ an Seit’ geschwenkt – doch im Vergleich zum 1. August waren Letztere viel mehr geworden. Biedere Männer hatten sie von hinten wie Fußballfahnen um den Hals geschlungen, Kinder trugen sie, eine Frau hatte die Trikolore zum Kleid umgenäht. Zumindest einer der über 50 Veranstaltungswagen war – neben den russischen und amerikanischen – auch mit den Farben des Wilhelminismus geschmückt, und unübersehbar war ein gigantisches Banner mit dem Schriftzug: «Wir rufen den Kaiser!».
Der TV-Öffentlichkeit fiel die verstärkte schwarz-weiß-rote Präsenz freilich erst auf, als solche Fahnen auch auf der Treppe des Bundestages auftauchten – im Zuge eines irren Happenings, das die Massenmedien noch am selben Abend zum Reichstagssturm umlogen. Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang fuhr der heilige Schrecken in die Glieder: «Rechtsextremisten und Reichsbürgern ist es gelungen, einen Resonanzraum zu besetzen, wirkmächtige Bilder zu erzeugen und so das heterogene Protestgeschehen zu instrumentalisieren.» Doch wer die Aufnahmen genauer betrachtete, merkte schnell: Gar so viele Extremisten können bei dem Stürmchen nicht dabei gewesen sein. Dazu waren die Feiernden zu buntscheckig – und der Farben zu viele. Die Kaiserfahne war gut sichtbar, aber wurde überlagert von russischen, amerikanischen und niederländischen, ganz vorne wurde eine große türkische getragen, auch Schwarz-Rot-Gold und die Flaggen verschiedener Bundesländer waren dabei.
Neue deutsche Welle
Die Taz, das heimliche Zentralorgan der Grünen, schlagzeilte am folgenden Montag unter einem Foto des Reichstages: «Ihr kriegt uns hier nicht raus! Das ist unser Haus! Schmeißt doch endlich Hildmann und Kennedy Jr. und Reichsfahnen aus Berlin-Mitte raus!» Die Zeilen sind ein umgemodeltes Zitat eines alten Ton-Steine-Scherben-Hits aus den frühen 1970er Jahren. Die Anarcho-Band machte damals mit dem sogenannten Rauch-Haus-Song Reklame für die linken Hausbesetzer der gleichnamigen Immobilie. Refrain: «Ihr kriegt uns hier nicht raus. Das ist unser Haus! Schmeißt doch endlich Schmidt und Press und Mosch aus Kreuzberg raus!» Die Textumwandlung der Taz macht deutlich, warum die Linke hierzulande so unattraktiv geworden ist: Rief sie früher – bei allen immanenten Blödheiten – immerhin zum Kampf gegen «die da oben» (in diesem Fall gegen Immobilienspekulanten) auf, so heult sie heute zusammen mit dem Regime gegen alle Abweichler und Unangepassten. Selbst Robert Kennedy, dem honorigen JFK-Neffen, wollen Dutschkes Erbschleicher Aufenthaltsverbot im Regierungsviertel erteilen…
Unterschlagen wird dabei auch, dass der erfolgreichste Reichspopper niemand anderes als der einstige Frontmann von Ton Steine Scherben war: Rio Reiser startete nach dem Untergang der Band eine Solokarriere und landete mit «König von Deutschland» 1986 einen Mega-Erfolg, der auch außerhalb der linken Szene zum Partyknaller wurde. Rio I. konnte dabei an die monarchistischen Träume anknüpfen, die schon zuvor in der Neuen Deutschen Welle manifest geworden waren. (…) Ende des Textauszugs.
Die bei den Querdenker-Demos in Berlin geschwenkten schwarz-weiß-roten Flaggen sind nicht Ausdruck von Nostalgie, sondern von Sehnsucht nach einer Zukunft, in der die Deutschen freier, souveräner, demokratischer und selbstbewusster als heute leben können. Wir stellen die neue Reichs-Pop-Bewegung vor!
Lesen Sie dazu in COMPACT 10/2020 mit dem Titelthema «Das Reich wird Pop: Neue deutsche Sehnsucht» folgende Beiträge:
*Das Reich wird Pop: Die Querdenker-Bewegung stellt verstärkt die Frage nach der Souveränität Deutschlands und fordert einen Friedensvertrag – Themen, die bisher vor allem bei Randgruppen und rechtsaußen versauerten. Doch nun tanzen die Regenbogenkinder mit den Schwarz-Weiß-Roten gemeinsam um den Freiheitsbaum – und die Party hat erst angefangen. Jürgen Elsässers Leitartikel zur neuen deutschen Sehnsucht.
*Kein Sturm auf den Reichstag: Am 29. August erklomm ein versprengtes Häuflein die Treppen des Parlaments. Was zu einem demokratiegefährdenden Orkan aufgebauscht wurde, war in Wirklichkeit ein laues Lüftchen. Manfred Kleine-Hartlage zum Putsch der Medien.
*Reich. Pop. Flaggen: Die neue Reichspop-Bewegung ist ebenso vielfältig wie ihre Fahnen. Wir erläutern deren historische Hintergründe. Eine kleine Fahnenkunde.
*Gute Fahne unter falscher Flagge: V-Leute und Schauspieler in Berlin: Während zehntausende Querdenker friedlich demonstrieren, stürzen sich die Medien dankbar auf die Ereignisse am Reichstag. War eine Eskalation staatlich gewollt? Ein Enthüllungs-Report von Marcel Dettmer.
*Ein Traum, der niemals endet: Die Reichsidee blieb auch nach 1945 in Deutschland virulent. Künstler, Politiker und Historiker wollten mit ihr erstarrte Fronten aufbrechen und Alternativen zur Teilung Europas entwickeln. Ein politisch-kultureller Essay von Sven Reuth.
*Arbeitermacht mit Kaiserfahnen: Die Gründer der DDR hatten sich entschieden: Die Flagge der Republik wird Schwarz-Weiß-Rot. Erst wenige Monate vor der Staatsgründung schwenkten sie um. Eine historische Rückschau von Martin Müller-Mertens.
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