9. Mai 1945: Die alliierten Sieger werden feiern, die Opfervölker ihre Toten betrauern, Merkel & Co. ihre Häupter in Demut senken. Aber was ist eigentlich mit den deutschen Opfern dieses leichenschwangeren Frühjahrs 1945? Die staatsoffizielle Erinnerung daran wird bestenfalls bescheiden sein und immer mit dem zynischen Zusatz garniert werden, dass „wir“ es ja nicht anders verdient haben: die Deutschen als ewiges Tätervolk mit ewiger Kollektivschuld.

    COMPACT hält dagegen. Zum 75. Jahrestag des Kriegsendes veranstalten wir am 9. Mai unsere zweite Geschichtskonferenz in Brandenburg/Havel. Sie hat denselben Titel wie die Ausgabe von COMPACT-Geschichte „Verbrechen an Deutschen“. Der renommierte US-amerikanische Geschichtswissenschaftler Prof. Alfred M. de Zayas befasst sich schon seit Jahren mit Verbrechen an der deutschen Bevölkerung. Als Mitglied der UN-Menschenrechtskommission ist es ihm ein großes Anliegen, auch den Deutschen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.  In COMPACT-Geschichte Nr. 8 „Verbrechen an Deutschen. Vertreibung. Bombenterror. Massenvergewaltigungen“  schrieb er aus völkerrechtlicher Sicht über die Gräuel in den von der Roten Armee überrannten Ostgebieten – unten folgt ein Textauszug. Zu diesem Thema wird er auch am 9. Mai 2020 neben Konrad Löw, Martin Hohmann und Thorsten Schulte als Referent auf unserer Geschichtskonferenz sprechen. Zur Anmeldung einfach hier klicken.

    Flucht und Vertreibung

    _ von Prof Alfred M. de Zayas

    Die Vertreibung von etwa 15 Millionen Deutschen aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien, dem Sudetenland und anderen Gebieten im Osten zählt zu den größten Verbrechen des 20. Jahrhunderts. Millionen verloren ihre Heimat – und oft auch ihr Leben.

    «Homo homini lupus», schrieb der römische Dichter Plautus in seinen Asinaria : Seit Jahrtausenden geht der Mensch unmenschlich mit anderen Menschen um. Seit Jahrtausenden werden Menschen benachteiligt, diskriminiert, unterjocht, ausgebeutet, versklavt, vertrieben, massakriert. Sowohl in Imperien als auch in Demokratien grassiert der Rassismus. So wie es Rassismus gegen Afrikaner, Asiaten oder Aborigines gegeben hat und noch gibt, so gibt es seit Langem auch antideutschen Rassismus.
    Im Bereich der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit («Verbrechen gegen die Menschlichkeit» ist eine falsche Übersetzung aus den Englischen) bekommt man den Eindruck, als ob die Deutschen – oder genauer: die Nazis – ein Copyright auf solche Untaten hätten. Die Filme, Bücher, Artikel, Theaterstücke über die Verbrechen, die von den Nationalsozialisten verübt wurden, kann man kaum noch zählen. Die Perzeption der Geschichte – und die heute zu ziehenden Konsequenzen – werden verfälscht, wenn nur die eine Seite beleuchtet wird und die Verbrechen von anderen systematisch verschwiegen werden. Zuweilen werden Historiker, die versuchen, sie zu enthüllen, vom Mainstream dreist als «Revisionisten» oder gar «Rechtsradikale» beschimpft. Unter jenen, die bemüht sind, alle Seiten zu berücksichtigen, befinden sich Horst Boog, Christopher Clark, Andreas Hillgruber, Joachim Hoffmann, Norman Naimark, Stefan Scheil, Gerd Schultze-Rhonhof, Franz W. Seidler und der Verfasser dieses Beitrages. Da alle Opfer von Gewalt dieselbe Menschenwürde besitzen, darf hier nicht selektiert und diskriminiert werden. Dies tun aber viele Journalisten, Juristen, Politiker und auch Geschichtsforscher, deren Schwarz-Weiß-Malerei im Kern menschenverachtend ist.

    Das wahrscheinlich größte Verbrechen an Deutschen war die Vertreibung von insgesamt etwa 15 Millionen Reichsdeutschen aus den Provinzen Ostpreußen, Pommern, Ostbrandenburg, Ober- und Niederschlesien, aus dem Freistaat Danzig, sowie Volksdeutschen aus den altpolnischen Gebieten, aus Böhmen, Mähren, Slowakei, Ungarn und Jugoslawien in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges und vor allem nach dem Krieg bis 1949.

    „Verbrechen an Deutschen“ – in dieser Ausgabe erschien de Zayas nebenstehender Text in vollständigerFassung.

