Unsere Vorfahren waren Babyloniern und Griechen weit voraus: Die Himmelsscheibe von Nebra zeugt von einer hochstehenden Kultur schon in der Bronzezeit. In der druckfrischen  Juli-Ausgabe von COMPACT mit dem Titelthema «Verbotene Geschichte –  Vom Alten Ägypten bis zum Dritten Reich» lesen Sie, wie historische Fakten zur Ur- und Frühgeschichte und zu späteren Epochen verbogen oder verschwiegen werden – und wie es wirklich war. Hier mehr erfahren

    _ von Amelie Winther

    Sie sei «kein ungefähres lunisolares Kalendarium mit oder ohne Schaltregel, keine vage Finsternisvorhersage, kein profaner Bauernkalender», sondern nichts weniger als die plastische Darlegung einer «Gotterkenntnis». Dieses Urteil über die Himmelsscheibe von Nebra fällt der Archäologe Christoph Sommerfeld, der als wissenschaftlicher Beirat an der Landesausstellung Sachsen-Anhalt «Der geschmiedete Himmel – Die weite Welt im Herzen Europas vor 3.600 Jahren» (2004–2006) mitwirkte.

    Mit der etwa 4.000 Jahre alten Bronzeplatte sei nämlich «die Erkenntnis bekundet {worden}, dass die Lichtgestirne – jedes für sich eigenartig und unvergleichlich in Gestalt, Bahn und Sichtbarwerden – einem gemeinsamen Gleichmaß unterliegen. Es ist die Erkenntnis, dass der Rhythmus des Lichts eine Ordnung offenbart. Diese Gotterkenntnis wird in der entwickelten Frühbronzezeit bildschriftlich niedergelegt.» Zuverlässigkeit und Stetigkeit des Lichts bildeten also das religiöse Fundament der Bronzezeit, die Himmelsscheibe ist die Bildikone dazu, das selbstbewusste Zeugnis des Menschen, der im übertragenen Sinne das Dunkel «durchschaut» hat.

    Eine vergessene Hochkultur

    Für seine These bemühte Sommerfeld in einem Aufsatz von 2012 mathematische Operationen, die auf die ursprüngliche Gestalt des mehrfach veränderten Artefakts angewiesen sind – mit nämlich 32 Sternen, von denen 25 ohne konkreten Zusammenhang und die restlichen als Gruppe angebracht wurden, wobei für ihn unerheblich ist, dass man diesen Sternenhaufen oft als Plejaden identifiziert.

    Die Plejaden: Einiges spricht dafür, dass der Sternhaufen in der Milchstraße, der nach den Töchtern des Titanen Atlas aus der griechischen Mythologie benannt ist, auf der Himmelsscheibe abgebildet ist. Foto: CC0, Wikimedia Commons

    Diese Herleitung steht und fällt mit den beiden großen Applikationen auf der Scheibe: Für ihn sind dies Sonne und Mond (für andere Interpreten hingegen Vollmond und zunehmender Mond). Die Platte stecke voller Hinweise auf den sogenannten Meton-Zyklus, einen antiker Mondkalender, mit dem der Mathematiker der Himmelsscheibe weit früher als Babylonier und Griechen die Phasen des Trabanten so genau berechnen konnte, dass ein präziser Abgleich von Mond- und Sonnenjahren möglich war.

    Man merkt: Die am 4. Juli 1999 von Raubgräbern auf dem Mittelberg nahe des Unstrutdorfs Nebra in Sachsen-Anhalt entdeckte Himmelsscheibe ist nicht nur Gegenstand solcher Orchideenfächer wie Ethnomathematik und Paläoastronomie. Kein Quadratzentimeter kann so genau vermessen und erforscht werden, dass er stets nicht noch Raum für neue Überlegungen böte. Werden der archäologischen Sensation jemals ihre letzten Geheimnisse entlockt? Haben die Konstrukteure der Himmelsscheibe ihre Botschaft so gut verschlüsselt, dass sie nach ihnen niemandem mehr vollständig erschließbar ist – oder fehlt uns heute einfach der Zugang zu dieser Art des Denkens und Deutens?

