„Die Cyborgs werden die Menschen versklaven“

Wird die Künstliche Intelligenz den Menschen unterjochen, vielleicht sogar vernichten? Diese Gefahr, zuerst von Nobelpreisträger Stephen Hawking thematisiert, steht im Mittelpunkt der neuen COMPACT-Spezialausgabe „Transhumanismus. Künstliche intelligenz und das Ende des Menschen“ (am Samstag am Kiosk, jetzt schon in unserem Online-Shop). Chefredakteur Jürgen Elsässer und unser Autor Timo Beil haben sich über einige Aspekte unterhalten.

Elsässer: Ein Zitat zum Anfang. Stephen Hawking, der wohl bekannteste Naturwissenschaftler seit Albert Einstein, hat gesagt: „Wenn die künstliche Intelligenz erst mal vollständig entwickelt ist, dann könnte das das Ende der Menschheit bedeuten.“

Künstliche Intelligenz als Gefahr für die Menschheit: Wir haben dramatische Warnrufe von Wissenschaftlern Ende Mai 2023: Mehrere hundert Wissenschaftler, unter anderem die Chefs von OPEN IA, die Entwickler von ChatGPT, und GoogleDeepmind, haben die Gefahr der künstlichen Intelligenz mit der Vernichtung der Menschheit durch Atombomben verglichen. Und wir hatten am 23. Mai ein Interview in der WELT, wo ein Experte sagt: „Selbst Angestellte führender KI-Unternehmen haben Angst. Nicht wenige von ihnen halten es für möglich dass die Weiterentwicklung noch in den 2020er-Jahren zum Ende der Menschheit führt“. Timo, würdest du sagen, das ist übertrieben oder hältst du es für eine reelle Gefahr?

Beil: Die Darstellung ist auf jeden Fall übertrieben. Denn wir haben diese Stichwörter Atombombe, Angst. Die Gefahr ist gegeben, das ist richtig, aber es ist etwas komplizierter. Weil es nach meiner Einschätzung darum geht, dass die sogenannte Künstliche Intelligenz, also das maschinelles Lernen uns aushebelt. Dass die Algorithmen immer besser im Rahmen des Big Data, also im Abschöpfen unserer Klickgewohnheiten werden, uns einschätzen und simulieren und uns damit stupsen. Das nennt man Nudging. Wir werden in unserem Verhalten dahin gestupst, wo uns die KI gerne hätte. Und das, was an menschlichem Gemüse übrig bleibt, ob das dann noch Menschheit ist, wäre mein Ansatz – wo ich mich frage, ob wir solche Menschen noch sein wollen.

Der neue Rassenkrieg

Elsässer:
 Das halte ich für untertrieben, was du da sagst. Wir haben ja in COMPACT-Spezial auch ein Kapitel zu Klaus „Mabuse“ Schwab. Er ist Chef des Weltwirtschaftsforums (WEF), also ein sehr potenter, einflussreicher Mann, der die globale Elite jedes Jahr in Davos in der Schweiz versammelt, und er hat wörtlich geschrieben: „Die heutigen externen Geräte, vom tragbaren Computer bis hin zum Virtuell Reality Headset werden mit ziemlicher Sicherheit in unseren Körper und Gehirn implantiert werden. Exoskelette und Prothesen werden unsere körperliche Leistungsfähigkeit erhöhen, während Fortschritte in der Neurotechnologie unsere kognitiven Fähigkeiten verbessert werden“. Also für mich läuft es nicht nur aufs Nudging hinaus, dass wir über Big Data in eine bestimmte Präferenz-Richtung der Kommunikation und des Kaufverhaltens gedrückt werden, sondern es wird daran gearbeitet, uns als physische Wesen durch Implantate von Computern und Chips zu verändern, um sozusagen Mischwesen zwischen Mensch und Maschine, also Cyborgs, herzustellen.

Beil: Das Bestreben ist da, und zwar auch schon eine ganze Weile. Nur kommt es für mich auf den Punkt an; beschreiben wir diese Leute noch als Menschen oder sind es andere Wesen? Entspricht das unserer Definition vom Menschen? Und dann werden es ja auch nicht alle auf einmal sein. Was ich sehe ist eine Aufteilung, von dem, was bisher die menschliche Spezies war oder als solche galt, in unterschiedliche Spezies und damit auch die Schaffung von Cyborgs, dieser biomechanischen Lebewesen. Die Techniken sind da. Für Freunde des Films Matrix: Es wurden jetzt Patente angemeldet und Techniken entwickelt, dass diese Wearables – so heißt das auf Englisch –, also die tragbaren Geräte, Hörgeräte, die Idee auch ein Smartphone zu haben, was man am Auge ablesen kann, also auf die Netzhaut projiziert und solche Geräte – dass die in Zukunft ihren Strom aus dem menschlichen Körper beziehen. Damit sind wir bei der Technologie, auf der dieser Matrix-Film ansetzt. Dass der menschlichen Körper nur noch als Energiequelle dient. Diese Möglichkeit ist gegeben. Das wird auch verfolgt. Ob das wirklich umsetzbar ist oder ob das nicht an äußeren Faktoren scheitert, wäre mein Bedenken an dieser Stelle. Die Leute, die das betreiben sind dumm genug, das ernst zu nehmen.

