Der Abbruch des CL-Spiels Paris Saint-Germain gegen Istanbul Basaksehir ist der Höhepunkt einer grotesken Hexenjagd gegen vermeintliche Rassisten und ein weiteres Indiz für die desolate moralische Verfassung der westlichen Gesellschaften.

    Das musste wohl so kommen. Die sich von Hysterie-Attacke zu Hysterie-Attacke hangelnde, dialogunfähige und in den USA nachweislich in Teilen auch gewaltbereite „Black Lives Matter“-Bewegung lieferte als Ergebnis permanenten Überpowerns, wie man das wohl im Sport nennt, am Dienstagabend ihre eigene Karikatur. Und die sieht so aus: „Der Schwarze muss vom Platz“, ruft der Schiedsrichter und zeigt einer Gruppe aufgebrachter Fußballer, unter denen sich der dunkelhäutige Delinquent befindet, die Rote Karte. Und in deren Gemeinschaftssprechblase der Konter: „Rassist!“

    Die Moral von dem Delikt: Wenn dir der Schiri doof kommt und du schwarz bist, kannst du eine Rote Karte jederzeit kontern. Schließlich gibt es ja – richtig – die „rassistische Beleidigung“, die Wehrkraftzersetzung, den Volksverrat des 21. Jahrhunderts! Die Karikatur hat sogar noch einen zweiten Teil: eine mit Sultan Erdogan auf seinem goldenen Thron, der auf seinen Flachbildschirm deutet und den „Rassisten!“-Vorwurf, wie immer nicht um griffige Formulierungen verlegen, noch schnell um ein „Islamhasser!“ und „Charlie-Hebdo-Verteidiger!“ ergänzt.

    So wird die Rassismuskeule zum von ihren Erfindern höchst willkommenen Türöffner für den illegalen Grenzübertritt von der Türkei nach Griechenland, was, nebenbei bemerkt, die Kanaren freuen wird, von wo bereits die ersten Schwarzafrikaner im Flugzeug nach Zentraleuropa gesichtet wurden – auf zu Muttis Fleischtöpfen! Schengen-Raum, wir sind da!

    Was genau ist passiert? Pierre Webo, der frühere Nationalspieler Kameruns und heutige Vizetrainer von Erdogans Lieblingsclub Istanbul Basaksehir, wurde für einen Ausfall am Rande des Champions‘-League-Vorrundenspiels Paris Saint-Germain gegen Basaksehir keineswegs „rassistisch beleidigt“, sondern einfach zu zivilisiertem Verhalten aufgefordert. Der Assistenztrainer der Gäste hatte sich dermaßen daneben benommen, dass er auf die Tribüne geschickt werden musste. Von Webos indiskutablem Auftritt war natürlich nicht mehr die Rede, nachdem aus dem Milieu der hypermoralischen Gesinnungsimperialisten erfolgreich der Vorwurf einer „rassistischen Beleidigung“ lanciert werden konnte.

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    Um deutlich zu machen, auf wen sich die Disziplinarmaßnahme bezog, hatte der vierte Offizielle des Schiri-Gespann, Sebastian Coltescu, das rumänische Wort „negru“ benutzt. Natürlich kann man von den schlichten Gemütern des Ballsports, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, nicht verlangen, dass sie des Rumänischen mächtig sind. Man muss von einem Fußballer noch nicht einmal erwarten, dass er intelligent genug ist, um sich vorstellen zu können, dass das, was sich wie das englische Wort „negro“ anhört, in einer anderen Sprache (wie dem Rumänischen) schlicht „schwarz“ bedeutet.

    Die romanische Wortfamilie, aus der auch das deutsche „Neger“ stammt, lässt sich übrigens zurückverfolgen bis zum lateinischen „niger“, das ebenfalls „schwarz“ bedeutet. Vor dem Hintergrund der neurotischen Rassismus-Debatten der Gegenwart aber war es den schwarzen Spielern von Paris St. Germain und Istanbul gar nicht mehr möglich, noch etwas anderes zu hören als das, was sie hören wollten. Es ist wie bei diesen Assoziationsspielen, wo man so lange auf eine bestimmte Vorstellung, z. B. die Farbe gelb, konditioniert wird, dass man wie der Pawlow’sche Hund bei der Nennung einer Mineralölfirma spontan (aber fälschlich) auf Shell tippt, nur weil das Logo von Shell gelb ist.

    Und hier beginnt die ganze Sache problematisch zu werden. Den sachlichen Grund, warum es sich bei der Mineralölfirma gerade nicht um Shell handeln kann, lässt der auf die falsche Spur Gelockte einfach außer acht. Genauso droht auch im Fall Coltescu die Faktenlage aus dem Blick zu geraten und eine nüchtern-sachliche Bewertung des Vorfalls unmöglich zu werden.

    Der ehemalige Hoffenheim-Spieler und heute bei Istanbul unter Vertrag stehende Demba Ba, der offenbar zu den verständigeren unter den in die Auseinandersetzung verwickelten Spielern gehört, erfasste als Erster, dass es sich nur um ein Missverständnis handelte. Um jedoch von seinen schwarzen Mitstreitern nicht als illoyaler Verräter an der gemeinsamen Sache abgestempelt zu werden, fand er eine für sie gesichtswahrende Erklärung, indem er dem Unparteiischen vorhielt, dass die Hautfarbe kein angemessenes Kriterium zur Identifizierung eines Menschen in einer Gruppe sei, auch nicht, wenn es sich um einen Weißen handele.

