Anfangs skeptisch, fanden Goethe und Schiller 1790 zueinander. Daraus erwuchsen eine lebenslange fruchtbare Freundschaft sowie zahllose Perlen deutscher Poesie. Mehr über die Weimarer Klassik lesen in dem Prachtband „Die Schönheit unserer deutschen Kultur. Unser Erbe, unser Stolz. Hier mehr erfahren.

    Da steht ein Geschichtsprofessor neben einem Staatsminister und reicht ihm die Hand. Geht es noch langweiliger? Muss man ihnen dafür auch noch ein Denkmal errichten? Heutzutage, da anonymes Mittelmaß allerorten dominiert, sicher nicht. Doch vor mehr als 200 Jahren fanden, verehrten, stritten und versöhnten sich zwei deutsche Geister, wie es die Geschichte unserer abendländischen Kultur niemals zuvor, nie danach mehr aufzuweisen vermag.

    Anna Amalias Musenhof

    Weimar, das idyllische Städtchen an der Ilm, erlebte Mitte des 18. Jahrhunderts eine kulturelle Blüte ohnegleichen. Getreu der Devise «Cherchez la femme» war das vor allem einer Dame zu verdanken – Anna Amalia. Die geborene Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel hatte 1756 Herzog Ernst August II. von Sachsen-Weimar geheiratet, der schon mit 21 Jahren starb.

    Als junge Witwe versammelte Anna Amalia auf ihrem Schloss Ettersberg zahlreiche Geistesgrößen wie etwa Christoph Martin Wieland, den sie zum Prinzenerzieher ernannte, Johann Gottfried Herder oder Johann Karl August Musäus. Die Herzogin regierte nicht nur das Land für ihren minderjährigen Sohn Karl August, sie dichtete, komponierte, beherrschte mehrere Fremdsprachen und leistete sich eine Bibliothek von mehr als 5.000 Bänden.

    Wobei sie großen Wert auf die deutsche Literatur legte und überhaupt an ihrem Hof eine Besinnung auf deutsche Sprache und Tradition üblich wurde. «Erhabenes verehrend, Schönes genießend, Gutes wirkend», heißt es auf ihrer Grabinschrift. Gekrönt wurde der Weimarer Musenhof vom 26-jährigen Johann Wolfgang von Goethe, der Ende 1775 auf Wunsch des regierenden Herzogs Karl August nach Thüringen kam.

    Schon ein Jahr später ernannte er den Dichter zum Geheimen Legationsrat mit einem vielfältigen Aufgabengebiet, dar unter die Direktion des Berg- und Wegebaus, die Leitung von Finanzverwaltung und Kriegskommission. Goethe, der 1791 auch noch Chef des Hoftheaters wurde, bekleidete de facto den Posten eines Ministerpräsidenten.

    Seit 1782 als Mieter im bekannten Haus am Frauenplan, wurde er acht Jahre später von Karl August mit diesem Gebäude beschenkt, das dem Dichter bis zu seinem Tod als Wohn- und Arbeitsdomizil diente.

    Die Geburt der Weimarer Klassik

    Während der Rückkehr von seiner Italienreise lernte Goethe 1788 in Rudolstadt einen zehn Jahre jüngeren Literaten namens Friedrich Schiller kennen. Die beiden fanden zunächst nur wenig Gefallen aneinander. Das änderte sich, als Schiller (er verdiente sein Geld nicht vorrangig als Dichter, sondern als Historiker) 1789 eine Professur an der zu Sachsen-Weimar gehörenden Universität Jena bekleidete. Von hier schrieb er an Goethe:

    «Lange schon habe ich, obgleich aus ziemlicher Ferne, dem Gang Ihres Geistes zugesehen, und den Weg, den Sie sich vorgezeichnet haben, mit immer erneuerter Bewunderung bemerkt.»

    Daraufhin wurde er nach Weimar eingeladen und wohnte einige Wochen bei Goethe. Eine Freundschaft nicht ohne Ecken und Kanten sowie die Weimarer Klassik waren geboren.
    Noch während Schiller an seiner Wallenstein-Trilogie arbeitete, veröffentlichten die beiden im sogenannten Balladenjahr 1797 klassische Vers-Epen, die zumindest bis vor Kurzem noch zum Wissensschatz des Bildungsbürgers zählten:

    Goethes «Zauberlehrling» und «Die Braut von Korinth», Schillers «Ring des Polykrates», «Die Kraniche des Ibykus», «Der Handschuh» und «Der Taucher». Nachdem Schiller 1799 endgültig nach Weimar umgezogen war, gab das Dichterpaar Literaturzeitschriften heraus wie den Musenalmanach und Die Horen.

