„Es wird nur noch gehetzt“ – Interview mit Kleine-Hartlage

Jürgen Elsässer sprach mit Manfred Kleine-Hartlage über sein neues Buch und den Missbrauch der deutschen Sprache zu ideologischen Zwecken. Manfred Kleine-Hartlage stellt in „BRD-Sprech“ dar, wie Worte als Waffe der Umerziehung missbraucht werden. Hier mehr erfahren.

 Elsässer: Wir sprechen heute über ein ganz aktuelles Buch: „BRD SPRECH – Worte als Waffe der Umerziehung“. Mit mir im Studio ist der Autor Manfred Kleine-Hartlage, vielen von Ihnen sicherlich bekannt aus seiner Kolumne im COMPACT-Magazin. Du hast vor etwa sechs oder sieben Jahren ein ähnliches Buch veröffentlicht, „Die Sprache der BRD“. Das war ein richtiger Bestseller. Warum veröffentlichst du jetzt also dieses neue Buch, „BRD SPRECH“, anstatt einfach das alte Buch neu aufzulegen?

Kleine-Hartlage: Es wurde bereits einmal überarbeitet, zuerst im Jahr 2015 veröffentlicht und dann 2019 erneut aufgelegt. Es ist einfach so, dass ich diesmal eine andere Konzeption verfolgt habe. Zunächst einmal fasse ich meine Kolumnen im COMPACT zusammen, um sie an einem Ort zu versammeln. Da die wenigsten Leser die alten COMPACT-Ausgaben nachlesen werden, entsteht dadurch ein bestimmter Effekt. Die Zusammenfassung liest sich wie ein Protokoll der letzten Jahre, insbesondere seit 2020 aufgrund der Coronakrise, was sehr interessant ist. Denn die Sprachentwicklung hat sich seitdem erneut verändert, also die Sprache der BRD war eher wie ein Lexikon oder Wörterbuch angelegt, das im Grunde einen relativ statischen Stand voraussetzt. In „BRD SPRECH“ merkt man einfach, wenn man es liest, wie sehr sich die Entwicklung und damit auch die Sprache dynamisiert hat. Und das war das, was ich eigentlich herausarbeiten wollte.

Elsässer: In dem Buch versammelt sind 50 Schlüsselbegriffe der Propaganda, von „Demokratie“ über „Verfassungsschutz“, „Black Lives Matter“, „Wissenschaftsleugner“, „Gleichschaltung“, „Sensitivity Reading“ (englisch: Gegenlesen bei sensiblen Themen), „Zeitenwende“, „Friedensschwurbler“, „Faktenchecker“ und so weiter. Von diesen 50 Begriffen, was würdest du sagen, sind die fünf wichtigsten?

Eine Revolution von oben

Kleine-Hartlage: Sagen wir mal, die fünf charakteristischsten sind zum einen die Verfassungsschutz-relevante Delegitimierung des Staates, die in die Kategorie „Haltet den Dieb“ fällt, sowie zum Beispiel auch die „Radikalisierung“, die vielleicht noch treffender ist.

Wir haben es ja mit einer politischen Klasse zu tun, die den Nationalstaat abschaffen will, den Rechtsstaat in Frage stellt, ein seit Jahrtausenden hier ansässiges Volk zur Minderheit im eigenen Land machen will und das Grundgesetz komplett umdeutet. Das, was noch vor 20 Jahren ständige Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts war, ist völlig auf den Kopf gestellt worden. Sie betreibt also eine Revolution von „oben“ und bezichtigt dann andere der „Radikalisierung“, die einfach nur bei dem Standpunkt geblieben sind, den sie schon immer eingenommen haben.

Das ist die Methode „Haltet den Dieb“. Ein anderer Begriff wäre „Angriffskrieg“, typisch für die Methode, jetzt nicht mehr subtil, sondern richtig mit dem Holzhammer dafür zu sorgen, dass das Publikum gefälligst etwas Bestimmtes zu denken hat, bei „Angriffskrieg“ oder auch beim „Scheinreferendum“, was Putin abgehalten haben soll, in Nachrichtenkontexten, nicht im Kommentar.