    Im Sommer 2019 ließen sich unterm Digitalmikroskop vorgeschichtliche Reinigungsspuren entdecken. Allein diese Winzigkeit eröffnet neue Möglichkeiten für Spekulationen und wissenschaftliche Thesen: Wer hat die Himmelsscheibe auf Hochglanz polieren lassen? Und warum? Stoff auf jeden Fall für die Vermutung, dass mit der sogenannten Aunjetitzer Kultur über vier Jahrhunderte ein prähistorisches Reich mit Mittelpunkt zwischen Harz und Elbe bestanden hat, dessen Ausmaß und Organisation bis dato nicht vorstellbar waren und das den heute bekannteren frühen Hochkulturen in nichts nachstand.

    Fundort der Himmelsscheibe. Foto: Medien-gbr/CC BY-SA, creativecommons.org

    Zu den harten Fakten: Der Durchmesser der Bronzescheibe beträgt etwa 32 Zentimeter, sie ist in der Mitte 4,5 Millimeter dick (an den Rändern 1,7 Millimeter) und wiegt 2,3 Kilogramm. Das Kupfer der Bronze wurde einwandfrei der Lagerstätte Mitterberg bei Salzburg zugeordnet, mittlerweile gehen Forscher davon aus, dass sowohl das Zinn als auch das Gold der Applikationen aus Cornwall in England stammen. Durch hohe Hitzeeinwirkung während der Bearbeitung verfärbte sich die Scheibe zu ihrem ursprünglich fast schwarzen Tiefbraun, was freilich den Eindruck eines nächtlichen (!) Himmels noch verstärken würde. Grün wurde sie erst durch die lange Lagerung in der Erde.

    Wahrscheinlich um 1.600 vor Christus vergrub man sie. Ihr Fundort bietet bei guter Sicht einen Blick auf die an sich schon sagenumwobenen Höhenzüge von Harz und Kyffhäuser – und zu allem Überfluss befindet sich die Fundstelle auf demselben Breitengrad wie Stonehenge, dem europäischen steinzeitlichen Kultort und frühgeschichtlichen Enigma schlechthin. Mithilfe der in einer zweiten Phase ergänzten Horizontbögen auf der Himmelsscheibe konnte am Fundort unter Ausrichtung auf den Brocken die Winter- beziehungsweise Sommersonnenwende bestimmt werden.

    Stonehenge: Das berühmte, vor über 4.000 Jahren errichtete Ringheiligtum in England. Foto: Operarius, CC BY 3.0, Wikimedia Commons

    Noch etwas später fügte ein bronzezeitlicher Schmied die sogenannte Sonnenbarke hinzu (vorbehaltlich abweichender Meinungen, wonach es sich hier um die Darstellung der Neumondsichel handelt). Laut Arche Nebra, dem Besucherzentrum vor Ort, haben wir es hier mit einem mythischen Element zu tun, das das astronomische Instrument endgültig zum Kultgegenstand erhöht: Wenn es tatsächlich das Schiff darstellt, das die Sonne im Tageslauf von Ost nach West bringt, wäre es die erste Darstellung dieses zentralen Symbols in Europa. Die Schiffsreise der Sonne findet man in der Vorstellungswelt früher Völker von Skandinavien bis Ägypten. Der dänische Archäologe und Bronzezeitexperte Flemming Kaul geht von einer direkten Verbindung aus, die durch eine weit gereiste Elite der nordischen Gesellschaft zustande gekommen sein könnte.

    Geheimes Herrschaftswissen

    Wie lauten Meinungen zum Bildprogramm der Himmelsscheibe, die seit 2013 zum Weltdokumentenerbe zählt? Der auf Archäoastronomie spezialisierte Wissenschaftler Wolfhard Schlosser legte dar, dass sich in der Darstellung von Mond und Plejaden (so man die sieben gruppierten Goldplättchen dafür hält) eine uralte Bauernregel wiederfindet: «Das Siebengestirn in der Abendröte, der Ochse in der Furche.» Die Konstellation Plejaden – Mond beschreibt demnach die Zeit der Frühlingssaat.