    Das große Tabu des 20. Jahrhunderts – der Leidensweg unseres Volkes. Vertreibung, Bombenterror, Massenvergewaltigungen – in COMPACT-Geschichte „Verbrechen an Deutschen“ wird dokumentiert, was Politik und Medien uns vergessen lassen wollen. Die Artikel sind sorgfältig recherchiert, die Augenzeugenberichte herzzerreißend. Alle Angaben sind mit amtlichen Quellen belegt. Ein unverzichtbares Nachschlagewerk, zur Erinnerung für die Alten, zur Einführung für die Jungen.

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    Damals wurde nicht nur ein Viertel des deutschen Reichsgebietes in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 unter fremde Verwaltung gestellt, die dort seit 700 Jahren lebenden Deutschen wurden auch enteignet und massenhaft vertrieben. Dies ist ein beispielloses Verbrechen, das nach den Studien des Bundesarchivs, des Statistischen Bundesamtes und des Bundes der Vertriebenen mehr als zwei Millionen Menschen das Leben kostete – und Traumata und unheilbare Wunden bei den Überlebenden hinterließ.
    Im Bundesarchiv lagern abertausende Erlebnis- berichte von Vertriebenen, darunter viele von Nach- kommen der Ermordeten und von Frauen, die vergewaltigt worden waren. Diese enorme Dokumen- tation, die in den späten 1940er und in den 1950er Jahren zusammengetragen und von Archivaren in Auswertungsbögen erfasst wurde, ist bisher von deutschen und ausländischen Historikern nur zum Teil ausgewertet worden. Daraus entstand in den 1960er Jahren die achtbändige Dokumentation der Vertreibung, herausgegeben von Prof. Hans Rothfels und Prof. Theodor Schieder. Auch meine Bücher Anmerkungen zur Vertreibung der Deutschen aus dem Osten (Kohlhammer, 1986), Die Nemesis von Potsdam (Herbig, 2005) und 50 Thesen zur Vertreibung (Verlag Inspiration, 2008) basieren zum Teil auf diesen Akten sowie auf persönlichen Interviews mit Zeitzeugen, Opfern, Diplomaten, Politikern und sogar Tätern. Im Bundesarchiv lagern ebenso tausende richterliche Ermittlungen über alliierte Kriegsverbrechen, die von der Wehr- macht-Untersuchungsstelle für Verletzungen des
    Völkerrechts, einer von Richtern besetzten Behörde, in den Jahren 1939 bis 1945 erstellt wurden. Diese Akten sind für eine Studie über Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg unerlässlich. Darüber hin- aus gibt es in ausländischen Archiven in Washington, London, Bern und so weiter tausende einschlägige Berichte, diplomatischen Schriftverkehr sowie umfangreiches Fotomaterial. Es ist unmöglich, die Megaverbrechen der Vertreibung zu leugnen. Und dennoch gibt es amerikanische, britische, polnische, tschechische und sogar deutsche Negationisten.

    Besonders verlustreich waren die Vertreibungen durch polnische Behörden, die sich in keiner Weise an die Bedingungen des Potsdamer Abkommens hielten. Nach Artikel IX des Potsdamer Kommuniqués vom 2. August 1945 wurden die deutschen Ostprovinzen nur unter polnische «Verwaltung» gestellt, und gemäß Artikel XIII sollten die Deutschen «in geordneter und humaner» Weise aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn nach Deutschland übersiedelt werden. Für den Zeitpunkt und die Organisation der Umsiedlung war vor allem der Alliierte Kontrollrat in Berlin zuständig. Gemäß Absatz 3 des Artikels XIII galt ein Vertreibungsmoratorium, bis die Besatzungsmächte in Deutschland für die Aufnahme,
    Ernährung und Unterkunft der Auszusiedelnden sorgen konnten. Nur Ungarn hielt sich an das Moratorium, und von «geregelt und human» kann nicht die Rede sein, wie ein ausführlicher Bericht des US-Repräsentantenhauses 1950 feststellte.

    Prof. Alfred de Zayas. Foto: CC BY-SA creativecommons.org

    Prof. Dr. Alfred Maurice de Zayas(*1947) ist US-amerikanischer Völkerrechtler, Historiker und Professor an der Geneva School of Diplomacy and International Relations. Er war als Sekretär des UN-Menschenrechtsausschusses und Chef der Beschwerdeabteilung im Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte tätig. Von 2012 bis 2018 war er unabhängiger Experte des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung. Er hat 14 Berichte an den Menschenrechtsrat und die UN-Generalversammlung vorgelegt, unter anderem über die Theorie und Praxis des Selbst- bestimmungsrechtes der Völker und über das Menschenrecht auf Frieden. De Zayas ist Verfasser zahlreicher Gutachten und Bücher zu den Vertreibungsverbrechen und wurde mit mehreren Menschenrechtspreisen ausgezeichnet.

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