Der Kampf um den CDU-Vorsitz ist eröffnet: Nachdem Merkels in Ungnade gefallene Wunschkandidatin AKK nach dem Thüringen-Debakel endgültig das Handtuch geworfen hat, präsentierte zuerst Norbert Röttgen seine Vorstellungen von der Zukunft der kriselnden Volkspartei. Am Dienstag folgten jetzt Armin Laschet und Friedrich Merz. Sie alle wollen Kanzler werden – wer sind die Kandidaten und wofür stehen sie?

    Norbert Röttgen

    Norbert Röttgen: Öffnung für grüne Großstädter. | Foto: CC BY 2.0

    Der ehemalige Bundesumweltminister (2009–2012) preschte als erstes vor: Mit einem „Weiter so“ bekomme man Ergebnisse wie die elf Prozent bei der Hamburg-Wahl, das historisch zweitschlechteste Ergebnis der Partei überhaupt. Der Kandidat plädiert daher für eine politische Anpassung der CDU an grüne Großstadtmilieus, die er als gesellschaftliche Mitte der einer sich verändernden Gesellschaft definieren will: „Wir müssen auch Großstadtpartei bleiben und nicht nur bei Über-60-Jährigen eine relative Mehrheit haben“, sagte Röttgen gegenüber N-TV.

    Die CDU brauche „weder Stillstand noch Richtungswechsel, sondern eine „neue Mitte“. Diese Kurswende soll vor allem durch das Kopieren grüner Inhalte geschehen: „Zum Beispiel glaube ich, dass für diese neue Mitte entscheidend ist, – mal strategisch für die CDU gesprochen – dass wir die Grünen bezwingen, dass wir auch gegenüber den Grünen wieder Punkte erringen und sie auf Abstand halten. Dazu gehört es, dass der neue CDU-Vorsitzende über klimapolitische Glaubwürdigkeit verfügt“, sagte Röttgen. Schon im Kabinett Merkel II hatte er sich im NRW-Wahlkampf für die Möglichkeit schwarz-grüner Koalitionen ausgesprochen, was seinerzeit noch für Unmut im Kanzleramt sorgte. Röttgen verlor die Wahl haushoch, wohl auch, weil er den Eindruck gemacht hatte, seine Berliner Karriere sei ihm wichtiger als das Land Nordrhein-Westfalen. Schließlich musste der Umweltminister und einstige Merkel-Liebling (Beiname: „Muttis Klügster“) seinen Hut nehmen: Die Kanzlerin schmiss ihn kurzerhand aus der Regierung.

    Politisch fordert der Kandidat eine gleichzeitige Abgrenzung nach rechts (AfD) und links (gemeint ist die Linke). Als wichtige Ziele nennt er die die „Beseitigung der Gründe für den erstarkenden Rechtspopulismus“, eine „geordnete“ Zuwanderung und das „Zurückgewinnen klimapolitischer Glaubwürdigkeit“. Ganz im Sinne der weiteren Öffnung der CDU für linksliberale Wählerschichten will Röttgen das Image als biedere Partei der „alten, weißen Männer“ überwinden. Dazu soll der Posten des CDU-Generalsekretärs unter seiner Führung weiblich besetzt werden: „Und dann ist es auch eine Frage des politischen Führungswillens, dass in die vorderste Reihe, und nicht in die zweite Reihe, Frauen kommen, die wir haben, um sichtbar zu machen: Wir sind eine Frauenpartei.“ Wer nach der Ära Merkel und dem ruhmlosen Ende von AKK hierfür in Frage käme, ließ der Politiker allerdings offen.

    Auch wenn Norbert Röttgen womöglich nicht der aussichtsreichste Kandidat ist, ist er zumindest bestens vernetzt: Als ist einer von zwei stellvertretenden Vorsitzenden der pro-amerikanischen Lobbygruppe Atlantik-Brücke nahm er im Mai/Juni 2014 an der Bilderberger-Konferenz in Kopenhagen teil – einem von den Augen der Öffentlichkeit verborgen tagenden Gesellschaft aus einflussreichen Politikern, Militärs und Wirtschaftsbossen. Schon mancher politische Posten soll auf diesen Konferenzen ausgehandelt worden sein…

    Armin Laschet

    Armin Laschet: Parteifreunde nannten ihn „Türken-Armin“.