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    Der Astronom Rahlf Hansen vom Hamburger Planetarium plädierte dafür, wenn man die Scheibe schon als konkrete astronomische Abbildung begreift, in der Sichel die naturalistische Wiedergabe eines drei bis vier Tage alten Neumonds zu sehen. Seine These: Die Himmelsscheibe ist ein Instrument zur Festlegung von Schaltjahren, in denen nämlich Plejaden und diese Mondphase ähnlich am Himmel stehen wie auf der Scheibe gezeigt.

    Das wiederum führt zu soziologischen Überlegungen: Dem Bauern, der sich an anderen Naturerscheinungen orientiert, konnte die Synchronisierung von Sonnen- und Mondjahren egal sein. Eine organisierte Verwaltung im Aunjetitzer Reich aber hätte Interesse und Möglichkeit, diese kalendarische Besonderheit zu berechnen, um Schaltmonate administrativ durchzusetzen und zu nutzen.

    Die Himmelsscheibe kann gleichermaßen als Kultgegenstand, Ikone und kalendarisches Werkzeug gesehen werden. Die Herkunft ihrer Bestandteile reicht von den Ostalpen bis nach England, religiöse Aufladung und astronomische Finesse finden Analogien in ferneren Erdteilen. Eine einflussreiche, transzendental denkende Persönlichkeit mit entsprechend geistigem Horizont und womöglich politischen Motiven und Mitteln dürfte sie in Auftrag gegeben haben.

    Letztgültig geklärt ist auch hier nichts. Bei Raßnitz im Saalekreis wurde zwischen 2014 und 2017 der bronzezeitliche Grabhügel Bornhöck untersucht, der als letzte Ruhestätte eines überaus reichen Fürsten der Aunjetitzer Zeit gilt. Die Bestattungsbeigaben deuten auf weitreichende Handelsbeziehungen bis mindestens Südosteuropa hin.

    Pyramide des Nordens

    Harald Meller, als Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte in Sachsen-Anhalt sozusagen der aktuelle Herr der Himmelsscheibe, und Kai Michel, Wissenschaftsjournalist und Historiker, nennen den Grabhügel Bornhöck in ihrem Buch Die Himmelsscheibe von Nebra. Der Schlüssel zu einer untergegangenen Kultur im Herzen Europas  (2018) ein «logistisches Meisterwerk», eine «Pyramide des Nordens».

    Warum sie Himmelsscheibe und Grabhügel für eine ungeheure «Provokation» halten, begründen die Autoren so:

    «Beide sind das Produkt menschlicher Anstrengungen, die wir uns bisher in diesem Teil Europas zu dieser Zeit nicht vorstellen konnten. (…) Der Bornhöck repräsentiert ja nicht nur eine gewaltige Arbeitsleistung. Der in ihm bestattete Fürst stellt die Krone einer hierarchisch gegliederten Gesellschaft dar; als neu entdeckte Spitze lässt er die gesellschaftliche Pyramide der frühen Bronzezeit so steil in die Höhe aufragen, wie wir das nur aus den Hochkulturen kennen.»

    Befestigte Städte wie an Euphrat und Tigris seien aufgrund der fruchtbaren Böden und eines wirksamen Schutzes der Aunjetitzer Außengrenzen nicht zwingend notwendig gewesen. Legitimation könnte der Herrscher auch durch exklusiv gehaltenes Wissen und ein kultisches Charisma gewonnen haben – ebenfalls eine nützliche Eigenschaft der Himmelsscheibe.

