Liebe, Kriege und die Hochfinanz: Cyril Moog hat ein faszinierendes Werk über die entscheidende Etappe des 20. Jahrhunderts geschrieben. Ein Muss für Klardenker, Querdenker und Querfrontler. Besonders jetzt herz- und geisterwärmend! Hier bestellen.

    Wer hat noch Zeit zum Lesen? Ich jedenfalls kaum noch, die Arbeit in der COMPACT-Redaktion zwingt mich zur vollen Konzentration. Ab und zu ein Fachbuch, ja. Aber Romane sind Luxus. Vor dem Einschlafen schmökere ich manchmal ein bisschen rum, aber wenn ein Autor mich nicht auf den ersten zehn Seiten fesselt, hat er verloren.

    Cyril Mogg hat die Prüfung bestanden – und mich nicht mehr losgelassen. Die fast 500 Seiten machen süchtig. Wenn Sie Ken Follet gelesen haben, wissen Sie, was ich meine: Der Brite schreibt historische Romane, sein Buch „Sturz der Titanen“ schildert den Ausgang des Ersten Weltkrieges und den Übergang zu einer neuen Zeit voller Unsicherheiten und Umbrüche, aber auch voller Hoffnungen und Leidenschaften. „Der neue Mensch“ hat dasselbe Thema, aber Moog ist besser: Er ist der Romancier der Wahrheitsbewegung, nicht wie Follet der des Establishments.

    Keine Bange: Die politische Qualität entscheidet nicht darüber, ob mich ein  Roman reinzieht. Darüber entscheiden Spannung, Charaktere, Gefühle – und dass der Plot viel verspricht, ohne zu schnell zu viel preiszugeben. Alles das hat Moog drauf. Aber die Vermischung dieser literarischen Qualitäten mit politischer Erkenntnis ist ein Bonus, den man gerne mitnimmt.

    „Der neue Mensch“ ist an der Oberfläche eine große Liebesgeschichte, die von Anna und Heinrich. Sie sympathisiert mit den Linken, ist bei der Münchner Räterepublik dabei, später beim kommunistischen Aufstand in Hamburg. Er schließt sich den Freikorps an, beteiligt sich an der Niederschlagung des roten Zaubers in Bayern und marschiert beim Hitlerputsch mit. Wie können die zwei, auf gegensätzlichen Seiten der Barrikaden, ihre Liebe aus Jugendtagen wiederfinden? Lesen Sie selbst….

    Die Konstruktion des Romans ermöglicht, dass man die beiden Seiten des rot-braunen Weltbürgerkrieges aus nächster Nähe kennenlernen kann. Heinrich trifft neben dem späteren Gröfaz auch Karl Haushofer, Hermann Göring, die Leute der Thule-Gesellschaft. Anna lacht und weint mit Gustav Landauer, Teddy Thälmann, Clara Zetkin. Moog schildert die Protagonisten beider Seiten relativ unparteiisch und macht nachvollziehbar, wie man in der damaligen Zeit links oder rechts werden konnte – ohne deswegen den Extremismus beider Seiten zu teilen.

    Allein dieser „querfrontlerische“ Ansatz hebt das Buch über alle übrigen Romane dieser Zeit  – jedenfalls, soweit ich sie gelesen habe – hinaus, die ja zumeist eine klare ideologische Präferenz erkennen lassen. Hinzu kommen aber zwei weitere außergewöhnliche Stärken: Neben der politischen Vielfalt der chaotischen zwanziger Jahre erleben Anna und Heinrich auch den kulturellen Aufbruch, von Jazz über Charleston bis zu Expressionismus und Kubismus. In Harlem fasziniert sie der Mikrokosmos der schwarzen Clubs – schon damals angetrieben durch afrikanische Identitätsbesinnung, weißen Selbsthass und die Multikulti-Sehnsüchte der Eliten.

    Ganz großartig das Ausleuchten der ökonomischen Hintergründe der politischen Verwerfungen: In Amerika lernen die Liebenden die maßgeblichen Figuren der Hochfinanz kennen, die Gründer der US-Notenbank Federal Reserve (siehe Aufmacherfoto), die sowohl den bolschewistischen Umsturz wie die Nazis finanzierten. Aus den inneren Widersprüchen des kapitalistischen Systems erwächst ein neuer Korporatismus von Big Money und Big Labour, der teils faschistische, teils sozialistische Züge trägt. „Der neue Mensch“, von dem die Eliten fantasieren, ist ein Produkt der Eugenik – der Traum von einer Superrasse, der in den USA schon vor Hitler ausformuliert wurde.

    Moogs Roman endet 1923. Geplant sind zwei Fortsetzungen, ähnlich wie bei Follet. Ein faszinierender Ansatz – unbedingt empfehlenswert!

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