Am 24. September 2018 schlug scheinbar die Stunde eines neuen deutschen Börsenstars im Techniksektor: Der bayerische Zahlungsdienstleister Wirecard ersetzte die Commerzbank im deutschen Aktienleitindex DAX. Doch der Traum ist längst zum reinen Anleger-Horror geworden, eine Milliardensumme könnte bei philippinischen Betrügern versickert sein.

    Die Euphorie unter den Aktienanalysten, die den Zahlungsdienstleister aus Oberbayern teilweise sogar schon als „deutsches Amazon“ bezeichneten, kannte vor zwei Jahren kaum Grenzen. Obwohl das Unternehmen anders als die Commerzbank seinen Sitz nicht in einem spektakulären Wolkenkratzer aus Stahl und Glas hatte, sondern weiterhin in einem unscheinbaren Bürogebäude residierte, das sich in einem Gewerbegebiet in Aschheim im oberbayerischen Kreis München-Land befindet, war es in den Jahren vor dem DAX-Aufstieg scheinbar unglaublich erfolgreich gewesen.

    Auf Samtpfoten zum zwischenzeitlichen Erfolg

    Die Aktie hatte sich allein von Beginn des Jahres 2018 bis zum DAX-Aufstieg verdoppelt, mit Blick auf die letzten zehn Jahre hatte sich der Kurs zum damaligen Zeitpunkt sage und schreibe verfünfundreißigfacht. Dennoch blieb der Unternehmensname lange Zeit relativ unbekannt. Das lag und liegt auch daran, dass es seine Dienstleistungen ausschließlich im virtuellen Raum anbietet und selbst hier nach außen hin praktisch unsichtbar bleibt. Kurz gesagt bietet das Unternehmen seinen Kunden Möglichkeiten an, im Internet elektronisch zu bezahlen.

    So offeriert Wirecard den Unternehmen die entsprechenden Karten, mit denen bargeldlos bezahlt werden kann – die dafür nötige Banklizenz besitzt man seit der Übernahme der Xcom-Bank im Jahr 2005. Das Unternehmen fungiert aber auch als Kartenakzeptanzstelle, das die Zahlung abrechnet und verarbeitet sowie als Anbieter entsprechender Zahlungsterminals.

    Wenn chinesische Touristen in Deutschland über das im Reich der Mitte besonders beliebte Programm WeChat bezahlen, dann wickelt Wirecard diese Zahlung gegen eine Gebühr ab. Aber man agiert auch als Versicherer, der Kunden vor finanziellen Verlusten schützt, wenn diese im Internet bei einem Anbieter gekauft haben, der mittlerweile längst pleite gegangen ist und deshalb keine Waren mehr ausliefert. Ein besonders wichtiges Geschäftsfeld ist für Wirecard die Abwicklung von Zahlungen über das Mobiltelefon.

    Die Schöpfung des Markus Braun

    Die Geschichte des Unternehmens ist eng mit dem Namen von Markus Braun verknüpft, der nach wie vor einen siebenprozentigen Aktienanteil an Wirecard hält. Der gebürtige Wiener, der in seiner Jugend fast konzertreif Geige gespielt haben soll, war erst Berater der Gesellschaft KPMG, bis er im Jahr 2002 sofort als Vorstandsvorsitzender bei Wirecard einstieg.

    Das Unternehmen war damals voll in den Absturz des Indexes „Neuer Markt“ mit hineingerissen worden und die Aktien von Wirecard so gut wie wertlos, was bedeutet, dass viele Aktionäre damals eine Insolvenz erwarteten. Am Ende fand sich damals aber nochmals eine Investorengruppe, die EBS Holding, die bereit war, neue Gelder zu geben. 18 Mitarbeiter hatte man noch im Jahr 2004, bald schon waren es einige Hundert und heute sind es zur Zeit gut 5.000 (weiterlesen nach der Werbung).

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    Reibungslos verlief die Unternehmensgeschichte aber dennoch nicht. So wäre Wirecard nicht nur kurz nach seiner Gründung wegen des Platzens der Aktienblase bei den Technologieunternehmen fast schon wieder verschwunden, es hatte auch schon 2016 mit dem Angriff eines der gefürchteten US-amerikanischen Leerverkäufer zu kämpfen. Dabei handelt es sich um Fonds oder Einzelinvestoren, die einen Kurssturz der Aktie des angegriffenen Unternehmens herbeiführen wollen, um davon über Termingeschäfte zu profitieren.

    Zatarra greift an

    Zatarra nannte sich damals ein anonymer Investor, offensichtlich angelehnt an den Roman Der Graf von Monte Christo von Alexandre Dumas. Es wurden schwere Geschütze aufgefahren, von Geldwäsche und Betrug war die Rede. Die Zatarra-Kampagne führte dazu, dass die Marktkapitalisierung von Wirecard im Frühjahr 2016 innerhalb von Stunden um 1,5 Milliarden Euro, das war damals ein Viertel des Werts, abnahm.

    Das Vertrauen der deutschen Anleger in das Unternehmen blieb aber nach wie vor intakt. Das lag vor allem daran, dass die US-Leerverkäufer in der Vergangenheit zu oft mit völlig substanzlosen und übertriebenen Negativnachrichten gearbeitet hatten, um eigentlich völlig gesunde Unternehmen schlecht zu reden.

    Viel schwerer wogen da schon die Vorwürfe, denen sich Wirecard in einer Artikelserie der britischen Financial Times (FT), die am 30. Januar vergangenen Jahres begann, ausgesetzt sah. Schon damals wurde vom FT-Journalisten Dan McCrum explizit der Vorwurf einer „Kontenfälschung“ erhoben, die sich in der Abteilung Rechnungswesen und Buchhaltung im Bereich Asien-Pazifik des Unternehmens ereignet haben sollte. Das sind aus heutiger Sicht natürlich erstaunlich genaue Hinweise, und es ist als großes Versäumnis der Zentrale in München zu werten, dass man diesen damals nicht entschieden genug nachging, sondern stattdessen gerichtlich gegen die FT vorging.