Früher hätte es das nicht gegeben, dass man eine Volkskammerwahl in einer Nachrichtensendung eine Scheinwahl nennt, obwohl das auf jeden Fall viel gerechtfertigter gewesen wäre. Nein, es wird so gemacht, damit der Zuschauer oder Leser, je nachdem, wer der Adressat ist, gar nicht erst auf die Idee kommt, sich womöglich selber ein Urteil zu bilden (nach dem Werbeblock das Interview weiterlesen).

Merke: Wer vom BRD-Sprech abweicht, bekommt einen Riesenärger. Das gilt mittlerweile auch für Hochrangige. Manfred Kleine-Hartlage prangert diesen Umstand in seinem mutigen Buch „BRD-Sprech. Worte als Waffe der Umerziehung“ mit spitzer Feder an. Hier bestellen.

Ganz wichtig und zentral, deswegen habe ich es auch nochmal weit über das hinaus ausgebaut, was ich im COMPACT geschrieben habe und auch zuvor in der „Sprache der BRD“ veröffentlicht habe, ist der Begriff „Verschwörungstheoretiker“, da sich an ihm ein ganzes Weltbild aufhängen lässt.

In diesem Weltbild wird Kritik an den herrschenden Kreisen, Klassen oder politischen Eliten einfach nicht mehr vorgesehen und von vornherein als illegitim angesehen. Schließlich und endlich, bei Black Lives Matter, gibt es diese subtile Unterstellung, dass alle Weißen der Meinung sind, das Leben von Schwarzen würde nicht zählen, und das ist eine von diesen sehr perfiden Unterstellungen.

Dann kommt der Begriff „Friedensschwurbler“: Dieses Zusammenwirken, dieses Oxymoron, erinnert an das, was wir bei Joseph Goebbels in Form von „Humanitätsduselei“ hatten – ein Mittel zur zynischen Rechtfertigung von Inhumanität und Brutalität, indem man all jene, die sich dem entgegenstellen, intellektueller oder charakterlicher Defizite bezichtigt. Ich denke, dass sind fünf sehr charakteristische Worte, die auch anzeigen, in welche Richtung diese Sprache geht und in welche Richtung auch der Staat geht, dessen Öffentlichkeit sich dieser Sprache bedient.

„Leute sollen nicht wissen, wohin die Reise geht“

Elsässer: Weil du gerade jetzt schon Black Lives Matter angesprochen hast; es gibt ja noch mehr englische Begriffe zum Beispiel „Whataboutism“ (Was ist mit…?), „Sensitivity Reading“ oder man könnte auch „Gender“ nennen. Das sind ja allesamt Begriffe, die aus einer fremden Sprache kommen und die, ich würde mal sagen, die Masse des Volkes gar nicht versteht. Zum Beispiel „Gender“: Wer kann das in einem Satz zusammenfassen? Nicht einmal ich kann das und ich habe studiert. Welche Funktion also hat eine Propaganda, die Wörter zur Umerziehung verwendet, die das Volk nicht versteht?

Kleine-Hartlage: Dass sie es auch gar nicht verstehen soll: Es soll einfach nach etwas klingen wie „Diversity“ (englisch: Vielfalt), das war jetzt nicht hier, weil es schon in „Sprache der BRD“ war. Oder zum Beispiel „Gender-Mainstreaming“, was man gut mit „Verzwitterung“ übersetzen kann. Aber wenn man das tun würde, würden die Leute ja wissen, wohin die Reise gehen soll. Also, damit sie es nicht wissen, sich aber trotzdem modern und weltläufig anhört, werden diese englischen Begriffe verwendet, die dann, wenn man genauer hinguckt, dann auch ein besonders subtilen Doppelsinn entfalten und man auch merkt, wie das Publikum genau damit manipuliert werden soll.

Elsässer: Ich habe mich selber aufgrund meiner Lebenserfahrung, die ja nicht anders ist als deine, mit der Änderung der Propaganda beschäftigt. Was ja sehr auffällig war, während des Kalten Krieges, in unserer Jugend sozusagen, war die Propaganda eigentlich der Linie folgend, der Antikommunismus. Als dann der Feind im Osten kapituliert hatte, ist die Propaganda gedreht worden und seither wird Zug um Zug mit antifaschistischer Propaganda hantiert.