    Auch wenn die Thesen des Teams um Harald Meller nicht unwidersprochen sind und mit zum Beispiel einer deutlich späteren Verortung, nämlich in der Eisenzeit, das ganze Gefüge aus Annahmen und plausiblen Erklärungen ins Wanken käme, bleibt die Himmelsscheibe von Nebra das herausragende vorgeschichtliche Objekt, als das sie von Anfang an begriffen wurde. «Der geschmiedete Himmel» birgt in jedem Detail den Schlüssel zum Verständnis einer lange untergegangenen Zeit und erinnert uns daran, dass man die Vergangenheit nur begreifen kann, wenn man sie mit ihren Augen zu sehen lernt.

    Was verschweigt man uns über das astronomische, geometrische und technische Wissen der frühen Hochkulturen? Gab es Atlantis wirklich  – und wenn ja, wo lag es? Wieso kannten die alten Ägypter offenbar schon Elektrizität? Was verbirgt sich hinter dem Heiligen Gral? Und was hat es mit den Geheimwaffen des Dritten Reiches auf sich? Diesen und weiteren Fragen gehen wir in der Juli-Ausgabe von COMPACT mit dem Titelthema «Verbotene Geschichte – Vom Alten Ägypten bis zum Dritten Reich» nach – und kommen zu Ergebnissen, die der Öffentlichkeit bewusst verschwiegen werden. Lesen Sie jetzt, was Sie nicht wissen sollen. Hier bestellen.

    5 Kommentare

    1. KG (Künstlicher Gurkensalat) am

      Gab es alles schon früher außerhalb voin Deutuschland, ist alles abgekupfert.

    2. Es gibt genug ungeklärte Errungenschaften und Bauwerke seit Bestehen der menschlichen Zivilisation. Damals schon in Südamerika und Ägypten die über 5000Jahre alten Pyramiden mit raffiniert eingebauten Fallen wären später ein Unding gewesen. Alles wurde ja von einfacher Hand erbaut und mit einfachsten Werkzeugen, Gerüsten, Lastenzügen und Kränen so hat man uns es immer eingebläut. Genauso im Mittelalter die ganzen Kirchen und Kathedralen würde man heutzutage ohne modernster Technik nicht mehr hinbekommen. Es ist nicht auszuschließen das Außerirdische dahinterstecken. Einst war ja NTV oder N24 und heute noch voll mit dem Tagesprogramm über menschliche Errungenschaften oder sogenannte bewahrheitete Verschwörungstheorien, also muss ja was dran sein. Aber bevor alles wieder in der Glotze geändert wird kann man sich vom KOPP-Verlag oder bei COMPACT-Magazin diverse Literatur beschaffen. Paar Schritte weniger mit dem Auto, ein Imbiss-Besuch die Woche mal weglassen oder jeden Monat sinnlos Klamotten kaufen als modernes Statussymbol können schon eine kleine ordentliche Bibliothek mit Wahrheit und Hintergrund ermöglichen. mfg

    3. Weisse in S. Amerika lange vor Kolumbus:
      Odins Ahnenerbe
      https://frenschan.org/r/res/630.html

      Odin (Germanen):
      https://frenschan.org/r/src/1663600200208.jpg
      https://frenschan.org/r/src/1663601061062.png

      Cernunnos (Kelten):
      https://frenschan.org/r/src/1663600383457.jpg
      https://frenschan.org/r/src/1663600445222.jpg

      Tengri (indogermanische Skythen)
      https://frenschan.org/r/src/1663601775810.jpg

      Viracocha (Bolivien)
      https://frenschan.org/r/src/1663601112045.jpg

      Das symbol Gottes (Godans = Odins)
      https://frenschan.org/r/src/1679271499338.png

    4. Und morgen dann die Meldung: Komische Dinger – zackig, geschmeidig, unueblich- in Afrika endeckt: Aliens?

    5. Friedenseiche am

      es könnte auch einfach die Liebe zur Natur und untereinander gewesen sein die das alles hervorbrachte

      oder vorfreimaurerischer ablenkunkskram

      wer weiß schon wann die erstmalig hier auftauchten