    Dubiose Geschäfte in Südostasien

    Um die Vorwürfe zu entkräften, beauftragte Wirecard im Oktober vergangenen Jahres das Unternehmen KPMG mit einer Sonderprüfung. Als deren Ergebnisse in diesem Frühjahr vorgestellt wurden, interpretierte man diese in Aschheim zwar als Befreiungsschlag, was aber nicht zutreffend war. KPMG konnte zwar keine offensichtlichen Bilanzfälschungen nachweisen, betonte aber, dass es nicht gelungen sei, einige in der Bilanz angegebenen Umsatzerlöse mit Drittpartnern, die in all denjenigen Ländern anfielen, in denen das Aschheimer Unternehmen über keine eigene Banklizenz verfügt, zu verifizieren.

    Der entscheidende Satz der KPMG-Prüfung befand sich auf Seite 13 des Berichts und lautete: „Hinsichtlich der Höhe und Existenz der Umsatzerlöse aus den TPA-Geschäftsbeziehungen zwischen der Cardsystems Middle East, der Wirecard UK & Ireland sowie der Wirecard Technologies und den jeweils relevanten TPA-Partnern kann KPMG als Ergebnis der durchgeführten forensisch geprägten Untersuchungshandlungen in Bezug auf den Untersuchungszeitraum 2016 bis 2018 weder eine Aussage treffen, dass die Umsatzerlöse existieren und der Höhe nach korrekt sind, noch die Aussage treffen, dass die Umsatzerlöse nicht existent und in der Höhe nicht korrekt sind.“

    Als gestern auch noch der reguläre Jahresabschlussprüfer – die Gesellschaft Ernst & Young (E&Y) – das Testat der Bilanz verweigerte, bewahrheiteten sich die schlimmsten Befürchtungen, die Aktie verlor seitdem nochmals um bis zu 80 Prozent.

    Spur auf die Philippinen

    Vieles ist derzeit noch unklar, aber die Betrugsspur führt derzeit auf die Philippinen. Im Fokus stehen dabei zwei Treuhandkonten, auf denen – wie man bislang annahm – Wirecard-Umsatzerlöse in Höhe von 1,9 Milliarden Euro verbucht worden sein sollen. Doch heute Morgen gefror den Anlegern schon wieder das Blut in den Adern, als die in der philippinischen Stadt Makati ansässige BDO Unibank mitteilte, dass eines von den beiden fraglichen Konten nicht einmal existiert (!!). Eine ähnliche Meldung liegt nun ebenfalls von der Bank of the Philippine Islands (BPI) vor, von der man bislang auch annahm, sie würde ein Treuhandkonto für Wirecard führen (bitte nach der Werbung weiterlesen).

    Ein unverzichtbares Nachschlagewerk über die großen Verschwörungen der Hochfinanz: Von Fugger über Rothschild und Rockefeller bis zu Goldman Sachs und Blackrock – und deren politische Frontorganisationen wie Freimaurer und Bilderberger. Beleuchtet werden außerdem die Gründung, die Geschichte und die Struktur der US-Notenbank FED wie auch die Geld-Verschwörungen des Vatikans oder der City of London. Dieses COMPACT-Spezial war schon kurz nach seinem Erscheinen so gesucht, dass es als Druckausgabe nicht mehr erhältlich ist – Sie können es aber immer noch per Download erwerben.

    In einer aktuellen Mitteilung der BDO Unibank heißt es: „Das Dokument, in dem die Existenz eines Wirecard-Kontos bei BDO behauptet wird, ist ein manipuliertes Dokument, das gefälschte Unterschriften von Bankangestellten trägt.“ Damit nimmt der Skandal um Wirecard nochmals eine neue Dimension an. Beobachter befürchten, dass das Unternehmen dazu gezwungen sein könnte, schnell Insolvenz anzumelden, da der im Feuer stehende Betrag ein Viertel der gesamten Konzernbilanzsumme ausmacht.

    Riesiger Schaden für deutsche Wirtschaft

    Nun rückt natürlich der für Wirecard auf den Philippinen agierende Treuhänder in den Fokus. Es handelt sich um einen Anwalt für Familienrecht, der auf Facebook und Youtube Tipps für Adoptionen und Scheidungen gibt und sich mit angeblich bestehenden Kontakten zum philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte brüstet.

    Für Wirecard wird damit alles noch schlimmer, denn die Aschheimer müssen sich nun zumindest fragen lassen, inwieweit die Treuhänder für das ungeheuer wichtige Auslandsgeschäft überhaupt überprüft wurden oder ob jede noch so halbseidene Figur bei dem Münchner Zahlungsabwickler landen konnte. Unklar ist auch noch, inwieweit sich der Wirecard-Vorstand schuldhaft verhalten hat oder ob dieser selbst das Opfer von einem oder von mehreren philippinischen oder sonstigen Betrügern wurde.

    Der Vorstandsvorsitzende Markus Braun, der das Unternehmen für fast zwei Jahrzehnte führte, ist heute zurückgetreten, sein Nachfolger ist der US-Manager James Freis. Ob Wirecard die nächste Woche überleben wird, ist derzeit unklar. Damit wurde ein gigantischer Scherbenhaufen für die deutsche Wirtschaft angerichtet, die immer weiter den Ruf verliert, verhältnismäßig betrugsfreier zu sein als die Ökonomien der anderen Länder.

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