Der Bruch in der Propaganda

 Kleine-Hartlage: Wobei es dabei einen kleinen Unterschied gibt: Der Antikommunismus war immer in den Antitotalitarismus eingebettet, nur den Realsozialismus gab es in den Jahren zwischen 1949 und 1989 tatsächlich. Der Faschismus war eine Sache der Geschichte, trotzdem war immer der Kontext, gegen jedes totalitäre System und jede totalitäre Ideologie zu sein. Das war der Basiskonsens, auf den sich die Parteien, das Establishment der Bundesrepublik, geeinigt hatten.

Antifaschismus ist jedoch etwas völlig anderes; es stellt keine Akzentverschiebung innerhalb eines ansonsten integren gedanklichen Ansatzes dar, sondern vielmehr die Umkehrung des Ansatzes. Antitotalitarismus bedeutet, dass man dagegen ist, dass der Staat ein Wahrheitsmonopol dekretiert und Andersdenkende praktisch aus der Gesellschaft ausschließt. Antifaschismus hingegen bedeutet, dass er genau das tut; er maßt sich ein Wahrheitsmonopol an, verweigert Andersdenkenden ihre Grundrechte, soweit es noch irgendwie mit dem Wortlaut der Verfassung übereinstimmt, meistens aber nicht mehr, und Menschen aus der Gesellschaft ausgrenzt.

Es ist im Grunde eine Art ideologische Apartheid, die damit verbunden ist und die überhaupt nichts mit einem liberalen und antitotalitären Gemeinwesen zu tun hat. Antifaschismus heißt, dass die Legitimität einer politischen Position nicht daran gemessen wird, dass derjenige, der sie vertritt, sie gewaltlos und friedlich im Rahmen der Gesetze vertritt, sondern daran, welchen Inhalt sie hat.

Wenn sie einen antifaschistischen Inhalt hat, also einen linken Inhalt, darf man im Grunde alles machen. Dann darf man die Verfassung biegen, dann darf man gegen Andersdenkende mit Gewalt vorgehen, dann darf man auch ganze Bankenkonsortien damit beauftragen, Andersdenkenden kein Konto mehr zu geben und so weiter. Da ist alles erlaubt, während diejenigen, die dagegen sind, noch so friedlich sein können, dürfen dann so gut wie gar nichts. Das ist die Linie, auf der sich das bewegt, und das ist mit Antifaschismus gemeint. Es ist das Gegenteil dessen, wofür das Grundgesetz steht.

Das Henne-Ei-Problem

Elsässer: Du konstatierst ja auch anhand des Sprachgebrauches eine totalitäre Verhärtung des Systems. Meine Frage ist, ähnlich wie Henne und Ei, ob diese Worte, die uns in die Köpfe getrommelt werden, der Motor für die totalitäre Veränderung sind. Oder umgekehrt: Wird zuerst die totalitäre Veränderung über institutionelle Mittel wie Zwangsimpfung und ähnliche Lockdown-Maßnahmen vorangetrieben, und erst danach folgt die Sprache?

Kleine-Hartlage: Es ist tatsächlich wie Henne und Ei; diese beiden Faktoren verstärken sich gegenseitig. Das Festlegen einer bestimmten Sprache und das Unterdrücken bestimmter anderer Ausdrücke dient dazu, die Akzeptanz staatlicher Machtübergriffe oder der Machtübergriffe der politischen Klasse zu verstärken. Dadurch sollen die Menschen davon abgehalten werden, Widerspruch zu erheben und so wird die nächste Machtergreifung vorbereitet. Dies wiederum ermöglicht den nächsten totalitären Übergriff. Es handelt sich also um ein Wechselspiel, bei dem sich zwei Faktoren gegenseitig verstärken.

Elsässer: Ich habe den Eindruck, dass die herrschende Propaganda, dieses „BRD-Sprech“, in gewisser Hinsicht aufgrund ihrer Überdrehung bereits teilweise gescheitert ist; zum Beispiel der Propagandabegriff „Fachkräfte“, der ja die Masseneinwanderung, Überflutung und Umvölkung befördert und begleitet hatte. Mittlerweile lacht ja jeder, der den Begriff hört.

