Die Corona-Pandemie versetzt Deutschland in Angst und Schrecken. Wie schlimm ist die Lage wirklich – und werden die richtigen Vorkehrungen getroffen? Wir haben uns darüber mit einem Fachmediziner unterhalten. Es folgt ein Auszug aus COMPACT 04/2020.

    _ Helge Bischoff im Gespräch mit Daniell Pföhringer

    Herr Dr. Bischoff, unternimmt die Bundesregierung genug, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen?

    Die Lage ändert sich von Tag zu Tag. Ich denke aber schon, dass die Bundesregierung die richtigen Maßnahmen getroffen hat. Es gab ja Schulschließungen, die Absage von Großveranstaltungen und so weiter. Letztendlich liegt es aber auch bei jedem Einzelnen, die Infektionsrisiken zu minimieren.

    Wäre nicht von Anfang an auch eine Schließung der Grenzen angesagt gewesen?

    Um uns herum waren die Grenzen schnell praktisch zu. Man muss bei der Gesamtbetrachtung auch berücksichtigen, dass in vielen Ländern relativ wenig getestet wird. In den USA wurden beispielsweise bis zur dritten Februarwoche nur 1.000 Tests gemacht. Die offiziellen Zahlen bilden also die tatsächliche Infektionssituation nie genau ab.

    Das heißt, die Dunkelziffer ist sehr hoch.

    Die ist extrem hoch. Das kann man auch daran sehen, dass die Todesrate in Italien im Vergleich zu anderen Ländern sehr hoch ist, selbst im Vergleich zu China. Das liegt sicherlich auch daran, dass man in Italien in der Anfangsphase nur die Schwerstkranken getestet hat, nicht die Kontaktpersonen oder jene, die wenig oder keine Symptome gehabt haben.


    Die Kanzlerin hat angekündigt, dass sich 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung mit dem Coronavirus anstecken würden. Das klingt für den Normalbürger erst mal schockierend.

    Da gibt es unter den Fachleuten unterschiedliche Ansichten. Die von Ihnen genannten Zahlen stammen von dem Chefvirologen der Charité, Christian Drosten. Der Jenaer Virologe Alexander Kekulé geht von geringeren Zahlen aus. Wer schlussendlich recht hat, weiß man nicht. Das wird der Verlauf zeigen.

    Das hört sich nicht sehr beruhigend an.

    Wenn wir von dem genannten Szenario ausgehen, bedeutet das ja nicht, dass sich 60, 70 oder auch 80 Prozent gleichzeitig anstecken. Das ist eine Projektion auf ein, zwei Jahre. Die Leute entwickeln nach durchgemachter Virusinfektion Immunität. Wenn dann eine Durchseuchung von 80 Prozent erreicht ist, kommt die Infektionswelle zum Erliegen, da eine Weitergabe von Person zu Person nur noch selten vorkommt, weil quasi so viele Immune dazwischen sind.

    Von dem Charité-Virologen Drosten steht ja auch die Zahl von bis zu 278.000 Corona-Toten im Raum. Das verunsichert die Bevölkerung enorm.

    Kekulé hat diese Rechnung als das «maximale Horrorszenario» bezeichnet, er kommt – im Vergleich zu den Zahlen in der chinesischen Region Wuhan – im schlimmsten Fall auf 40.000 Todesfälle. Grundsätzlich sollte man eines bedenken: Die Menschen, die «an Corona sterben», sind in der Regel Patienten, die mit  Corona sterben. Es betrifft im Wesentlichen Menschen, die alt sind und mehrere Vorerkrankungen haben. Da bringt natürlich ein zusätzlicher Infekt, der sich auf die Atemwege auswirkt, die Lage zum Kippen. Die nun diskutierte Zahl der möglichen Toten ist hoch, sie muss allerdings in Relation zu den gesamten Sterbefällen pro Jahr gesetzt werden. Man müsste also berücksichtigen: Wie ist die «Übersterblichkeit» – also wie viele Leute sterben zusätzlich an dieser Erkrankung und nicht an Vorerkrankungen? Dazu gibt es aber keine Zahlen.

    Was ist mit jüngeren Menschen, die keine Vorerkrankung haben?

    Ich kann unabhängig vom Alter jedem Bürger empfehlen: Bleibt möglichst zu Hause, vermeidet unnötige Kontakte – und raucht nicht! Raucher sind schlechter dran als Nichtraucher, weil bei ihnen ohnehin schon eine Schädigung des Lungensystems vorliegt. (…) Ende des Auszugs.

    _ Dr. med. Helge Bischoff ist Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde und lebt in Leimen (Baden-Württemberg).

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