Das angebliche Trump-Orakel Q geistert momentan durch alle Medien. In seiner aktuellen Ausgabe hat der Spiegel QAnon sogar zum Titelthema gemacht. Doch der Bericht ist einseitig und lässt wesentliche Fakten außen vor.

    Folge dem weißen Kaninchen: Die Zahl der Anhänger von QAnon wächst weltweit. Laut Voraussage des mysteriösen Trump-Orakels steht das Waterloo der dunklen Mächte kurz bevor. Foto: Nikita Goel

    Wer oder was ist Q? Das weiß eigentlich niemand so genau. Seine Anhänger – die sogenannten QAnons – glauben, dass es sich bei dem Stichwortgeber im Internet um jemanden aus dem direkten Umfeld von US-Präsident Donald Trump handle, möglicherweise sogar um einen Geheimdienstmitarbeiter. Mit der Namensgebung „Q clearance patriot“ deutete er in seinen ersten Posts Ende 2017 auf dem Imageboard 4Chan an, er habe eine offizielle Sicherheitsfreigabe der Stufe Q, die etwa den Zugang zu streng geheimen Informationen über Atomwaffen und nukleares Material beinhaltet. Eine andere Legende besagt, dass Q keine einzelne Person ist, sondern eine Gruppe von Leuten aus der Trump-Administration, die gegen den Tiefen Staat arbeiten.

    Zu diesem Deep State zählen die QAnons nicht nur Agenten und Politiker, sondern auch Wirtschaftsbosse oder Stars aus der Musik- und Filmindustrie. Sie alle eine ein dunkles Geheimnis: Sie gehörten zu einer geheimen satanischen Elite, die sich zur Herrscherkaste der Menschheit erheben wolle. Teile der Bewegung – aber bei Weitem nicht alle QAnons glauben zudem, dass diese Elite systematisch Kinder entführen lasse, um sie rituell zu missbrauchen und ihren Körpern das Stoffwechselprodukt Adrenochrom zu entziehen – das sie zur Verjüngung und als Superdroge verwendeten.

    Im neuen COMPACT-Spezial „Geheimakte Kinderschänder: Die Netzwerke des Bösen“ trennen wir Mythen und Legenden von den Fakten, die schon schlimm genug sind. Das umfangreiche Nachschlagewerk können Sie HIER bestellen.

    Aktuelles „Spiegel“-Cover zu QAnon. | Foto: Der Spiegel

    Für den Spiegel ist die Q-Erzählung eine Neuauflage der Theorie einer „jüdischen Weltverschwörung“. In der Ausgabe vom 19. September heißt es: „Es sind verstörend bekannte Motive, die die Anhänger von QAnon verbreiten: der Glaube an eine angebliche Verschwörung reicher Eliten, darunter viele jüdische Unternehmer, gegen den Rest der Welt; eine vermeintliche Clique korrupter linker Politiker, die Demokratien unterwandern; Journalisten, die Propaganda verbreiten und sich damit zu Komplizen der Mächtigen machen. Es sind jahrhundertealte Fiktionen vom rechten, antisemitischen Rand, die mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts ins Netz und damit in die Weltöffentlichkeit gepusht werden. Eine Mischung aus Dreyfus-Affäre und Dan Brown.“

    In Wirklichkeit sind nur die wenigsten QAnons eingefleischte Antisemiten. Die – tatsächlich fragwürdige – Adrenochrom-Story ähnelt nur auf den ersten Blick den Ritualmordlegenden, die man im Mittelalter gegen die Juden ins Feld führte. Die Q-Anhänger unterstellen keinen jüdischen, sondern einen satanistischen Hintergrund. Es geht auch nicht um eine „jüdische Weltverschwörung“, sondern um eine Clique, deren Klammer der Globalismus ist: Bill Gates, die Clintons, die Obamas, John Podesta, Merkel und Lady Gaga sind allesamt keine Juden. Dass auch George Soros oder Jeffrey Epstein in der Liste auftauchen, hat nichts mit deren Herkunft zu tun, sondern mit ihrem Verhalten. Insofern ist es auch reichlich schräg, dass Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, laut einem Bericht des Handelsblattes nun erklärt hat, er wolle die Q-Szene verstärkt in den Blick nehmen.

    Neben einigen interessanten Informationen zur Ausbreitung der Q-Szene in den USA und Europa (die man aber auch bei COMPACT lesen kann) bietet der Spiegel im Wesentlichen halbgare Kost. Das ist umso erstaunlicher, als dass er gleich 10 Autoren auf die Q-Story angesetzt hat. Viel Aufwand – wenig Ertrag. Es werden zwei Gewährsleute aus der QAnon-Szene präsentiert, die reichlich wenig zum Thema beizutragen haben: ein Anonymus aus Baden-Württemberg und eine Heilpraktikerin aus Hamburg, die sich noch nicht einmal als Teil der Bewegung begreift. Sie wird als Kuriosum vorgeführt, springt etwa während des Gesprächs urplötzlich auf, um sich einen Brocken anorganischen Schwefel zu holen und hineinzubeißen, hüpft auf dem Trampolin herum und sagt, dass sie auf Eigenurin-Therapie schwöre.

