Höcke und Chrupalla halten dagegen und loben den „Tag der Freiheit“. AfD in der Corona-Frage in zwei Teile gespalten.
Wollte die AfD nicht mal Volkspartei werden? Parteichef Jörg Meuthen betreibt das Gegenteil: den Untergang der AfD. Anders ist nicht zu erklären, warum er in einer wütenden Tirade über die sogenannten Verschwörungstheoretiker herfällt, ohne die der „Tag der Freiheit“ am 1. August unmöglich gewesen wäre – immerhin die größte Demonstration in Deutschland zumindest seit 30 Jahren. Wie kann eine prospektive Volkspartei sich so demagogisch gegen eine neue Volksbewegung richten?
Meuthen schreibt wörtlich auf Facebook:
„Liebe Leser, der Zustand unseres Landes, ganz konkret die Art der Auseinandersetzung in der Frage des richtigen Umgangs mit dem Coronavirus, gibt Anlass zu tiefer Sorge. Die ungeheure Polarisierung, die bereits in den letzten Wochen an allgegenwärtigen Schuldzuweisungen spürbar war, steigerte sich am vergangenen Wochenende zu einem (zumindest vorläufigen, hoffentlich aber endgültigen) unerfreulichen Höhepunkt. Der Auslöser war die allseits bekannte Demonstration in Berlin gegen die teilweise drastischen Maßnahmen zur Beschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte aufgrund der Corona-Pandemie. Und bereits hier, beim Begriff der Corona-Pandemie, geht die Auseinandersetzung los: Von dieser Seite der Polarisierung ist nämlich mitunter sogar zu hören, dass es überhaupt kein Coronavirus gebe, sondern dass dies vielmehr eine Erfindung der Regierenden sei, um die Bürger in ihren Rechten einzuschränken. Wo bleibt hier die Vernunft? Sind diese Menschen nicht willens oder in der Lage zu einer kleinen Plausibilitätsüberlegung, die ungefähr wie folgt lauten könnte: ‚Ist es tatsächlich denkbar, dass rund um den Globus Regierungen gänzlich unterschiedlicher Couleur, von Demokraten bis Diktatoren, zum gleichen Zeitpunkt gleichgerichtete Maßnahmen und unter dem gleichen ,Deckmantel‘ ergreifen, um ihre Bürger willkürlich einzuschränken? Kann es sein, dass sich China, die USA, der finster regierte Iran und zugleich sein demokratischer „Todfeind“ Israel, auch Deutschland und so viele andere Länder zu einem solchen Weltkomplott gegen die jeweils eigenen Bürger verabredet haben?‘ Mit Verlaub, aber jeder, der diese Plausibilitätskontrolle allen Ernstes bejaht, sollte tatsächlich besser seinen Geisteszustand überprüfen lassen, anstatt in der Öffentlichkeit das Wort zu ergreifen – und sei es nur, um Journalisten krude Thesen in die bereitwillig hingehaltenen Notizblöcke zu diktieren.“
Im weiteren Verlauf seines Textes fordert Meuthen dazu auf, dass zwar nicht die sogenannten Verschwörungstheoretiker, wohl aber die Kritiker an den Notstandsmaßnahmen „ernst genommen werden“ müssten – stellt sich aber inhaltlich noch nicht einmal auf deren Seite, sondern verlangt nur im Hausmeisterstil:
„Wer für seine Freiheitsrechte und gegen Maßnahmen der Regierung demonstrieren will, der soll dies tun, unter Einhaltung der Regeln – zugleich möge er nicht so tun, als stünde das ganze Volk hinter ihm.“
Fazit: Meuthen will die eine Hälfte der Demonstranten auf ihren „Geisteszustand überprüfen lassen“, der anderen Hälfte erlaubt er gnädig, „unter Einhaltung der Regeln“ zu demonstrieren. Das ist die Position des Regimes und der angeschlossenen Altparteien und hat keine Spurenelemente von Opposition mehr. Eine Oppositionspartei, die einen solchen Mann an ihrer Spitze duldet, ist rettungslos verloren. Meuthen ist der Totengräber der AfD.
