Fünf Anmerkungen zum Sturm auf das Capitol – und zu den Perspektiven des demokratischen Widerstandes. Von Jürgen Elsässer, Chefredakteur von COMPACT

    1. Das war kein Putsch, und es war kein Mob, wie die Lügenmedien heute schreiben. Es waren „großartige Patrioten“ (Trump über die Capitol-Besetzer), die sich in höchster Not nicht anders zu helfen wussten, als durch eine spektakuläre Aktion den Durchmarsch des Tiefen Staates noch zu verhindern. Nachdem Vizepräsident Mike Pence am gestrigen Mittag erneut erklärt hatte, dass er die Verlesung der gefälschten Wahlmännerstimmen nicht verweigern werde, war der eigentliche Putsch gegen die Demokratie, nämlich die Stimmenfälschung, in trockenen Tüchern – die Einsprüche im Kongress, die auch heute noch weiterverhandelt werden, haben allenfalls verzögernde Wirkung. Angesichts dieser Lage hätten die Demonstranten am gestrigen Nachmittag nur nach Hause gehen und sich besaufen können – oder eben tun, was sie getan haben.

    2. Die Besetzung des Capitols war eine durchaus friedliche Aktion. Außer ein paar eingeschlagenen Fensterscheiben und der Mitnahme von Souvenirs haben die Patrioten nichts verbrochen. Das Ganze hatte Züge eines Happenings (was auch seine Schwäche war, dazu unten mehr). Die Gewalt kam ausschließlich von Seiten der Polizei und Nationalgarde. Unter ihren Schüssen starb eine 44-jährige Patriotin, Ashli Babbitt, die für die Airforce in drei Auslandseinsätzen ihr Leben riskiert hatte. Sie ist eine Märtyrerin des Widerstandes, Ehre ihrem Andenken! Drei weitere Personen starben im Umfeld des Capitols, die Polizei spricht nebulös von „medizinischen Gründen“. Wer’s glaubt, wird selig.

    3. Die Erstürmung eines Parlaments durch Demonstranten zur Initiierung einer Revolution kann durchaus klappen. Bestes Beispiel ist der serbische Umsturz im Oktober 2000, der zur Abdankung des sozialistischen Präsidenten Slobodan Milosevic und damit zum Regime Change führte. Die Menge setzte beim Sturzm Bulldozer ein, nach Durchbruch wurde die altehrwürdige Skupstina sogar angezündet. Damals jubelten die westlichen Lügenmedien, das waren für sie Freiheitshelden und keineswegs ein Mob – kein Wunder, es war ja eine strategische Operation ganz in ihrem Sinn.

    4. Eine Revolution kann nur Erfolg haben, wenn sie organisiert ist, Ein Happening wie gestern, das klappt nie. Das war übrigens auch das Problem der Gelbwesten in Frankreich, die zeitweilig das Land lahmlegen konnten – aber mehr gelang nicht, weil es keine Strukturen und keine legitime Führung gab. Dieses offene Prinzip, das auch die Querdenker in Deutschland haben, ist in der Aufstiegsphase einer Bewegung attraktiv – jeder kann irgendwie machen, was er will. Aber wenn es um die Wurst geht, also um den Sturz des Regimes, braucht es einen Plan und eine Art Generalstab, um den Plan umzusetzen. Um im erwähnten serbischen Beispiel zu bleiben: Kopf der Oktoberrevolution des Jahres 2000 war Zoran Djindjic, der im Vorfeld des Parlamentssturms Geheimgespräche mit Milosevic Elitetruppe „Rote Barette“ geführt und diese mit viel westlichem Geld bestochen hatte. Im entscheidenden Moment wechselten die harten Jungs die Seite, der Weg für die Demonstranten war frei. – Auch Mussolinis „Marsch auf Rom“ war eine gut geplante Operation mit der vorhergehenden Einnahme vieler Rathäuser in der Provinz, und Lenins Oktoberrevolution war nichts anderes als ein vorzüglich geplanter Miliärputsch mit übergelaufenen zaristischen Truppenteilen.

    Elsässer: Das Beste aus 10 Jahren COMPACT

    Entscheidender Grund für das Chaos unter den Patrioten ist das Mantra von Q: Trust the plan, Vertraue dem Plan. Damit wurde Millionen aufrechter Kämpfer suggeriert, Trump habe einen Plan, man könne sich zurücklehnen und abwarten oder allenfalls mit Remidemmi ein bisschen nachhelfen. So kam ja auch das Reichstagsstürmchen am 29. August zustande: Die Demonstranten glaubten anscheinend wirklich, Trump sei in Berlin und warte nur darauf, dass sie den Reichstag besetzen, dann würde der Messias schon alles Weitere erledigen… Keine Frage, die Q-Erzählungen waren in der Mobiliserungsphase wichtig, seine digitalen Schnitzeljagden zogen Millionen in ihren Bann. Aber die entscheidende Schwäche war dieses „trust the plan“, was die Herausbildung von Strukturen und legitimierten Führern des Widerstandes verhindert hat.

    5. Mit dem gestrigen Tag ist die letzte Welle des patriotischen Aufbruchs in der westlichen Welt, der 2016 begann, gebrochen: Salvini und HC Strache wurden ja schon vorher abserviert, Farage ist ebenfalls weg vom Fenster (neuerdings paktiert er mit Tony Blair zur Durchsetzung der Massenimpfung). Die ganzen rechtspopulistischen Parteien inklusive AfD sind am Ende. Das liegt daran, dass sie alle – und eben auch die Republikaner in den USA, wie sich jetzt gezeigt hat – durchsetzt sind mit feindlichen Kräften, die unter „konservativ“ und „patriotisch“ die Nähe zur Macht verstehen und nicht die Nähe zum Volk. – Das neue Konzept des Widerstandes hat sich mit den Querdenkern bereits in Umrissen gezeigt: Es geht nicht um einen „rechten“ Aufbruch, sondern um die unideologische Zusammenfassung aller Kräfte des Volkes jenseits des Links-Rechts-Schemas in der Abwehr der Corona-Diktatur. Dies ist eine globale Front, die jedoch – hier bleibt der patriotische Ansatz wichtig – nur in Kämpfen auf nationalstaatlicher Ebene gewonnen werden kann.

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