Vor wenigen Tagen berichtete COMPACT-Online über den Schriftsteller Jörg Bernig, der am 20. Mai nach einem Bewerbungsverfahren vom Radebeuler Stadtrat in geheimer Wahl zum Kulturamtsleiter ernannt wurde. Das führte zum Aufschrei linksgrüner Kulturschaffender, weil der Gewählte in der Zeitschrift Sezession über widerständige Sachsen sowie eine Kritik an Merkels Zuwanderungspolitik publiziert habe. Radebeuls Oberbürgermeister Bert Wendsche (CDU) erklärte daraufhin die – demokratisch einwandfreie – Wahl für ungültig. Auch das deutsche Zentrum der internationalen Schriftstellerorganisation PEN, dessen Mitgliedschaft Bernig seit 2005 besitzt, schaltete sich ein.

    Auf der Website schaltete der deutsche PEN eine Grundsatzerklärung frei, in der er „sich mit aller Schärfe gegen nationalistische Bewegungen“ wendet, „insbesondere gegen Positionen, wie sie AfD, Pegida und ähnliche Gruppierungen vertreten. Derartige politische Formationen stehen den Grundüberzeugungen des PEN – Freiheit, Vielfalt, Solidarität – diametral entgegen.“ Die Stellungnahme ist rein assoziativ, auf die Siuation in Radebeul wird dabei nicht konkret eingegangen.
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    COMPACT veröffentlicht an dieser Stelle Bernigs Antwortschreiben an die PEN-Präsidentin, Frau Regula Venske. Darin plädiert der Dichter für Dialog der politischen Alger anstelle von Ausgrenzung:

    Radebeul, den 28. Mai 2020

    Sehr geehrte Frau Venske,

    am 25. Mai erreichte mich über die Medien das „Statement des PEN-Präsidiums zu Jörg Bernig“. Gestatten Sie mir, dass ich mich persönlich an Sie, als die Unterzeichnende, wende.

    Was haben wir erlebt? Auf eine Ausschreibung der Stelle der Kulturamtsleitung in unserer sächsischen Kleinstadt Radebeul habe ich (wie über 50 andere auch) meine Bewerbungsunterlagen samt Ideen und Vorstellungen für kulturelle Vorhaben in unserer Stadt eingereicht. Nach einem sechsmonatigen Auswahlverfahren mit mehreren Vorstellungsgesprächen vor der Verwaltung der Stadt und vor den Stadträten blieben zwei Kandidaten übrig. In einer geheimen Wahl wurde ich am 20. Mai von den Stadträten zum Kulturamtsleiter gewählt. Nota bene: Ich habe mich um die Stelle beworben und bin nicht als ein Kandidat irgendeiner Partei nominiert worden.

    Wegen meiner kritischen Beobachtung und Einlassungen zur Migrationspolitik der Bundesregierung und wegen der von mir kommentierten Rolle weiter Teile der Medien bei der Begleitung dieser Politik gibt es Stimmen der Irritation zu meiner Wahl. Nun handelt es sich bei der erfolgten geheimen Wahl um einen Vorgang auf kommunaler Ebene. Und hier, in einer Kleinstadt, geht es nicht in erster Linie um Parteipolitik und schon gar nicht um Bundespolitik. Linke wie rechte parteipolitische Ausgrenzungen, die auf Bundes- und Landesebene praktiziert wurden, haben auf kommunaler Ebene nie gleichermaßen funktioniert. Auf ihr müssen wir einander begegnen, müssen wir einander annehmen und als Bürger und Bürgerinnen zusammenleben, wenn wir das Gemeinwesen befördern wollen.

    Es geht, sehr geehrte Frau Venske, bei dieser Frage nicht um das PENPräsidium und nicht um die PEN-Charta, der ich mich verbunden und verpflichtet weiß. Es geht um das Gemeinwesen und die Dienste, die das Kulturamt ihm anbietet. Ich sehe die Aufgabe eines Kulturamtsleiters darin, so viel Kultur in seine Stadt zu bringen, wie er nur kann.

    Wir leben in einer schmerzlichen Zeit. Trennung, Spaltung, Riß – das sind gern herangezogene Wörter zur Beschreibung des Zustandes der Gesellschaft. Meine Hoffnung ist, daß wir einander auf dem kulturellen Feld mit Offenheit, Interesse und Anerkennung begegnen und damit der Zerrissenheit unserer Gesellschaft entgegensteuern. Es geht auch darum, was wir den uns Nachfolgenden vorleben und was wir ihnen hinterlassen: nicht wechselseitige Ausgrenzung, sondern die Suche nach Gemeinsamkeiten.

    Um dies hier vor Ort in unserer kleinen Stadt befördern zu helfen, hatte ich mich beworben, die Leitung des Kulturamtes zu übernehmen. Nicht mehr, aber weniger auch nicht.
    Es grüßt Sie
    Jörg Bernig

    (Fortsetzung des Artikels unter dem Werbebanner)

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    Der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Lyriker Bernig fügte dem Schreiben eins seiner Gedichte hinzu:

    terra nova

    und siehe den zug um unsere münder
    wir glaubten den hätten die väter mit sich genommen
    auf ihre große unendliche reise
    und siehe wir murmeln zauberspruch fluch und gebet
    nur nichts renkt sich mehr ein das feuer verlischt unsrer gewißheit
    der bitterkeit rauch beißt in den augen
    und siehe wir haben die wege zu unseren meeren vergessen
    wo wir vorsichtshalber die boote zu wasser gelassen
    obwohl doch die rettenden ufer …

    (aus: Jörg Bernig: reise reise. Gedichte. Edition Buchhaus Loschwitz: Dresden 2018.)

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