    Das war zugleich der rettende Notausgang für all diejenigen, die die eingangs skizzierte Doppelkarikatur geschaffen haben: Journalisten und Funktionäre, die nun eifrig bemüht sind, das Zerrbild wieder zu entzerren, der Karikatur den ihr innewohnenden grotesken Witz ganz schnell wieder auszutreiben. Wie das? Indem sie einfach so tun, als müsse man den ganzen Unfug mit der „rassistischen Beleidigung“ tatsächlich ernst nehmen. Es ist einmal mehr der berüchtigte Journalismus der „Haltung“, der dafür sorgen muss, dass eine so gute Sache wie Antirassismus keinen Kratzer am Lack bekommt, dass darunter nicht dessen Selbstkarikierung sichtbar wird.

    „Aus den Universitäten kommen nur noch halbgebildete, arrogante linke Missionare, die keinen Journalismus mehr betreiben, sondern die Doktrin der Frankfurter Schule umsetzen und dabei eine moralische Überheblichkeit an den Tag legen, die nicht auszuhalten ist“,

    charakterisierte der langjährige Deutschland-Korrespondent der spanischen Zeitung EL PAIS Hermann L. Tertsch del Valle-Lersundi die Verfechter dieser Perversion von journalistischer Redlichkeit.

    Angetrieben von solcher Überheblichkeit stürmte also der juristisch unscharfe, dafür aber ideologisch umso klarer konturierte Kampfbegriff der „rassistischen Beleidigung“ aus dem rhetorischen Setzbaukasten der linken Denkfabriken die Schlagzeilen der Presseorgane und zerstörte jede Chance auf eine faire Sicht der Geschehnisse von Paris.

    Symptomatisch war die Einschätzung des jungen Leipziger Trainers Julian Nagelsmann am Mikrofon des Bezahlsenders „Sky“. Ohne exakte Kenntnis der Sachlage haute er mit erwartbarem Reflex in die ihm dargebotene Kerbe:

    „Ich habe nur gehört, dass es eine rassistische Beleidigung gab. Das verurteile ich aufs Schärfste.“

    Was sich am Dienstagabend ereignet hat, war kein Fall von „rassistischer Beleidigung“, sondern ein Fall von antirassistischer Steinigung. Dabei ist denjenigen, die allesamt nur allzu gern den ersten Stein werfen, all jenen, die nach eigenem Bekunden „lieben, statt zu hassen“, selbstverständlich völlig egal, dass es eine Beleidigung in Wahrheit gar nicht gegeben hat.

    Was waren das für goldene Zeiten, ist man angesichts solcher Zustände geneigt zu fragen, als für Menschen, denen etwas zur Last gelegt wird, noch die Unschuldsvermutung galt und nicht reflexhaft in die Propagandaparolen dessen mit eingestimmt wurde, der das größte Geschrei macht. Und was waren das noch für Zeiten, als kritische Medien den Dingen auf den Grund zu gehen bemüht waren und keine Angst vor der Wahrheit hatten. (Fortsetzung des Artikels unter dem Werbebanner.)

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    Sie hätten die Lächerlichkeit des faktisch völlig unbegründeten, illegitimen Spielabbruchs und der anschließenden Spiegelfechterei entlarvt: Um möglichst wirksam davon abzulenken, dass sie sich bis aufs Blut blamiert haben, griffen die beiden Mannschaften bei der Wiederansetzung der Partie am Mittwochabend zu der pathetischen Geste des Niederkniens, die in den USA der Footballspieler Colin Kaepernick populär gemacht hatte.

    Auch das, was Demba Ba Coltescu als Erklärung für die Empörung Webos und der anderen Schwarzen auf dem Platz angeboten hat, hält keiner kritischen Faktenprüfung stand. Es ist nicht mehr als ein von Propaganda genährtes, höchst abstraktes Desiderat, das ein einziger Spaziergang durch ein schwarzafrikanisches Großstadtgetto widerlegen würde. Diejenigen Spieler von PSG und Istanbul, die Migrationshintergrund haben, wissen das.

    Wie jeder, der bereits ein Land Schwarzafrikas bereist hat. Überall, wo augenfällige Unterschiede wie die Hautfarbe eines Menschen vorkommen, werden sie auch verbalisiert und nirgends mehr als im postkolonialen Afrika, wo es jeder Europäer am Straßenrand mit Kinderscharen zu tun bekommt, die ihm hinterherrufen: „Weißer, he, Weißer!“ Möchte die weltweite Antirassismus-Liga auf diesen von schwarzen Straßenkindern reflexhaft ausgeübten Alltagsrassismus mit antirassistischen Umerziehungslagern reagieren (bestimmt könnte die Heinrich-Böll-Stiftung im Rahmen von Antirassismusprogrammen noch ein paar Fördergelder zur Verfügung stellen)?

    Oder hält man sich lieber an das bewährte Sprichwort „Kindermund tut Wahrheit kund“? In Zeiten, wo Wörter aus Grundgesetztexten getilgt werden sollen, nur weil es das, was sie benennen, nicht mehr geben soll, wettet man darauf lieber nicht. Sebastian Coltescu erklärte inzwischen, kein Rassist zu sein. Er hat offenbar noch nicht bemerkt, dass er längst gesteinigt wurde.

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