Das Meisterwerk von Fritz Lang bleibt auch fast 100 Jahre nach seiner Entstehung eine treffende Beschreibung der Massengesellschaft und ihrer Abgründe. Der Regisseur war ein sozial eingestellter Patriot – und wird genau deswegen bis heute von links angefeindet.

    _ von Federico Bischoff und Daniell Pföhringer

    Die Wolkenkratzerästhetik von «Metropolis» wirkt bis heute stilbildend für Science-Fiction-Filme.
    Foto: Moviestore Collection Ltd / Alamy Stock Photo

    Metropolis war einer der teuersten Filme aller Zeiten – und prägt das Science-Fiction-Kino bis heute. Zitate seiner Wolkenkratzerkulissen und Kostüme tauchen immer wieder auf der Leinwand auf – von Blade Runner bis Das fünfte Element.

    Der heutige Zuschauer fühlt sich an futuristische Projektionen aus der Gegenwart erinnert: Eine Megacity mit in den Himmel krakenden Riesentürmen. Ausgebeutete Billigjobber als bloßes Maschinenfutter im lichtlosen Untergrund. Ein Android, der sich in eine lüsterne Frau verwandelt. Wassermassen, die über Fabrikhallen hereinbrechen.

    Die Dystopie braucht bei Fritz Lang keine Aliens, keinen Godzilla, keinen Klimawandel – sie wird aus den Widersprüchen des Kapitalismus selbst geboren, und die haben sich in den vergangenen 100 Jahren kaum verändert.

    Dass die Produktion nach der Premiere am 10. Januar 1927 grandios floppte, tat ihrer historischen Tiefenwirkung keinen Abbruch, denn sie fand zumindest zwei prominente Fans. «Er sagte mir», so Fritz Lang 1941 über ein Gespräch mit Joseph Goebbels, dass «er und der Führer vor vielen Jahren meinen Metropolis in einer kleinen Stadt gesehen hätten und Hitler damals gesagt habe, dass ich die Nazifilme machen sollte».

    Dazu kam es bekanntlich nicht: Lang, für die NSDAP ein Halbjude, emigrierte 1933 in die USA und stellte seine Künste dann in den Dienst von God’s Own Country. Dass er in den 1950er Jahren in die antikommunistische Hexenjagd der McCarthy-Ausschüsse geriet, hat ihn vor dem antifaschistischen Furor der Neuen Linken nicht bewahrt. «Aus heutiger Sicht muss (…) Metropolis zumindest als tendenziell faschistisch eingestuft werden», urteilte Die Zeit bereits 1985 kategorisch.

    «Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein». Metropolis-Motto

    Referenzgröße für dieses und ähnliche Verdikte ist der Filmkritiker Siegfried Kracauer, der 1947 in seiner Studie Von Caligari zu Hitler den Nazismus schon vor 1933 in deutschen Unterhaltungsfilmen aufgespürt haben wollte. In Metropolis verdammte er vor allem das «Ornament der Masse», das von Lang durch geometrisch choreografierte Aufmärsche inszeniert wurde, da darin das Individuum untergehe. Man fragt sich spontan: Speist sich dieses Urteil aus dem Respekt vor dem Einzelnen – oder aus der Verachtung der Massen? Doch betrachten wir zunächst die Handlung des Films.

    Hirn, Hand und Herz

    Das Regiment in Metropolis führt der Industrielle Joh Fredersen, gespielt von dem Charaktermimen Alfred Abel, der von seinem «neuen Turm Babel» aus alles überwacht und Direktiven erteilt. In der Stadt gibt es zwei Uhrzeiten: Für die Arbeiter ist der Tag in 20 Stunden aufgeteilt (die Hälfte davon herrscht Arbeitspflicht), während die Oberschicht 24 hat.

    Freder Fredersen, der Sohn des Alleinherrschers, dargestellt von Gustav Fröhlich, verliebt sich in eine junge Frau aus der Unterstadt, die zauberhaft schöne Maria (Brigitte Helm), als diese in Begleitung einer Kinderschar in den prachtvollen «Ewigen Gärten» der Oberschicht auftaucht, um den Kleinen zu zeigen, wie man über der Erde lebt. Um sie wiederzusehen, geht Freder hinab in die Unterstadt und ist entsetzt über die Zustände, die sich ihm bieten.