    Noch vor wenigen Wochen hatte Laschet bei einer Büttenrede in seiner Heimatstadt Aachen gefragt, wer „Deutschlands next Mutti“ werden solle. Als das Publikum „Armin, du musst es machen!“ rief, wiegelte er ab. „Nein, nein, nein, nicht ich. Quatsch!“, gab er bescheiden zurück. Doch was kümmert mich mein Geschwätz von gestern: Am Dienstag erklärte Laschet bei der Bundespressekonferenz, CDU-Vorsitzender und dann Kanzlerkandidat werden zu wollen – es wäre der Höhepunkt einer Karriere, die von Niederschlägen geprägt ist.

    Der Weg zum Ministerpräsidenten des bevölkerungsreichsten Bundeslandes war lang: Laschet brachte es nicht zum Volljuristen, arbeitete zunächst als Volontär für den Bayrischen Rundfunk, dann als freier Journalist, etwa für den „Party-Hit-Mix“-Privatsender Radio Charivari, später für das ARD-Politmagazin „Report München“. 2005 wurde er an Rhein und Ruhr Deutschlands erster Integrationsminister überhaupt – und brach mit der noch unter der Kohl-CDU gültigen Linie, dass die „Gastarbeiter“ irgendwann auch wieder in ihre Heimatländer zurückkehren müssen. Schon damals erklärte Laschet Deutschland zu einer „de facto multikulturellen Gesellschaft“, weshalb er parteiintern als „Türken-Armin“ verspottet wurde. 2010 verlor er das Rennen um den Fraktionsvorsitz in Nordrhein-Westfalen bei einer Mitgliederbefragung gegen seinen alten wie neuen Konkurrenten Norbert Röttgen, brachte es erst nach dessen Wahlschlappe 2012 zum Landesvorsitzenden. Aus dieser Zeit stammt auch der hämische Spitzname „Lusche Laschet“– zu nett und harmlos für die Parteipolitik.

    Umso größer die neuen Ambitionen des 59-Jährigen: Laschet will nicht weniger als den „Zusammenhalt“ der von ihm so geschätzten offenen, liberalen und multikulturellen Gesellschaft sicherstellen. Als wichtige Themen nennt er dabei die Angst vor Klimawandel, Digitalisierung und sozialem Abstieg sowie die Ängste von Einwanderern, Muslimen und Juden vor „rechtsextremer Gewalt“. Der grünste der CDU-Spitzenkandidaten präsentiert sich als großer Versöhner, der die ganze Bandbreite der CDU-Klientel vereint. Aus diesem Grund hat sich Laschet auch den für Parteiverhältnisse als „konservativ“ geltenden Gesundheitsminister Jens Spahn als Unterstützung uns Boot geholt – der war lange selbst als Kandidat gehandelt worden und durfte bei der Bundespressekonferenz von einem „weltoffenen Patriotismus“ schwärmen, bevor Laschet seinen großen Auftritt hatte. Der Spagat zwischen den Lagern dürfte in der Praxis allerdings schwierig werden: Beispielsweise sollen Deutschland wie NRW einerseits „Industriestandort bleiben“, andererseits hat der Aachener in Sachen Energiewende Stück für Stück seine Positionen aufgeweicht. Dafür versucht er sich mit umso schärferer Hetze gegen die AfD zu profilieren. „Keine Zusammenarbeit, keine Kooperation, auch nicht zufällig: Das wird es in Nordrhein-Westfalen nicht geben“, rief er mit Blick auf die Thüringen-Wahl aus.

    Kann „Türken-Armin“ das polarisierte Land vereinen? Wohl kaum: Nicht mal sein Landesverband steht geschlossen hinter ihm – schließlich kommen die beiden Konkurrenten ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen…

    Friedrich Merz

    Friedrich Merz: Konservativer Hoffnungsträger oder Blender?

    Mit einer Wahl des Finanzexperten Friedrich Merz hingegen verbinden viele CDU-Anhänger eine Abkehr von Merkels desaströser Asyl- und Zuwanderungspolitik und eine Rückkehr zu konservativen Werten. Für die Bild-Zeitung galt der Sauerländer im Dezember 2019 sogar als „DER Gegenentwurf zu Kanzlerin Angela Merkel“. Die Taz wiederrum bezeichnete ihn als „Traumkandidaten“ der Linken, da er „in der sozialökologischen Mitte und links davon viel, viel Raum“ lasse, so dass das Projekt Rot-Rot-Grün eine Renaissance erfahren könnte.