Elsässer: Ich glaube, du hast da ein gutes Stichwort geliefert. Es werden sich auf keinen Fall alle acht milliarden Menschen diese Dinge einbauen lassen. Es ist ja auch ein Kostenfaktor. Das heißt, es ist eine Optimierungsmöglichkeit für sehr reiche Menschen. Und es könnte sich eine Spaltung des Homo Sapiens ergeben. Die Spezies als Gesamtspezies hört auf zu existieren. Es gibt dann die normalsterblichen Adams und Evas so wie wir, und es gibt dann die Optimierten. Sozusagen fast schon eine neue Rasse der Übermenschen. Das sind dann die Leute wie Klaus Schwab und ähnliche, die das nötige Kleingeld und Wahnsinnsfantasien haben. Die in Cyborgs verwandelten Übermenschen werden die bisherigen Menschen  versklaven. Das wäre ein neuer Rassekrieg: Homo Deus, (Gottmensch; ein Ausdruck des transhumanisten Yuval Harari) gegen den Homo sapiens.

Beil: Ich möchte ergänzen, es spricht auch einiges dafür, dass es auch eine Spezies von Suboptimierten geben wird. Also vielleicht sind wir jetzt eitel, dass wir unbequem wären, weil wir etwas weiter denken. Allerdings ist es ja bequemer die Leute zu verdummen, in Hinkunft. Also ohne viel Implantate und großen Aufwand durch schlechte Ernährung und dergleichen. Solche Planungen beruhen größtenteils auf Simulationen, und dann kann man solche Faktoren ja mit einbeziehen. Und wenn ich als künstliche Intelligenz sehr interessant finde, ist Aladin von der Investmentfirma Blackrock, die ja schon lange arbeitet und lediglich Geldflüsse optimiert.

KI außer Kontrolle

Elsässer: Jetzt sind wir schon beim nächsten Punkt, der in unserer COMPACT-Spezialausgabe zum Transhumanismus behandelt wird. Wir haben verschiedene Ebenen des transhumanistischen Angriffs: Das eine sind die Körperoptimierungen über Mensch-Maschine-Wesen. Das Zweite wäre das Agieren von Megacomputern, evtl. auch verbunden mit Roboter, sozusagen außerhalb des menschlichen Körpers, Beispiel Aladin oder oder ChatGTP. Dann die dritte Ebene, die Gentechnik. Die wird in unserer Spezialausgabe „Transhumanismus“ als Schwerpunkt mitbehandelt, heute können wir sie nur streifen.

Zunächst zu den Computer: Man sagt ja immer, der Computer ist ja immer nur so intelligent, wie der Mensch, der ihn programmiert. Das träfe ja auch auf Aladin zu, über den du gerade gesprochen hast. Aber ich habe da einen sehr interessanten Vorgang von ChatGPT. Das ist ja eigentlich nur eine kommunizierende Version von Google – sie kann Hausaufgaben, Studienarbeiten und journalistische Artikel schreiben – wahrscheinlich besser als die Journalisten der Mainstreampresse, und kann auch Bilder generieren. Aber zwei besorgniserregende Vorgänge: Über der einen hat sogar die Bildzeitung im April berichtet. Der Fall: Da hat der Redakteur die ChatGPT gefragt, ob Gregor Gysi ein Stasi-Agent ist. Darauf hat die ChatGPT mit ja beantwortet – soweit so gut, es gibt ja Anhaltspunkte für diese Sache. Die künstliche Intelligenz hat dann hinzugefügt „Gysi hat das auch zugegeben“. Und dieser Fakt stimmt ja eindeutig nicht. Gysi mag ja ein Stasi-Agent gewesen sein, aber er hat es niemals zugegeben, im Gegenteil, er hat sogar Prozesse dagegen geführt. Darauf hat der Bild-Redakteur die Maschine hingewiesen. Dann behauptet die Maschine frech, das sei bewiesen. Da gäbe es diese und diese und diese Fundstellen. Unter anderem auf der Webseite des Stasi-Unterlagenarchivs. Daraufhin hat die Bildzeitung beim Stasi-Unterlagenarchiv nachgefragt. Und die Fundstelle, die die Maschinenintelligenz angegeben hat, war frei erfunden! Das heißt, die Maschine war so frech, dass sie einen Beleg für ihre Lüge erfunden hat. Das zeigt, welches Potential in diesen Maschinen steckt, sich der menschlichen Kontrolle zu entwinden. Der Bildzeitungsredakteur war ja noch einigermaßen clever und hat sich kein X für ein U vormachen lassen. Aber viele andere Leute, da ist die Möglichkeit, dass die dem nicht gewachsen sind.

Mehr noch als bei der Texterstellung zeigt sich die Gefährlichkeit von KI-generierten Fakenews im Bereich von Foto und Grafik: Amnesty International illustrierte im Frühjahr 2023 einen Bericht über Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik China mit einem komplett KI-generierten Foto. Im gleichen Zeitraum brachte Bild ein täuschend echtes Foto von Donald Trump in Handschellen, wie er gerade von der Polizei abgeführt wird (als dem früheren US-Präsidenten im Zuge eines Anklageverfahrens die Verhaftung drohte). Die Macht perfekt gefälschter Bilder, sogenannter Deep Fakes, zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Was wäre, wenn Aufnahmen eines russischen Atombombenabwurfs um den Globus gingen, ergänzt durch erfundene Augenzeugenberichte und Agenturmeldungen?

(Sehen Sie das vollständige Gespräch zwischen Timo Beil und Jürgen Elsässer am Samstag auf unserem Youtube-Kanal. Die COMPACT-Spezialausgabe „Transhumanismus. Künstliche Intelligenz und das Ende der Menschheit“ können Sie hier bestellen.)