    Auch ihre Xenien erschienen in dieser Zeit. Korrekt übersetzt bedeutet das Wort Gastgeschenke. Tatsächlich übten Schiller und Goethe mit ihren über 400 Epigrammen mehr oder minder deutliche Kritik am politischen und literarischen Betrieb ihrer Zeit. «Wir haben uns vereinigt, in den diesjährigen Almanach mehrere Balladen zu geben und uns bei dieser Arbeit über Stoff und Behandlung dieser Dichtungsart selbst aufzuklären», hieß es in der Eröffnungsschrift.

    Xenie Nr. 95 widmet sich dem Deutschen Reich und stellt durchaus gegenwärtig wirkend fest:

    «Deutschland? Aber wo liegt es? Ich weiß das Land nicht zu finden, Wo das gelehrte beginnt, hört das politische auf.»

    Während Goethe sich mit seinem Faust-Fragment herumplagte, vollendete Schiller in Weimar
    mit geradezu unglaublicher Produktivität seine Dramen Maria Stuart, die Jungfrau von Orleans, Wilhelm Tell sowie das «Lied von der Glocke». Der Tod Friedrich Schillers im Mai 1805 traf den selbst heftig erkrankten Goethe schwer.

    Er habe durch diesen Verlust «die Hälfte meines Daseins verloren» bekannte er und schrieb die Verse:

    «Seine durchwachten Nächte haben unsere Tage gehellt.»

    chiller war um einiges größer
    gewachsen als Goethe – aus dieser
    Perspektive wird es deutlich. Foto:
    Takashi Images / Shutterstock.com

    1827 wurden Schillers Gebeine in der Fürstengruft auf dem Historischen Friedhof im Südwesten von Weimar beigesetzt. Goethe ruht hier seit 1832. Zum 100. Geburtstag von Herzog Karl August sollte 1857 ein besonderes Geschenk auf dem Theaterplatz entstehen, das Doppelstandbild der beiden Dichterfreunde. Dieses Meisterwerk sollte der Dresdener Bildhauer Ernst Rietschel schaffen.

    Als Schüler des großen Christian Daniel Rauch legte er großen Wert darauf, die dargestellten Personen nicht in römischen Togen oder im altgriechischen Chiton zu modellieren, sondern im zeitgenössischen Gewand. In einer Hinsicht musste Rietschel freilich ein wenig mogeln. Goethe war, wie wir aus Skelettfunden wissen, nur 1,61 Meter groß, während Schiller ein Gardemaß von etwa 1,85 Meter aufwies. Das hätte bei einem Denkmal denkbar unharmonisch gewirkt.

    Also stellte der Bildhauer sie etwa gleich groß dar. Er wollte «in Goethe die selbstbewusste und klare Weltanschauung in möglichst ruhiger und fester Haltung sowie Schillers kühnen, strebenden, idealen Geist durch mehr vorstrebende Bewegung und etwas gehobenen Blick» charakterisieren. Sein Denkmal zeigt die Dioskuren nebeneinanderstehend.

    Goethe, von kräftigem Habitus und im höfischen Überrock, lehnt an einem Eichenstamm; seine linke Hand umfasst die Schulter Schillers, während er ihm den Lorbeerkranz der Poesie und
    des Ruhms reicht. Schiller, als schlanker jugendlicher Heros mit Reitermantel und offener Weste, hält in seiner Linken eine Schriftrolle, während die Rechte eher zögernd nach dem Kranz greift. Doch seltsam: Die beiden schauen sich nicht an, ja sie blicken nicht einmal in dieselbe Richtung. Das soll sicher ein Zeichen dafür sein, dass die Herren keineswegs immer derselben Meinung waren.

    Die Bronze für das Standbild stiftete der abgedankte König Ludwig I. von Bayern; es stammt aus dem Material türkischer Kanonen, die 150 Jahre zuvor von bayerischen Truppen auf dem Balkan erobert wurden. Der Großherzog Friedrich von Baden wiederum bezahlte den Granitsockel mit der Inschrift «Dem Dichterpaar Goethe und Schiller – das Vaterland.» So erhob sich das Denkmal vor dem Weimarer Hoftheater als Sinnbild für die Wirkungsmacht der deutschen Kultur.