    Brigitte Helm wird hinter den Kulissen auf ihren Robotereinsatz vorbereitet. Foto: picture alliance / Photoshot

    Die gütige und warmherzige Maria hat einen antagonistischen Wiedergänger in der Roboter-Maria, die von dunklen Trieben – Eifersucht, Hass und Betrug – gezeichnet ist. Während sich das fleischliche Weib liebevoll um ihre Mitmenschen kümmert, den geschundenen Arbeitern Trost spendet und zu ihnen in einem von Kreuzen geschmückten Altarraum predigt, stachelt ihr stählernes Gegenbild die Geknechteten zur Revolte auf: Um den Herrschenden einen Vorwand zu geben, mit aller Härte gegen die Aufständischen vorzugehen und mit blankem Terror zu regieren.

    Es kommt, wie es kommen muss: Nachdem sich die Proletarier auf dem Hauptplatz der Unterstadt versammelt haben und unter Führung der Roboterin die große Halle erstürmt und deren Zentrum, die Herz-Maschine, zerstört haben, droht alles im Chaos unterzugehen, was den Arbeitern letztendlich ebenfalls ihre Existenzgrundlage entziehen würde.

    Ufa-Kino am Nollendorfplatz mit Metropolis-Werbung (1927). Foto: Postkarte, Autor unbekannt

    Am Ende setzt sich auf beiden Seiten jedoch die Einsicht durch, dass eine Zukunft – eine neue Ordnung – nur gemeinsam möglich ist. Die Liebe zwischen dem Oligarchensohn Freder Fredersen und der Arbeitertochter Maria obsiegt – und symbolisiert somit die Lehre, die Lang mit seinem Film vermitteln wollte. Einleitend und auch abschließend sieht der Zuschauer auf der Leinwand den Sinnspruch: «Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein.»

    Der Klassenkompromiss

    Negativfiguren des Epos sind zweifellos die Roboterfrau und ihr Konstrukteur, der irre Wissenschaftler Rotwang. Sie agiert als sein Agent Provocateur auf beiden Seiten: Mit ihrem programmierten Sex-Appeal feuert sie die reiche Elite zu Swing und Dekadenz an, gleichzeitig ruft sie die Proleten mit klassenkämpferischer Demagogie zum Maschinensturm auf.

    Das glückliche Ende, in dem sich die Antagonisten die Hand reichen, signalisiert das Scheitern dieser Strategie – den Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit. Langs Ehefrau Thea von Harbou, die das Drehbuch schrieb, bekannte in ihrem Roman zum Film: «Dieses Buch dient keiner Tendenz, keiner Klasse, keiner Partei.» Kracauer kommentierte in Von Caligari zu Hitler, dieser Satz könnte auch «ohne Weiteres von Goebbels stammen».

    Fritz Lang und Thea von Harbou in ihrer Berliner Wohnung, 1923 oder 1924. Foto: Waldemar Titzenthaler.

    In Kracauers Diktum ist das ganze Elend eines Antifaschismus konzentriert, der unter dem Einfluss der amerikanisierten Frankfurter Schule seine soziale Basis verraten hat. Wie Pawlowsche Hunde schnappen diese Meisterdenker nach jedem Gedankenfetzen, der sich auch bei Nazis finden lassen könnte, und speicheln ihn braun ein.

    So wird auch die Idee eines friedlichen Ausgleichs zwischen den Klassen auf diese Weise als faschistisch gebrandmarkt, obwohl sie – für viel längere geschichtliche Perioden – Kernelement auch ganzer anderer Gesellschaften war. Erste Überlegungen finden sich bereits bei Friedrich dem Großen, zur Reife gelangten sie in der Bismarck’schen Sozialgesetzgebung, schließlich in der sozialen Marktwirtschaft von Konrad Adenauer und Ludwig Erhard.

    Aber auch Titos Arbeiterselbstverwaltung, das schwedische Modell von Olof Palme und Nehru mit seinem Dritten Weg versuchten, Sozialismus und Kapitalismus zu versöhnen. Dass die einst kommunistischen Staaten Russland und China heute das wirtschaftliche Elend überwunden haben, verdanken sie der vom Staat moderierten Zulassung des freien Unternehmertums, das zur Bildung einer wachsenden Mittelschicht führte.

