Das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig neigt sich seinem Ende zu. Auch diesmal traten dort wieder Neofolk-Bands auf. Dieser Musikrichtung bringen vor allem Linke und Woke-Fanatiker pure Verachtung entgegen. Warum ist das so?

    _ von Manja May

    So eine Szenerie bekommt man als Reporter des Rolling Stone wohl nur selten zu Gesicht: «Es herrscht eine familiäre, fast schon bedächtige Atmosphäre. Vielleicht 200 Besucher, davon ein knappes Drittel Frauen. Ein flottes Viererklübchen gar im Cocktaildress mit Bleistiftröcken und High Heels. Vereinzelt Kinder.»

    Besonders gruselig:

    «Hinter der winzigen, in der Mitte des Areals platzierten Bühne hilft ein junger Vater seinem etwa 12‑jährigen Sohn beim Schnüren der Springerstiefel. Schmissige Burschenschafter in weißem Hemd mit Hosenträgern tummeln sich davor. Wenige in Mittelalterkluft. HJ-Undercuts, ausgestellte Breeches-Hosen, Flecktarn-Versatzstücke, mal NVA, mal Austria-Bundesheer.»

    Ein Treffen von Neonazis oder Reichsbürgern? Nein, die Journalisten des Musikmagazins haben ein Neofolk-Konzert im Schlosspark Knauthain in Leipzig besucht. Oder, wie es im Beitrag des Rolling Stone heißt:

    «Ein aus der Zeit gefallener Liederabend, irgendwo zwischen Fackelappell und Weihnachtssingen.»

    Das ist eine reichlich schräge Assoziation – man schreibt das Jahr 2016, und es ist ein milder Sommerabend. «Headliner», so die Autoren, ist die Gruppe Jännerwein aus Österreich, angeblich «Vorzeigeband der Neuen Rechten». Was sie dazu macht? Martin Sellner von den Identitären hört sie gern, außerdem singen sie von Heimat und Traditionen. Offenbar ganz schlimm: «Das Quintett aus Salzburg verwendet ein Metrum, das penibel auf Nicht-Blues und somit auch auf Nicht-Rock’n’ Roll getrimmt ist.»

    Das ganze Genre ist den Schreiberlingen suspekt, sie kommen zu dem Schluss:

    «Gruppen wie Forseti, Orplid und Darkwood suchen die innere Emigration in Natur-, Literatur- und Mythologiethemen, was sich in altertümlichem Deutsch und kitschigen Versen niederschlägt. Wer sich schon immer gefragt hat, was eigentlich das Gegenteil von Funk ist, oder auf einer Party damit angeben möchte, die uncoolste Musik des Planeten entdeckt zu haben: Bei Neofolk wird er fündig.»

    Im Zeichen des Totenkopfes

    Was man beim Rolling Stone so schrecklich «uncool» findet, macht für die auf Exklusivität und Stil bedachte Hörerschaft den besonderen Reiz aus. Im Neofolk manifestiert sich – mehr noch als in anderen Subkulturen der schwarzen Szene – eine Abkehr von der modernen Welt mit ihrer Wurzel- und Bindungslosigkeit, ihrer Fixierung auf das Materielle, den Konsum und das Geld.

    Alpenländische Romantik: Jännerwein beim Fire & Sun 2016. Die Salzburger vertonten unter anderem Eichendorffs Gedicht «Wehmut». Foto: Daniell Pföhringer

    Ähnlichkeiten mit der Jugendbewegung des frühen 20. Jahrhunderts liegen auf der Hand, was sich auch im Kleidungsstil und den Frisuren der Anhänger widerspiegelt: Strenge Scheitel, Kniebund- oder Reiterhosen, Armeejacken mit Tarnmuster, lederne Kartentaschen und martialische Stiefel bei Männern; geflochtene Zöpfe oder strenge Damencuts, Runenschmuck, Röcke, Kleider, aber auch Versatzstücke der Militärmode bei Frauen.

    In der ruhigen, fast schon meditativen Musik dominieren akustische Gitarren und Schlagwerk, sie transportiert Melancholie, Weltschmerz und Lagerfeuerromantik, in den Texten vieler Gruppen haben überliefertes Brauchtum, Legenden und Sagen eine herausragende Bedeutung, aber auch Apokalyptisches und Abgründiges.
    Letzteres trifft insbesondere auf Death in June (dt: Tod im Juni) zu.

    Provokant: Wegen solcher Symbolik sieht sich die Band um Douglas Pearce oft Nazi-Vorwürfen ausgesetzt. Foto: Repro COMPACT

    Die 1981 von Douglas Pearce und Tony Wakeford – vorher Mitglieder der trotzkistischen Punkband Crisis – sowie Patrick Leagas gegründete britische Formation gilt neben Current 93 von David Tibet als einer der Wegbereiter des Neofolk – und zugleich als umstrittenste Band des Genres.

    Als Symbol verwenden Death in June neben der Lebensrune und einer Peitschenhand einen modifizierten SS-Totenkopf, der für den bekennenden Homosexuellen und Uniformfetischisten Pearce die «totale Gebundenheit» an seine Kunst ausdrücken soll.

    Manche vermuten, dass sich der Name der Gruppe auf die sogenannte Nacht der langen Messer vom 30. Juni 1934 bezieht – jener Säuberungsaktion Hitlers, der unter anderem SA-Chef Ernst Röhm zum Opfer fiel. Pearce, heute einzig verbliebener Musiker der Urformation, hat dies jedoch mehrfach zurückgewiesen. Die Band geriet zudem immer wieder ins Visier der Antifa, die auch vor Brandanschlägen nicht zurückschreckte.