    Nach dem Untergang des Kaiserreiches tagte die deutsche Nationalversammlung, ein Vorläufer des Reichstages, weit entfernt vom revolutionären Berlin an diesem Ort. Um der Angelegenheit die nötige republikanische Würze zu verleihen, wurde das altehrwürdige Hoftheater 1919 in Deutsches Nationaltheater umbenannt – ein recht doppeldeutiger Begriff.

    Ein echtes Meisterwerk: In seinem Bildband „Die Schönheit unserer deutschen Kultur“ präsentiert Eduard Klaus bedeutende Kunstwerke, historische Ereignisse und Persönlichkeiten von der Germanenzeit bis zur Gegenwart. Mit 112 farbigen, eigens für dieses Buch geschaffenen Künstler-Collagen und Lesebändchen. Festeinband mit Fadenheftung im Atlas-Großformat. Hier bestellen.

    10 Kommentare

    1. "… «Deutschland? Aber wo liegt es? Ich weiß das Land nicht zu finden, Wo das gelehrte beginnt, hört das politische auf.» …"

      Deutschland ist das mehrschichtig durch Raum und Zeit fließende Gewebe des Schönen/Hohen/Guten/Heiligen aus Heimat, Volk und Nation: Eine Sehnsucht nach einem weiten, tiefen Land das gleichzeitig in Vergangenheit und Zukunft hin und her die Leidenschaften des Gegenwärtigen zum Erschaffen und Wandern dessen anregt. Es ist Ausdruck hochstehenden Geistes der Göttlichen Ordnung des Universums, das schöpferisch Tätige das Bewusstsein ist.

    2. Eine Anekdote aus dieser Zeit:
      Goethe wollte einmal Schiller besuchen. Die Tür war offen, aber Schiller nicht zu Hause.
      Goethe sah sich in der Wohnung um und entdeckte einen Zettel von Schiller, auf dem dieser etwas zu dichten angefangen hatte:
      ,,Er saß auf ihres Bettes Rand und spielt mit ihren Flechten"…
      Goethe griff kurz entschlossen zu einem Stift und ergänzte:
      ,,das tat er mit der linken Hand, was tat er mit der Rechten…?"

      Das Gesicht von Schiller hätte ich gern später gesehen…

    3. Das Weimar der Goethe-Schiller-Humboldt-Zeit wird wohl einer der Höhepunkte und ewigen Quellen deutscher Kultur sein.

      Eine unbearbeitete (!) Neuauflage – am besten durch Compact – verdient auch "Der ewige Brunnen" von Ludwig Reiners aus den 1950er Jahren, eine Sammlung deutscher Gedichte aus vielen Jahrhunderten.

    4. Na ja, "Geistesheroen " ist wohl ein wenig dick aufgetragen. Dazu waren sie viel zu beliebt, Geist wird bei der Masse nicht geschätzt.
      Und die deutsche Dekadenz hatte zu ihrer Zeit längst begonnen. Wie immer fing der Fisch zuerst am Kopf zu stinken an, der formal noch katholische Leopold II. von Österreich z.B. beraubte die Klöster um ihr Eigentum und vertrieb die Mönche.

      • Ahm … WIE genau ist eige tlich die allerkatholis hste Kirche zu dem gekommen, was sie ihr Eigentum zu nennen pflegt? Ach ja richtig … durch Spenden wohlmeine der Goenner und … mildtaetige Werke.

    5. jeder hasst die Antifa am

      Stellt euch vor es hätte damals schon den Genderscheiß gegeben,was für ein Schrott wäre aus der deutschen Dichtkunst und Literatur geworden und wir müssten nur noch wertvolle Bücher von Habeck und Bärbock lesen.

      • Ihre Vorstellung reicht nicht weit genug den daraus resultierenden Niedergang zu erfassen: Es gebe kein Heute/Gegenwärtiges für Deutschlands Volk. Wir würden hier nicht schreiben. Wir würden überhaupt nicht existieren.

    6. Th.Stahlberg am

      Schönes Feature. Das Geschichtsheft sollte endlich eine Nachauflage erfahren. Wollte es schon lange kaufen.