Der afghanische Präsident Aschraf Ghani hat das Land Richtung Tadschikistan verlassen, der Präsidentenpalast in der Hauptstadt Kabul wurde offenbar von den islamistischen Taliban eingenommen. Mehr über das totale Scheitern der USA im Nahen und Mittleren Osten lesen Sie im COMPACT-Spezial Krieg. Lügen. USA: Die Blutspur einer Weltmacht. Hier mehr erfahren.

    Und Saigon wiederholt sich doch: Wie zum Ende des Vietnamkrieges gerät auch das Ende des Afghanistankrieges zu einem unbeschreiblichen Desaster. Selbst der Rückzug kann nicht mehr organisiert erfolgen, sondern wird zu einer würdelosen und von Panik getriebenen Flucht. Das gilt bis zu den obersten Spitzen der Regierung.

    Saigon 2.0 statt westliche Siege

    Südvietnams Präsident Thieu, der seit 1967 amtierte, legte sein Amt am 21. April 1975 und floh erst nach Taiwan, später dann nach Großbritannien und in die USA, neun Tage später fiel die südvietnamesische Hauptstadt Saigon. Heute wird die Flucht des afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani nach Tadschikistan vermeldet. Die Bilder und die Nachrichten gleichen sich im April 1975 wie im August 2021…

    Wie utopisch und maximal verblendet wirken jetzt schon die noch vor wenigen Tagen getätigten Äußerungen des Stahlhelm-Transatlantikers und außenpolitischen Sprechers der CDU, Norbert Röttgen, der mit Blick auf den Vormarsch der Taliban herumgepoltert hatte:

    Ich glaube, man darf dem einfach nicht zuschauen, sondern man muss sich dem entgegensetzen.

    Westliche Ideen ohne Strahlkraft

    Aber selbst ein Politiker wie Röttgen muss jetzt einsehen, dass die politischen Vorstellungen des Westens in Afghanistan in den vergangenen 20 Jahren wieder keinerlei Wurzeln geschlagen haben. Man hat dort immer nur Vasallen herangezogen, aber nie Überzeugungstäter – allen schönen Bildern von gebohrten Brunnen und errichteten Mädchenschulen zum Trotz.

    Und so wird heute, wo die Einnahme des Präsidentenpalasts von Kabul vermeldet wird, die nächste epochale Niederlage einer westlichen Supermacht am Hindukusch besiegelt – nach den Briten im 19. Jahrhundert und der Sowjetunion im 20. Jahrhundert trifft es im 21. Jahrhundert nun die USA.

    Afghanistan-Veteranen der Roten Armee bei einem diesjährigen Treffen im kasachischen Alma Ata. Foto: Vladimir Tretyakov I Shutterstock.com.

    Vormarsch der Terror-Taliban

    Auch aus deutscher Sicht ist die Bilanz schlicht niederschmetternd. Milliarden von Euros wurden in den Sand gesetzt, 59 Bundeswehrsoldaten verloren ihr Leben. Wofür eigentlich? Am Ende eigentlich nur für haltlose und naive Polit-Schwätzer vom Schlage eines Norbert Röttgen, die sich selbst und ihrem Anhang über geschlagene zwei Jahrzehnte hinweg suggeriert haben, man können am Kabul River mal so eben im Handumdrehen eine Westminster-Demokratie aus dem Ärmel schütteln.

    Stattdessen haben sie etwas anderes erreicht – der Chefredakteur der Bild-Zeitung, Julian Reichelt, stellte schon fest:

    Wir haben die größte islamistische Armee der Welt geschaffen.

    Wie wahr! Und diese größte islamistische Armee der Welt kommt durch den überstürzten Abzug der westlichen Armeen und die totale Arbeitsverweigerung der afghanischen Armee auch noch massenweise an modernste Waffensysteme, die eigentlich für die nun in Windeseile von den Taliban überrollte afghanische Armee bestimmt waren.

    Explosionsgefahr im Kaschmir

    Wer nun einwendet, dass sie diese ja gar nicht bedienen können, hat die Rechnung ohne Pakistan gemacht, dass schon seit dem Einmarsch der Roten Armee im Dezember 1979 seine schützende Hand über die Islamisten in dem Land hielt und diesen auf militärischer Ebene sicherlich weiter behilflich sein wird.

    Weitere Eskalationen des Konflikts könnten folgen. Der Sieg der Taliban, der vor allem auch ein Sieg der paschtunischen Bevölkerungsmehrheit des Landes ist, ist auf geopolitischer Ebene auch ein Erfolg des chinesisch-pakistanischen Blocks gegen Indien. Wird nun auch bald der Kaschmir explodieren? Das würde sogar die Gefahr eines Krieges zwischen den beiden Atommächten Indien und Pakistan auf die Tagesordnung setzen.

    Auch für Deutschland könnten die Folgen dramatisch sein. Ein gigantischer Asyl-Tsunami wie in den Jahren 2015/2016 könnte anstehen, die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kann es schon jetzt kaum erwarten, die Schleusentore sperrangelweit zu öffnen.

    Mehr über das totale Scheitern der USA im Nahen und Mittleren Osten lesen Sie im COMPACT-Spezial Krieg. Lügen. USA: Die Blutspur einer Weltmacht. Hier finden Sie Artikel zu den beiden Irak-Kriegen, der fatalen Intervention in Libyen wie auch dem Tor zur Hölle, das in Syrien geöffnet wurde. Hier mehr erfahren.

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