Nach offensichtlich starkem Widerstand auch aus den eigenen Reihen hat Meuthen heute Nachmittag eine vermeintliche Klarstellung hinterhergeschoben: „Es liegt mir völlig fern, die Demonstration als solche als ‚unerfreulich‘ zu bezeichnen. Im Gegenteil: Es ist gut und richtig, dass Bürger ihren Widerstand gegen diese Regierung, insbesondere gegen deren mittlerweile überzogene Corona-Maßnahmen, auch auf diese Weise zum Ausdruck bringen.“ Das ist ein rein kosmetisches Zurückrudern, das ebenfalls im Hausmeisterstil verfasst ist: Den Bürgern ist gnädig erlaubt, ihren Widerstand zum Ausdruck zu bringen – aber von Solidarität der AfD mit den Demonstranten: keine Spur.
Erfreulicher hingegen die Stellungnahmen vom Co-Parteivorsitzenden Tino Chrupalla, der im ARD-Morgenmagazin gesagt hat:
„Wenn man diese Bilder gesehen hat, ist es lobenswert, dass so viele Menschen auf den Straßen Berlins unterwegs waren und für ihre Grundrechte demonstriert haben.“
Er ist der am heißesten diskutierte Politiker in Deutschland – und gilt vor allem im Osten für viele als Hoffnungsträger für eine politische Wende. Altparteien und Leitmedien dagegen verteufeln ihn als neuen Hitler und sehen den nächsten Neuwahlen in Thüringen mit Sorge entgegen: In den neuen Bundesländern ist die AfD zur stärksten Partei aufgestiegen – mit Höcke als bekanntestem Zugpferd. Bilden Sie sich jetzt Ihre eigene Meinung über diesen Mann. COMPACT-Edition dokumentiert die wichtigsten Reden und Interviews, die Denkanstöße und Tabubrüche des Thüringers aus den letzten Jahren. Sprach er wirklich abwertend von einem „Mahnmal der Schande“? Wie denkt er über Afrikaner? Will er eine „ethnische Säuberung“ der Bevölkerung? Bereitet er in der AfD einen Putsch zur „Machtergreifung“ vor? Hier bestellen.
Noch deutlicher das Lob von Björn Höcke in einem Facebook-Video:
„Liebe Freunde, liebe Zuschauer, ich möchte an dieser Stelle einfach Danke sagen. danke an die vielen tausenden Teilnehmer der gestrigen Berliner Demonstration. Wie haben ein großartiges und nachhallendes Zeichen der Freiheit gesetzt. (…) Es geht um die Freiheit, es geht um die Bewahrung der Freiheit, denn die Freiheit in diesem Land, in Deutschland, ist gefährdet, das wissen wir. Liebe Freunde, liebe Zuschauer, ich habe das Gefühl, dass unser Land, unsere Gesellschaft, unser Volk in einem künstlichen Spannungszustand gehalten wird. Dass wir aufeinander gehetzt werden. Dass wir bewusst polarisiert werden. Und auch das haben die Berliner Demonstranten gezeigt, dass wir eins sind, dass wir zusammen gehören, dass wir Einheit wollen, dass die Polarisierung beendet werden muss. Und das ist die wichtigste Lehre aus diesser Demonstration, aus diesem Tag von Berlin. Wir gehören alle zusammen und wir wollen alle gemeinsam eine gute freie und selbstbestimmte Zukunft in Deutschland haben. Nochmal danke an alle Kämpfer für die Freiheit.“
Die Wirkung der Stellungnahmen von Chrupalla und Höcke wäre freilich stärker gewesen, wenn die beiden sich auch am 1. August auf der Demo gezeigt hätten. Aber vielleicht sind sie ja beim nächsten Mal dabei.