    «Patriotischer als ein deutschnationaler Junker». Willy Fritsch über Fritz Lang

    Alle diese Modelle unter dem Propagandaetikett faschistoid, präfaschistisch oder protofaschistisch zu subsummieren, ergibt nur aus einer einzigen Perspektive Sinn: der des angloamerikanischen Wildwestkapitalismus. Mit seiner Hire-and-Fire-Mentalität hat er in den davon befallenen Ländern tatsächlich zu den industriellen Kloaken inmitten glitzernder Glasfassaden geführt, die Metropolis so eindrücklich vor Augen führt.

    Umgekehrt bringt auch der rohe bolschewistische Amok gegen diese Zustände nichts. Wo er sich durchgesetzt hat, wie im Oktober 1917 in Petrograd und Moskau, konnte das nur mit Finanzmitteln der Wall Street gelingen – war also von den Kräften gesteuert, die er zu bekämpfen vorgab. Meist scheiterte der rote Furor aber und bot den Eliten damit nur den Vorwand, ihre Unterdrückung weiter zu verstärken. Der notwendige Widerstand gegen kapitalistische Willkür muss deswegen immer einen Kompromiss im Auge haben, der Land und Leute rettet. Das hat Fritz Lang kapiert – und auch noch ergreifend in Szene gesetzt.

    Filme für das Volk

    Über Langs Patriotismus gibt der Schauspieler Willy Fritsch in seinen Erinnerungen Auskunft: Der Regisseur sei «patriotischer als ein deutschnationaler Junker» gewesen, bevor er von den Nazis ins Exil getrieben wurde. «Als er einmal erfuhr, dass ich einen Cadillac fuhr, bekam er einen Tobsuchtsanfall. Fritz Lang war der Ansicht, dass es die Pflicht eines jeden guten Deutschen war, einen Mercedes zu fahren.»

    «Blade Runner» zitiert «Metropolis», hat aber kein Happy End. Foto: Warner Bros. Entertainment

    Von dieser Einstellung Langs zeugt auch ein anderes Meisterwerk, sein Stummfilm Die Nibelungen aus dem Jahr 1924. «Nach der Niederlage des Ersten Weltkrieges wollte ich den Deutschen dadurch, dass ich ihre berühmte Sage verfilmte, wieder ein gewisses Nationalbewusstsein zurückgeben», erläuterte er sein Motiv.
    Der linke Schmäh gegen Metropolis zeigt übrigens auch, warum die selbst ernannten Antifaschisten in ihrer Überheblichkeit beim Volk nicht ankommen.

    Als Goebbels kurz nach seiner Ernennung zum Propagandaminister am 28. März 1933 zu einem Bierabend im Kaiserhof lud, ließ er sich zunächst in typischem NS-Großsprech über die neue Filmpolitik aus. Dann nannte er aber unter den Meisterwerken, die für ihn vorbildlich seien, neben Langs Nibelungen auch Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin. Es sei nämlich nicht wichtig, von früh bis spät «in Gesinnung zu machen», vielmehr solle gelten: «Man muss ein Kind dieses Volkes sein.» Diese Grunddisposition ist auch in demokratischen Zeiten nicht falsch.

    2 Kommentare

    1. Alcazar de Fascismo am

      Natürlich kann es dort, wo das Kapital die Macht hat , wie in der BRD, keinen "friedlichen Ausgleich" mit dem Kapital geben. Dessen Macht muß gebrochen werden und das geht nicht friedlich ab. Ob man dann nach 30-40 Jahren Sozialismus und Planwirtschaft wieder Unternehmer und deren Umtriebe kontrolliert zuläßt, wird man sehen, muß nicht ex ante entschieden werden, bevor man die Parasiten überhaupt beseitigt hat. Man frage mal die Russkis, ob sie jetzt im Turbokapitalismus glücklich sind.

    2. Otto (der Echte) am

      "Es sei nämlich nicht wichtig, von früh bis spät «in Gesinnung zu machen», vielmehr solle gelten: «Man muss ein Kind dieses Volkes sein.» Diese Grunddisposition ist auch in demokratischen Zeiten nicht falsch."

      D-d-d-d-er … hat … NEGER gesagt!!!!!!