Kleine-Hartlage: Deswegen müssen auch immer neue Begriffe gefunden werden, welche auch immer schriller werden, weil das Establishment immer verzweifelter wird; es glaubt ihnen ja ihre bisherigen Lügen keiner. Dennoch gibt es leider immer noch zu viele, die es glauben, aber sie haben ein extremes Glaubwürdigkeitsproblem. Deswegen wird der deformierende Aspekt immer größer; es wird immer mehr gegen Andersdenkende  geschossen.Vorher hatten wir auch jene, die sehr stark eine „Tantensprache“ verwendeten, in der es hieß: „Wir müssen die Ängste der Menschen ernst nehmen“, begleitet von einer fürsorglichen Betütelung. Das ist jetzt vollkommen verschwunden.

Es wird nur noch richtig gehetzt und mit dem Holzhammer argumentiert. Es gab immer die Tendenz, möglichst diejenigen, die noch dem Establishment glauben, davon abzuhalten, sich mit den Thesen der Andersdenkenden auseinanderzusetzen. Das war immer der Sinn der Sache, aber jetzt müssen die Methoden immer primitiver und vulgärer werden, um das zu erreichen. Das Establishment befindet sich auf dem absteigenden Ast und sieht seine Anhänger davonziehen. Deshalb ist ein Teufelskreis in Gang gekommen, der zu einer immer weiteren Radikalisierung führt.

Ich glaube jedoch, dass wir langsam an einen Kulminationspunkt kommen, an dem es nicht mehr gesteigert werden kann, ohne in ein direktes totalitäres System überzugehen. Aber dafür ist das Establishment, was den Rückhalt in der Bevölkerung angeht, meiner Meinung nach zu schwach.

Das postfeministische Deutsch

Elsässer: Mir ist aufgefallen, dass die einzelnen Begriffe vielleicht nicht das ausschlaggebende Moment bei der Gehirnwäsche sind, sondern die Änderung der Grammatik, also die „Genderisierung“ der Grammatik, dieses postfeministische Deutsch. Ich habe mich selbst schon dabei erwischt und mir dann auf die Zunge gebissen, weil ich nicht „Demonstranten“ gesagt habe, sondern „Demonstrierende“, da man das ständig hört und es in die eigene Grammatik einsickert.

Kleine-Hartlage: Wobei ich glaube, dass man das auch ganz leicht wieder ändern kann. Man muss sich immer noch derart anstrengen, um eine solche Sprache zu sprechen, wenn man sie denn sprechen will. Denn so spricht niemand, der sich einfach nur verständigen will. Noch immer ist Sprache ein Mittel der Verständigung und nicht ein Mittel der Gleichschaltung oder Selbstgleichschaltung, auch wenn einige Leute das gerne so hätten.

Elsässer: Welche Rolle kann so ein Buch spielen, um die Leute sozusagen gegen die Propaganda zu „immunisieren“? Soll man jeden Abend darin lesen?

Kleine-Hartlage: Auf jeden Fall. Es handelt sich um eine Art der Sensibilisierung. Nachdem man sich mit vielen solcher Stichworte auseinandergesetzt hat, hört man die Propaganda des Kartells mit anderen Ohren und sieht sie mit anderen Augen. Man wird, und das ist jedenfalls die Absicht des Buches, dafür sensibilisiert, wie viel Lüge nicht erst in den expliziten Sätzen steckt, sondern bereits in den Worten, aus denen diese Sätze gebildet werden. Diese Worte sind bereits in sich verlogen, weil sie bestimmte Dinge voraussetzen oder implizieren, die einfach falsch sind, und deren Falschheit kann man sich bewusst machen, indem man sich das Wort genauer ansieht und es in Bezug zur sichtbaren und erkennbaren Wirklichkeit setzt.

Man sollte sich auch trauen, seine eigenen Augen zum Sehen und sein eigenes Gehirn zum Denken zu benutzen und sich nicht einreden lassen, dass der Regen von unten nach oben fällt, nur weil Ideologen eine hochkomplexe Argumentationskette aufgebaut haben, die besagt, dass der Regen von unten nach oben fällt. Jeder kann aus dem Fenster schauen und sehen, dass der Regen von oben nach unten fällt, genauso wie jeder sehen kann, dass es Männer und Frauen gibt, dass es Deutsche und Nichtdeutsche gibt, und so weiter. Alles Dinge, die uns ausgeredet werden sollen.

Manfred Kleine-Hartlage stellt in „BRD-Sprech“ dar, wie Worte als Waffe der Umerziehung missbraucht werden. Hier mehr erfahren.