Es ist fast eine kleine Sensation, Bild spricht von einem „Paukenschlag“: NRW-Ministerpräsident und CDU-Chef Armin Laschet ist auf Distanz zu Merkel und Söder in Sachen Corona-Lockdown gegangen. Das riecht nach Zoff im Unions-Haus. Nur Wahlkampfgetöse – oder steckt mehr dahinter? 

    Er ist immerhin der Ministerpräsident im bevölkerungsreichsten Bundesland. Und er hat schon im ersten Lockdown zeitweise versucht, auf die Bremse zu treten und in Kooperation mit dem Virologen Hendrik Streeck eine Art Gegenpol zur Kamarilla um Merkels Hofvirologen Christian Drosten aufzubauen. Nun hat sich Armin Laschet erneut aus der Deckung gewagt.

    Am gestrigen Montag sprach sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident beim digitalen Neujahrsempfang des baden-württembergischen CDU-Wirtschaftsrats gegen eine Bevormundung der Bürger in Zeiten von Corona aus. Laschet wörtlich:

    Populär ist, glaube ich, immer noch die Haltung, alles verbieten, streng sein, die Bürger behandeln wie unmündige Kinder.

    Ja, er sagte „erfinden“! Und damit geht er auf Konfrontationskurs zur Kanzlerin und zu Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), die sich beim letzten Gipfel gegen frühe Lockerungen für Schulen und Geschäfte stark gemacht hatten. Auch Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) und der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach dürften sich düpiert fühlen: Beide trommeln derzeit gegen Urlaub an Ostern. Lauterbach malt sogar eine „dritte Welle“ an die Wand.

    Nanu, hat Armin Laschet etwa das aktuelle Buch von Gertrud Höhler gelesen? Jedenfalls schlägt er nun ähnliche Töne an. Sang die Publizistin und Merkel-Kritikerin in ihrem Werk Requiem der Kanzlerin schon die Totenmesse, wendet sie sich in ihrer neuen Streifschrift Die Würde des Menschen ist unantastbar – Die Corona-Bilanz nun gegen Corona-Diktatur und Dauer-Lockdown. Das Buch ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Freiheit. Höhler fragt: Warum trennt Gesundheitspolitik die Menschen voneinander, um sie zu retten? Weshalb werden alte Menschen eingezäunt, dürfen Kinder nicht mehr singen? Warum zerstören wir sehenden Auges unsere Wirtschaft? Sind wir dem Vorbild autoritärer Staaten gefolgt und werden nun selber einer? Sie stellt fest: Wenn Gesundheitspolitik mehr zerstört als das Virus verwüsten kann, dann befinden wir uns auf dem falschen Weg. Deswegen ruft sie eindringlich zur Umkehr auf. Gertrud Höhlers mutige und regierungskritische Corona-Bilanz können Sie hier bestellen.

    Laschet warnte in seiner Rede zudem vor einem einseitigen Fokus auf den Inzidenzwert, der erst kürzlich auf Betreiben von Merkel und Söder von 50 auf 35 heruntergeschraubt wurde, womit die Geschäfte, Restaurants und Museen weiter geschlossen halten werden können. Momentan liegen wir laut RKI bei knapp 60, gestern betrug der Wert 54.

    Laschet dazu:

    Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet.

    Man könne das Leben nicht nur an Inzidenzwerten abmessen, fuhr der CDU-Vorsitzende fort. Alle  anderen Schäden, etwa für die Gesellschaft und die Wirtschaft, müsse man genauso im Blick haben.

    Doch Vorsicht! Das alles könnte natürlich nur Wahlkampfgetöse sein. Jemand wie Laschet hat ein gutes Gespür für die Stimmung im Volk und das ist mehr und mehr frustriert vom Corona-Lockdown. Die Kinder leiden unter Schulschließungen und Isolation, die Gastronomie darbt, immer mehr Geschäftsinhaber ballen die Faust in der Tasche. Ihnen präsentiert sich der CDU-Chef nun als Anti-Söder. Das ist möglicherweise nur ein taktischer Winkelzug, um Boden gut zu machen – mit Blick auf die Bundestagswahl und die unionsinterne Kanzlerkandidatenkür.

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