Heute vor 50 Jahren: Die Aufhebung des Goldstandards durch US-Präsident Nixon ließ die Finanzmärkte von der Leine und führte zu den Weltwirtschaftskrisen, die seitdem mit zunehmender Wucht ausbrechen. Das Geldmonster, einmal freigelassen, stürzte sich auf die Realökonomie. Ein Auszug aus COMPACT-Spezial Welt. Wirtschaft. Krisen – vom Schwarzen Freitag zum Corona-Crash. Hier mehr erfahren.

    Die Büchse der Pandora wurde genau am 15. August 1971 geöffnet: An diesem Tag löste US-Präsident Richard Nixon die Bindung des US-Dollars an das Gold – ohne vorherige Rücksprache mit anderen Regierungen, nicht einmal mit den NATO-Verbündeten. Bis dahin war jeder Greenback zu einem fixen Kurs in das Edelmetall umtauschbar gewesen – jede Dollarnote war, wie das Magazin Time schrieb, „ein jederzeit einlösbarer Scheck auf den Goldhort in Fort Knox“ gewesen.

    Mit Nixons Schritt wurde die Axt an die Fundamente der Weltwirtschaft gelegt: Seit 20 Jahren hatte die Ökonomie rund um den Globus gebrummt, Export- und Importkennziffern schossen in die Höhe, das Pro-Kopf-Einkommen stieg und stieg, die Menschen konnten sich immer mehr leisten und hatten immer länger Urlaub – und zwar nicht nur in den westlichen Ländern, sondern auch in der sowjetischen Sphäre und sogar in der Dritten Welt. Die 1950er und 1960er Jahre waren, wirtschaftlich betrachtet, das goldene Zeitalter gewesen. Dann begannen die Erschütterungen, die in den 1980er Jahren in Erdbeben mündeten.

    Gold ist Geld

    Doch warum war es ausgerechnet die Kappung der Dollar-Gold-Bindung durch Nixon, die eine lange Phase der Stabilität und des Aufschwungs beendete? Dazu ein kleiner historischer Rückblick: Seit den Zeiten des Altertums war Gold das eigentliche Geld gewesen. Von den 1870er Jahren bis zum Ersten Weltkrieg tauschten sich die Währungen nach dem jeweiligen Goldanteil der Münzen aus: Das britische Pfund bestand aus etwa 20-mal mehr, der US-Dollar etwa viermal mehr Gold als die Reichsmark, entsprechend war der Wechselkurs 20:1 beziehungsweise 4:1.

    Dollars und Gold: Beides war im Bretton-Woods-System aneinander gekoppelt. Foto: Bulent camci / Shutterstock.com

    Da Banknoten nur als Ersatz für goldhaltige Münzen in Umlauf kamen, war die Erhöhung der Geldmenge an größere Goldzufuhr gekoppelt, was entweder die zusätzliche Förderung in Goldminen oder den Erwerb von Gold im Austausch gegen Exportüberschüsse erforderlich machte – beides war arbeitsintensiv. Damit war der Wertlehre der klassischen Ökonomie genüge getan: Nach der Theorie von Adam Smith (1723–1790) ist „Arbeit das ursprüngliche Geld, womit alle Waren gekauft werden“. Karl Marx (1818–1883) formulierte in seinen Grundrissen, an Smith anknüpend: „Das Geld ist die Arbeitszeit als allgemeine Ware.“

    Das nicht-oxidierende Edelmetall war ideal, um das Geld auf die Arbeitszeit zu beziehen: Da es keine chemischen Verbindungen eingeht und zwar selten, dann aber relativ oft oberirdisch vorkommt, war „für seine erste Auffindung nur ‚rough labour‘, weder Wissenschaft noch entwickelte Produktionsinstrumente erforderlich“ (Marx).

    Die Menge des weltweit geförderten Goldes entsprach ziemlich genau der aufgewendeten „rough labour“ – daran hat sich bis heute kaum etwas geändert. Hätte man den Wert der Währungen nicht an Gold, sondern beispielsweise an Stahl gekoppelt, wäre das anders gewesen: Durch moderne Technik lässt sich seit über 100 Jahren die Stahlproduktion beständig steigern, während die aufgewendete Arbeitszeit sinkt.

