Wussten Sie, dass es in Brasilien nicht nur eine große deutsche, sondern auch eine stattliche ukrainische Auswanderer-Community gibt? Darüber berichtet unser Autor im zweiten Teil seines Reiseberichts. In seinem Buch Richtig Auswandern und besser leben gibt Experte Norbert Bartl wertvolle Tipps für einen Neuanfang im Ausland. Hier mehr erfahren.
_ von Johannes Scharf
Fortsetzung von Teil 1.
Nach dem schmackhaften Mahl in der Churrascaria in Ponta Grossa besuchten Newton und ich die in der Nähe befindlichen niederländischen Siedlungen Castrolanda und Carambeí, die aufgrund der Tüchtigkeit der Holländer zu Hochburgen der Milchproduktion geworden sind. So kam auch der Joghurt, den ich auf dem Rückflug nach Deutschland in einem Flugzeug der Airline LATAM aß, aus einer Fabrik in der Avenida dos Pioneiros in Carambeí.
Tags darauf ging es in Newtons altem Fiat, der stotterte und japste, bis hinauf auf den mehrere Autostunden entfernten Hochkamp, der von den Donauschwaben für eine intensive Feldnutzung urbar gemacht worden ist und heute eine Kornkammer des Landes darstellt. Auf fünf Dörfer verteilen sich die „Schwobisch“ sprechenden Deutschen und ihre meist nordbrasilianischen Erntehelfer in Entre Rios.
Auf dem Weg nach Entre Rios waren wir durch die Stadt Prudentópolis gekommen und hatten dort zu Mittag gegessen. Für das Buffet, zu dem es auch Quirera, eine Art Brei, gab, mussten wir nur 14 Reais bezahlen, umgerechnet 2,30 Euro. Die etwa 50.000 Einwohner der Stadt stammen zum größten Teil aus der Ukraine. Im Jahr 1896 kamen von dort die ersten 8.000 Siedler. Der Zuzug von Landsleuten hielt bis in die 1920er Jahre an. Zu Hause spricht man in Prudentópolis Ukrainisch, und die orthodoxen Kirchen der Stadt vermitteln einem trotz der Hitze das Gefühl, man befinde sich irgendwo zwischen Lemberg und Kiew.
Es gefiel uns in Prudentópolis so gut, dass wir beschlossen, auf dem Rückweg dort für die Nacht in einem Hotel abzusteigen. Beim Supermarkt kauften wir uns Zahnbürsten und Zahnpasta sowie eine Flasche Wasser. Die hübschen Kassiererinnen fragten wir, wo in der Stadt der Bär steppe.
Sie empfahlen uns Tuba’s Bar, und als ich mich danach erkundigte, ob sie uns begleiten wollten, sagten sie mit einem schüchternen Lächeln und starkem ukrainischem Akzent, wie mir Newton versicherte: „Nóis não póde.“ Das ist grammatikalisch falsch und soll heißen: „Wir können nicht.“
Dabei streckten sie uns ihre Handrücken entgegen, um uns auf die Eheringe aufmerksam zu machen. Wir mieteten uns für eine Nacht im Burack Hotel ein und hätten in der Pizzeria nebenan gerne eine Pizza gegessen. Pizza gab es nicht. Ich fragte ungläubig nach, ob es denn wenigstens Pasta gebe. Die beiden Kellnerinnen und die Gastronomin schüttelten den Kopf.
„Pierogi?“ Wieder schüttelten sie erst den Kopf, dann sagte die Wirtin allerdings: „Doch, Piroggen können wir machen? Wollt ihr jeder zwölf oder sechs Stück“. „Sechs“ sagte ich und blickte in ein trauriges Gesicht. „Dann gerne zwölf, kein Problem“, verbessere ich mich.