    Tatsächlich wurde der einst größte parteiinterne Widersacher der heutigen Kanzlerin – der Spiegel zitierte ihn 2010 mit der Aussage: „Die Dame hätte nie Kanzlerin werden dürfen“ – unter anderem dafür bekannt, dass er im Herbst des Jahres 2000 eine breite Debatte über den Begriff der „deutschen Leitkultur“ und die damit verbundene Ausländerpolitik entfachte. Der verheiratete Vater dreier erwachsener Kinder warnte damals vor Parallelgesellschaften und plädierte dafür, das Grundgesetz und die deutsche Sprache als Basis des gesellschaftlichen Zusammenlebens und als „Grundvoraussetzung eines friedlichen Miteinanders“ anzuerkennen. Zugleich betonte Merz, dass Deutschland weiterhin „tolerant und offen“ bleiben müsse.

    Seine Fans sehen in ihm aus diesem Grund die ultimative Waffe im Kampf gegen die AfD. Ob Merz tatsächlich der Hoffnungsträger für enttäuschte Konservative sein kann, ist jedoch fraglich. „Wenn ich dazu beitragen kann, dass dieses Gesindel wieder verschwindet, dann leiste ich diesen Beitrag“, tönte er im Februar mit Blick auf die Blauen – nur um bereits am nächsten Tag zurückzurudern, er habe weder Kandidaten noch Wähler einer bestimmten Partei gemeint. Weiter betont er, die „Mitte“ wieder erobern zu wollen, die die CDU verloren habe, ohne dabei nach rechts rücken zu wollen. Eine klare Position geht anders. Merz Schlingern zeigt: Die AfD zu bekämpfen und gleichzeitig konservative Wähler zurückzugewinnen, wird ihm nur schwer gelingen. Zumal weder die CDU, noch die gesellschaftliche „Mitte“ noch das sind, was sie in den 2000er Jahren waren – bevor der für seine starke Rhetorik bekannte Finanzpolitiker, der zu dieser Zeit als Wirtschaftsanwalt schon in zahlreichen Aufsichts- und Verwaltungsräten saß, aus dem Parlament ausschied.

    Schon im Juli desselben Jahres hatte Merz von dem Airbus-Manager und Bilderberger Thomas Enders den Vorsitz der Atlantik-Brücke übernommen. Der 1952 von dem Bankier Eric Moritz Warburg gegründete Verein mit Sitz in Berlin zählt zu den einflussreichsten transatlantischen Organisationen in der Bundesrepublik. Immerhin die Mitgliedschaft haben die Konkurrenten Merz und Röttgen gemeinsam… Bekannt ist auch die Nähe des passionierten Hobbypiloten zur Finanzwelt. Im Frühjahr 2016 übernahm der Sauerländer zudem den Aufsichtsratsvorsitz der deutschen Tochter des US-Vermögensverwalters BlackRock. Die Gesellschaft verwaltet ein Anlagevermögen von fast fünf Billionen Euro und ist nicht nur bei fast allen Dax-Konzernen der größte Einzelaktionär, sondern auch der größte Anteilseigner von Konzernen wie Google, Apple, Microsoft und vielen anderen. Obwohl Friedrich Merz Millionen verdient hat und zwei Privatflugzeuge besitzt, zählt er sich selbst zur „Mittelschicht“.

    Verspricht der vermögende Transatlantiker tatsächlich eine konservative Erneuerung der von Merkel bis zur Kenntlichkeit entstellten CDU? Merz ist in Umfragen beliebt, doch die CDU ist eisern auf Merkel-Kurs. Noch im Dezember 2019 kam die Welt am Sonntag zu dem Schluss, die „Rolle des Parteirechten“ wolle er lieber Spahn überlassen – der jedoch unterstützt seinen womöglich aussichtsreicheren Konkurrenten Armin Laschet. Für Merz ein Fall von „Kartellbildung“…

    Wer es auch wird – fest steht schon jetzt: Der Neue wird voraussichtlich bis Herbst 2021 neben Merkel bestehen müssen, die AKKs Autorität bis zur Aufgabe untergraben hat. In einer Partei, die die der Tagespolitik geradezu entrückte Kanzlerin ganz auf ihre Person zugerichtet hat, einen neuen Kurs einzuschlagen, dürfte eine zum Scheitern verurteilte Aufgabe sein. Das hat zuletzt die Thüringen-Wahl gezeigt: Lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von COMPACT-Magazin alles darüber, wie Merkel aus Afrika den Befehl gab, die demokratische Entscheidung „rückgängig“ zu machen und damit verfassungswidrig den roten Putsch unterstützte.

     

     

     

     

     

     

    Kommentare sind deaktiviert.