    Was zudem auffällt: An vielen Stellen der Reportage wird nur die halbe Wahrheit erzählt. Man lässt wichtige Zusatzinformationen einfach weg, verfälscht so das Bild. So heißt es in dem Spiegel-Artikel über die Ursprünge von QAnon:

    Am 28. Oktober 2017 veröffentlichte ein anonymer Nutzer auf 4Chan die Nachricht ‚Hillary Clinton wird am Montag, dem 30. Oktober 2017, zwischen 7:45 Uhr und 8:30 Uhr festgenommen.‘ Spätere Einträge signierte der Autor mit dem Buchstaben Q. Es war der Urknall einer Bewegung, entstanden aus einer falschen Vorhersage. Clinton wurde weder am 30. Oktober noch danach verhaftet. Aber die Neugier der Nutzer war geweckt.

    Das ist durchaus korrekt, nur wird unterschlagen, dass es in der Folge durchaus sogenannte Q-Drops gab, die von Insider-Wissen zeugen und mit den Q erstaunlich richtig lag. Hierzu kann man in dem Artikel „Q und seine Cyberkrieger: Das Geheimnis von Trumps Orakel“ in COMPACT 9/2020 mit dem Titelthema „Querdenker“ lesen:

    Cover COMPACT 09/2020: Querdenker. Zur Bestellung auf das Bild klicken.

    Die kaum zu erschütternde Treue der QAnons zu ihrem Propheten ist umso erstaunlicher, da er gleich mit seiner ersten Nachricht, die er Ende Oktober 2017 auf dem Imageboard 4Chan absetzte, ziemlich danebenlag. Damals kündigte er die bevorstehende Verhaftung Hillary Clintons an. Doch die befindet sich bis heute auf freiem Fuß. In anderen Fällen hat Q jedoch tatsächlich politische Entwicklungen vorhergesagt, die eintrafen, obwohl sie Außenstehende kaum erahnen konnten. So schrieb er bereits am 8. März 2018, dass Trump ein Übereinkommen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un erzielt habe – das war auf dem Höhepunkt der Spannungen zwischen Washington und Pjöngjang. Erst Monate später meldeten die Agenturen, dass eine Denuklearisierung des kommunistischen Staates und sogar ein Friedensvertrag mit seinem südlichen Nachbarn möglich sei. In einem anderen Fall hatte der moderne Nostradamus vor möglichen Blackouts bei Social-Media-Kanälen gewarnt. Kurz darauf war das Twitter-Konto von Donald Trump für elf Stunden nicht abrufbar. Der Kurznachrichten-dienst erklärte später, ein Mitarbeiter aus der Kundenbetreuung habe den privaten Account des Präsidenten deaktiviert – angeblich ein Scherz „an seinem letzten Arbeitstag“.

    Oft kommen von Q nur Andeutungen, um seine Anhängerschaft zu eigenen Recherchen anzuregen. So fragte er im Januar 2018, ob zur Amtszeit Barack Obamas nicht nur dessen Außenministerin Hillary Clinton, sondern auch andere Mitglieder seiner Administ-ation und vielleicht sogar der Präsident selbst – von Q „Hussein“ (der zweite Vorname Obamas) genannt – private E-Mail-Server benutzten. Dies bestätigte sich bereits fünf Monate später durch den Untersuchungsbericht von Chef-Justizinspektor Michael Horowitz, der 13 Personen aufzählte, die wie Clinton solche ungesicherten und potenziell staatsgefährdenden Kommunikationswege verwendet hatten – darunter auch Obama. Die Initialen der anderen von Horowitz genannten Politakteure hatte Q bereits in seinem Januar-Post genannt. Wer hätte dies außer einem Insider wissen können?

    Als krasse Falschmeldung stellte sich hingegen eine Behauptung heraus, die zu Beginn der Corona-Krise durch die Q-Blase geisterte: Demnach seien in den Lazarettzelten, die von der US-Army im April im New Yorker Central Park für Covid-19-Erkrankte errichtet wurden, in Wirklichkeit Kinder behandelt worden, die zuvor aus einem geheimen Tunnelsystem unter der 21-Millionen-Metropole befreit worden waren. (…)

    Den vollständigen Artikel zu QAnon können Sie in COMPACT 9/2020 oder online mit Digital+ nachlesen. Um immer auf dem Laufenden zu bleiben und informiert statt desinformiert zu werden, empfehlen wir Ihnen ein Abo von COMPACT – jetzt inklusive drei Sonderpublikationen zu unserem Jubiläumsjahr. Mehr Prämie gab’s nie. Zur Bestellung HIER oder auf das Bild unten klicken.

    Kommentare sind deaktiviert.