Die alte Frau nickte strahlend und scheuchte ihre Angestellten in die Küche. Es dauert eine ganze Weile, aber dann wurden die leckeren Piroggen in Hackfleischsoße aufgetischt. Wahrscheinlich haben sie die Zutaten erst im Supermarkt kaufen müssen. Nach dem Abendessen ging es auf zwei Bierchen in Tuba’s Bar. Das Bier kommt aus einer Brauerei in Blumenau im Bundesstaat Santa Catarina und trägt den Namen „Eisenbahn“.
Rückkehr nach São Paulo
Nachdem wir am nächsten Morgen ausgecheckt und fürstlich gefrühstückt hatten, ging es zurück nach Ponta Grossa und dann mit dem Bus wieder nach Curitiba, wo mich ein Lokalpolitiker und Parteigänger Bolsonaros interviewen wollte.
Newtons Freund hatte dem Mann erzählt, dass sich ein Anti-Globalist aus Deutschland in Paraná befände. Vier- oder fünfmal mussten wir das Interview von vorne beginnen, weil mein Gesprächspartner mich entweder als Ianonis Krapf vorstellt oder zum Chef-Redakteur von COMPACT beförderte. Ich war froh, als wir die Bilder im Kasten hatten.
Wenige Stunden später saß ich im Nachtbus nach São Paulo. Natürlich landete ich wieder mitten im Ghetto. Dieses Mal war es wohl das Schwarzenviertel der Stadt, denn auf der Straße vor dem Hotel Natal, in dem ich es mir gemütlich gemacht hatte, standen 50 oder 60 Westafrikaner wie bei einer Versammlung. Manche von ihnen grillten auf der Fahrbahn…
Abends kehrte ich eine Straße weiter in eine zum Gehsteig hin offene Lunch-Bude ein, in der sich mir gegenüber am Tresen schon zwei kuriose Gestalten das Abendessen einverleibten. Einer der beiden war ausgesprochen hager, trug eine Augenklappe und hatte ein langes, beinahe bananenförmiges Gesicht.
Der andere war ein rotbrauner Mestize mit verwegenen Gesichtszügen. Um den kräftigen Hals trug er eine dicke Kette aus Edelmetall, am Handgelenk funkelte eine goldene Armbanduhr und am Ringfinger der rechten Hand steckte ein auffälliger Siegelring. Auf dem Kopf trug er nach Art der Korsaren ein Tuch.
Nachdem ich mit Händen und Füßen bestellt hatte, sah ich vor dem Imbiss einen Schutzmann mit gezogener Waffe vorbeischleichen. Keine zwei Minuten später lief derselbe Polizist in entgegengesetzter Richtung an mir vorbei und trieb unter vorgehaltener Waffe einen bronzefarbenen Delinquenten vor sich her. Den Hals des mutmaßlichen Verbrechers zierte eine Tätowierung in Form eines Dollar-Zeichens.
Ich zog unter dem Tresen 20 Reais aus der Socke und bezahlte meinen Cheeseburger. Im Hotelzimmer wartete dieses Mal nur eine Kakerlake, die sich schnell unter dem Bett verkroch. Ich spielte mit dem Gedanken, sie umzubringen, aber in einer pazifistischen Regung vergaß ich die Mordgelüste, ließ mich aufs Bett fallen und schlief ein.
_ Johannes Scharf (*1988) ist Deutsch-Amerikaner, stammt aus Richmond/Virginia und wuchs am Bodensee auf. In COMPACT-Magazin veröffentlicht der studierte Historiker und Buchautor regelmäßig Reisereportagen aus aller Welt.
Impf-Zwang, Corona-Terror, hohe Steuern, sinnlose Vorschriften, Orwell’sche Überwachung und Bürokratie treiben immer mehr Deutsche aus ihrem Land. Waren es im Jahr 2000 noch 150.000, steigerte sich ihre Zahl unter Merkel auf 260.000, Tendenz steigend. Für alle, die ebenfalls mit diesem Gedanken spielen, gibt Norbert Bartl in seinem Buch Richtig Auswandern und besser leben wichtige Tipps. Mehr Infos und die Möglichkeit zur Bestellung finden Sie hier.