    Hommage an das alte Rom

    Statt auf Klampfe, Naturmystik und Runen setzen Triarii auf Bombast, Marschtrommeln und Fanfaren, um eine pathetische Stimmung zu erzeugen, die sich mit Ernst Jünger am besten als «heroischer Realismus» beschreiben lässt. Der Name des Projekts leitet sich ab von den Triariern, den Elitesoldaten des Römischen Reiches, die Musik ist dem Martial Industrial zuzurechnen – einem dem Neofolk verwandten, allerdings elektronischen Stil, der auf Klassik- und Ambient-Elemente zurückgreift und diese mit Marschrhythmen kombiniert.

    Cover des 2008 erschienenen Triarii-Albums »Muse in Arms«. Foto: Eternal Soul Records

    Auch bei Triarii ist das künstlerische Spiel mit faschistischer Ästhetik augenfällig, doch wie die meisten Gruppen des Genres weist Bandgründer Christian Erdmann politische Bezüge von sich. Man wolle zwar provozieren, «um auf Dinge aufmerksam zu machen oder zum Denken anzuregen», sei aber kein «Instrument einer politischen Motivation», so Erdmann in einem Interview mit dem Musikmagazin Obliveon.

    In einer Widmung im Beiheft ihres 2008 erschienenen Albums Muse in Arms heißt es: «Kunst ist niemals nur links oder rechts, noch ist sie nur schwarz und weiß. Das Leben ist nicht so simpel!»

    Diese apolitische Haltung ist kennzeichnend für die Szene, auch wenn sie sich als bewusste Gegenkultur zum Mainstream versteht und sich auf originär europäische Traditionen beruft. Allerdings muss das nicht automatisch rechts sein.

    Ex-Death-in-June-Gitarrist Tony Wakeford, der sich mit seinem Projekt Sol Invictus einen Namen gemacht hat, unterstützt heute den britischen Labour-Chef Jeremy Corbyn; auf Jérôme Reuter, den Kopf der luxemburgischen Band Rome, dürfte am ehesten die Kategorie Linksnational zutreffen. Dass sich die Liebhaber neofolkloristischer Klänge ungern in ein allzu enges Korsett pressen lassen wollen, ist verständlich.

    5 Kommentare

    1. Wenigstens in Leipzig gibt es wieder gute heimatfreundliche Kunst:
      Frankreichs musikalische Patriotinnen und Deutschfreundinnen (Lied: "Frau Merkel muss weg!") singen leider nicht mehr:
      https://lesbrigandes.com/
      https://www.fair-news.de/2885708/die-wundervollen-les-brigandes-hoeren-auf-und-gaben-eines-ihrer-letzten-interviews

    2. jeder hasst die Antifa am

      Die linken Moralapostel und bunten Vielfaltsfetischisten sind nur Tolerant wenn man ihre Meinung vertritt,die Toleranz ist sofort zu ende wenn man nicht ihre Spinnereien und Utopien vertritt,dann werden die Toleranz besoffenen auch handgreiflich.

    3. Katzenvater am

      Gute Hommage an die Vertreter des Neofolk und Martial-Industrial, vor allem auch bezüglich des Hinweises auf die grundsätzlich apolitische Haltung dieses Genres. Was kein Widerspruch zu der Tatsache ist, dass man sich der gegenwärtigen Realitäten bewusst ist und sie eben ob ihrer Verwerfungen großenteils ablehnt. Die Mystik, die Natur, die Tradition, die Symbolik, die Kultur und das Leben im Einklang mit den Schöpfungsgesetzen sind Triebfedern einer musikalischen Audrucksweise, welche das Genannte in erhaben-ästhetische Akustik hüllt. Neofolk = "Rechts" zeigt nur wieder völlige Unkenntnis plus eigener ideologischer Vorgabe (wie beim "Rolling Stone"). Wie gesagt, eher apolitisch, passt für einige höchstens die Zuschreibung metaphysisch-konservative Anarchisten!! So, ich muss mal wieder Kirlian Camera und Der Blutharsch (leider verstarb Albin Julius letztens) sowie Arditi (ähnlich wie Triarii) hören…

    4. Es war schon immer so das sich linksliberale Moralapostel und Tuntifa an allen Musikgruppen und Künstlern gestört fühlen, wer nicht groß ihre Logos und Sprüche dick und fett in der Öffentlichkeit publik macht. Die Böhsen Onkelz selbst waren seit ihrer Gründung nie mutmaßlich für das 3.Reich gewesen noch generell gegen andere Rassen. Als sie von 1982-1986 die Skinheadband Nr.1 Deutschlands waren, standen sie nur für Patriotismus und Stolz auf ihre regionalen Sportmannschaften. REP, FAP, Wikingjugend usw. deren Anwerbeversuche haben sie strikt abgelehnt. Als sie 87 sich als Normalo Hardrockband formierten wurden sie weiterhin bis ins Jahr 2005 bei der ersten Auflösung in das Rechte Licht gerückt. Aber gerade durch die allgemeine Medienmafia hatten die Onkelz den größten Erfolg bekommen. Aber selbst linke Streetrock Bands wie Krawallbrüder und Loikämie werden immer mal als Grauzonegruppen bezeichnet weil nicht in jedem Song Nazis Raus! kommt. Die liebe Neo-Linkeszene ist halt von Soros gestützt und muss eben Krampfhaft an allen Ecken etwas beanstanden. Da gilt das alte Motto: wer suchet der findet. Denn solche krankhaften NWO-Fetischisten müssen immer ein aktuelles Feindbild haben für ihren Trieb. mfg

    5. Freichrist343 am

      Am meisten dekadent sind Techno, Heavy-Metal und Hardrock. Am wenigsten dekadent ist nicht Neofolk, sondern Nouvelle Chanson. Empfehlenswert ist "Eblouie par la nuit" instrumental. Bitte googeln: Manifest Natura Christiana