    John Maynard Keynes: Seine Wirtschaftstheorie legitimiert die unbegrenzte Geldvermehrung. Foto: CC0 / Wikimedia Commons

    Keynes und Marx

    Der Brite John Maynard Keynes (1883–1946) war der erste Ökonom, der in der Golddeckung der Währungen ein „barbarisches Überbleibsel“ sah. Auf drei Sätze gebracht lautet seine tragende Idee: Im marktwirtschaftlichen System gibt es aus strukturellen Gründen eine Nachfragelücke, die für die Arbeitslosigkeit verantwortlich ist. Diese Nachfragelücke muss geschlossen wer-den, indem die Regierung Industrie und Privathaushalten billiges Kreditgeld zur Verfügung stellt, notfalls mittels Staatskonsum die Konjunktur stimuliert. Erhöhung der Geldzirkulation und Staatsverschuldung (Deficit Spending) sind hierfür obligatorisch – das „fresh money“ kommt aus der Druckerei und ist nicht durch eine zusätzliche Goldmenge gedeckt.

    Woher aber kommt die „strukturelle Nachfragelücke“ in marktwirtschaftlichen Systemen, die Keynes beheben wollte? Das Problem lässt sich gut in seinem Bonmot „Autos kaufen keine Autos“ zusammenfassen: Je mehr Produkte ein Arbeiter mit der stets fortschreitenden Automatisierung erzeugt, umso geringer ist der Anteil, den er davon kaufen kann. Anders gesagt: Der Mehrwert, den er durch seine Arbeitskraft dem Rohprodukt zu-setzt, übersteigt immer mehr den Lohn, den er erhält. Wer aber soll dann die ganzen Autos kaufen?

    Dasselbe Dilemma skizzierte, an Marx anknüpfend, Rosa Luxemburg (1871–1919). Die KPD-Gründerin hatte in ihrem Hauptwerk Die Akkumulation des Kapitals herausgefunden, dass der Kapitalismus, je mehr er die ganze Welt durchdringe, an eine Systemgrenze stoße. In einer globalen Gesellschaft, die nur noch aus Kapitalisten und Proletariern bestünde, müsste der Teil der produzierten Wertmasse, der die Lohnsumme der Arbeiterschaft übertreffe, immer unverkäuflich bleiben. Je größer also der produzierte Mehrwert werde, umso schlechter lasse er sich realisieren – die fertigen Autos stehen auf Halde und finden keine Käufer mehr.

    Rosa Luxemburg. Foto: CC0, Wikimedia Commons

    Dieses sogenannte Realisierungsproblem könne nur gelöst werden, wenn Kaufkraft von außen zugeführt werde. Bei Luxemburg besteht dieses Außen aus Ländereien und Milieus der vorkapitalistischen Produktion, bei Keynes aus zusätzlicher Geldschöpfung. Für Luxemburg waren die kapitalistischen Staaten bei Strafe des Untergangs gezwungen, immer neue Territorien als Absatzgebiete zu erobern. Keynes und seine Jünger gingen listig davon aus, dass die innere Kolonisierung – die Entdeckung neuer gesellschaftlicher Aufgaben und ihre Verwandlung in zahlungskräftige Nachfrage mittels staatlicher Geldschöpfung – die äußere überflüssige machen würde.

    Roosevelt und Hitler

    Die Realitätstüchtigkeit von Keynes‘ Vorschlägen zeigte sich – kurzfristig! – in der Depression der 1930er Jahre: Die führenden Ökonomen empfahlen den Regierungen, anders als Keynes, abzuwarten und ihre öffentlichen Ausgaben zu beschneiden. Das hieß: Der Staat solle sparen wie ein Tante-Emma-Laden, der in Zeiten guter Geschäfte Investitionen tätigt und in schlechten Zeiten darauf verzichtet.

    Nur so ließen sich die Defizite in den öffentlichen Haushalten begrenzen – andernfalls drohe der Staatsbankrott. In Deutschland setzte Heinrich Brüning, Reichskanzler von 1930 bis 1932, diese Ratschläge mit Notverordnungen gegen das Parlament durch. Die Folge seines Sparkurses: Die Geldmenge schrumpfte – die Bankeinlagen sanken 1931 um 17 und 1932 um weitere sieben Prozent, der Bargeldumlauf sank 1932 um 15 Prozent –, der Wechselkurs der Reichsmark explodierte, die Arbeitslosigkeit auch.

    Keynes forderte von der britischen Regierung 1929 das Gegenteil: Sie solle sich bei den Banken pro Jahr hundert Millionen Pfund leihen und damit Jobs für eine halbe Million Arbeitslose schaffen…

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