Am 1. August soll der Sommer der Freiheit von 2020 zurückkehren: Wie schon vor einem Jahr ruft Querdenken-711 zur Großdemo in Berlin auf. COMPACT-Reporter Paul Klemm hat Cheforganisator Michael Ballweg in der Vorbereitungsphase getroffen und mit ihm über die Zukunft der Querdenker gesprochen. Ein umfassendes Porträt der Bewegung bietet COMPACT-Spezial Die Querdenker –  Liebe und Revolution, das Sie hier bestellen können.

    Wind peitscht über den Cannstatter Wasen und zerwühlt Michael Ballwegs Frisur. Der 35 Hektar große Platz, auf dem vor über einem Jahr die Corona-Proteste ihren Anfang genommen haben, liegt verwaist vor ihm. Es ist eine schwierige Phase für den Gründer von Querdenken 711: Anfang August wird sich zeigen, ob die Bewegung, die er maßgeblich geprägt hat, zu ihrer alten Stärke zurückfinden kann. Wir haben ihn dazu befragt.

    Michael Ballweg im Gespräch mit Paul Klemm. Foto: Filmkunstkollektiv e.V.

    Wie sehen Ihre Demo-Pläne für dieses Jahr aus, Herr Ballweg? 

    Wir als Querdenken 711 haben gesagt, dass wir dieses Jahr drei Demos anmelden. Nämlich die am 3. April und jetzt die zwei großen vor der Bundestagswahl am 1. und 29. August. Vielleicht verbunden mit einer Verstetigung des Protestes. Und danach entlassen wir alle Initiativen wieder in die Eigenverantwortung.

    Das Schöne am 1. August wird sein: Letztes Jahr waren wir noch ein recht unorganisierter Haufen – man kannte sich ja nicht und es hat trotzdem alles einfach so funktioniert. Dieses Jahr sind wir viel besser vernetzt, kennen uns persönlich, man weiß, wer was kann und wer wo am besten eingesetzt wird. Von daher können wir die Professionalisierung jetzt weiter vorantreiben. 

    Querdenken-Chef Ballweg und sein damaliger Pressesprecher Bergmann auf einer Corona-Demo in Stuttgart. Foto: Paul Klemm

    Gleichzeitig müssen wir natürlich mit den Zensurmaßnahmen, die unsere Reichweite massiv beschränken, umgehen. Wir werden zum Beispiel in Berlin am 1. August einen Satellitenwagen haben. Man müsste also einen Satelliten abschalten, damit die Demonstration nicht mehr live übertragen wird!

    Es sind große Projekte, die natürlich auch Energie kosten. Ich bin letztes Jahr über mein Limit gegangen. Ich würde sagen, dass ich auf 180 Prozent gearbeitet habe. Das kann ich auf Dauer nicht tun. Und es ist ja auch nicht Sinn und Zweck, dass Querdenken-711 immer alles organisiert.

    Aus der ersten August-Demo sind viele tolle Dinge entstanden – zum Beispiel über 2.700 lokale Demonstrationen. Ich denke, es gibt jetzt viele, die ein bisschen müde sind, die vielleicht auch zweifeln und sich fragen, ob das alles überhaupt noch etwas bringt. Da ist so eine große Demo in Berlin sicher wieder hilfreich, bei der jeder sieht, dass wir nicht kleiner werden, sondern dass die Bewegung eher größer wird.

    Sommer der Liebe: Viele haben schöne Erinnerungen an die Großdemos im letzten Jahr. Foto: Paul Klemm

    Habt ihr diesmal auch ein Konzept, um die Hauptstadt über einen längeren Zeitraum in Atem zu halten?

    Ja, eigentlich wollen wir vom 1. bis zum 29. August bleiben. Da sind wir gerade noch am Planen und wir werden sehen, inwieweit sich genügend Teilnehmer motivieren lassen, dann ihren Sommerurlaub in Berlin zu verbringen. Wir befolgen quasi das, was die Regierung gesagt hat: Fahrt nicht ins Ausland. 

    Wie geht es nach dem August weiter? Was ist die langfristige Vision von Querdenken? Es haben sich ja einige Erschöpfungstendenzen gezeigt. 

    Ich glaube, es muss sich einfach jeder, der jetzt ein bisschen erschöpft ist, nochmal überlegen, warum er im April 2020 auf die Straße gegangen ist. Und ist die Situation jetzt wirklich besser, nur weil ein bisschen gelockert wurde? Ich kann mich noch erinnern: Im letzten April konnten wir noch ganz ohne Masken demonstrieren. Jetzt, 16 Monate später, sehen wir, dass sich alle Befürchtungen, die wir damals geäußert hatten, bewahrheitet haben – der Lockdown dauert länger als zwei Wochen, die Impfpflicht kommt, wegen der Delta-Variante sollen schon wieder Menschen in Quarantäne eingewiesen werden. 

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    Wo geht es jetzt hin mit Querdenken? Es ist wie gesagt ein Riesenaufwand, diese Großdemos zu organisieren. Ich muss da als zweifacher Familienvater wahnsinnig viel Energie aufbringen. Trotzdem ziehen wir durch, wir werden am 1. August auf der Bühne ein tolles Konzept für die Bundestagswahl vorstellen. Die Bundesregierung wird da massiv unter Druck gebracht. Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten, wen ich wähle und ob ich überhaupt wähle. Wir werden da eine Alternative präsentieren, ohne Werbung für irgendeine Partei zu machen. Aber das soll noch eine Überraschung bleiben. 

    Ansonsten rufe ich alle auf, eigene Demos zu machen. Ob das Montags- oder Donnerstagsspaziergänge sind – ganz egal. 

    Was ist Ihre Prognose: In welche Richtung wird sich Deutschland in den nächsten fünf bis zehn Jahren entwickeln?

    Also in der Welt, wie ich sie mir erträume, sind die Menschen wieder frei. Und frei heißt dann nicht, so wie vor 2020, sondern dass sich das Leben wieder in Gemeinschaften abspielt, dass sich auf kommunaler Ebene starke Strukturen etablieren. Dass die Menschen auch wieder lokal produzieren, was im Übrigen auch der Umwelt gut tut. Es ist eine Welt, in der es Schulen gibt, in der die Kinder wieder so ausgebildet werden, dass sie ihrer Bestimmung folgen können. Und in der wir die Kraft der Natur nutzen, sei es durch gesunde Ernährung oder auch durch meditative und engergetische Kräfte, die es überall gibt. 

    Die Corona-skeptischen Proteste haben von Beginn an einen stark esoterischen Charakter. Foto: Paul Klemm

    Glauben Sie, dass so eine schöne Zukunft überhaupt möglich ist?

    Ja natürlich, sonst könnte ich mich ja wieder hinlegen und sagen, dass wir schon verloren haben. Für mich ist es so: Mit der Corona-Krise haben die Kräfte, die sie in die Welt gesetzt haben, einfach übertrieben. Und da ist dann auch einfach mal Schluss. Ich denke, dass das immer mehr Menschen erkennen werden. 

    Herr Ballweg, vielen Dank für das Gespräch!


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