Nachdem es zunächst so ausgesehen hatte, als sei dem Sozialisten Bernie Sanders seine Rolle als Spitzenreiter der Demokraten kaum noch streitig zu machen, scheint sich nun das Blatt wieder zugunsten des bereits von vielen totgeglaubten „Sleepy“ Joe Biden gewendet zu haben. Ihm ist mit seinem Erdrutschsieg in South Carolina am 29. Februar und seinem guten Abschneiden in zahlreichen Bundesstaaten vorgestern am sogenannten Super Tuesday, ein spektakuläres Comeback geglückt. 

    _ von Johannes Scharf

    South Carolina, Virginia, North Carolina, Alabama, Tennessee, Arkansas und Texas: Die Liste von Bidens jüngsten Erfolgen liest sich wie eine Aufzählung der Konföderierten Staaten von Amerika. In South Carolina hatte der ehemalige Vizepräsident von Obama die überwältigende Mehrheit der Schwarzen hinter sich, aber auch die älteren weißen Wähler zogen den Hochbetagten dem radikalen Linksausleger Sanders vor. Insgesamt entfielen auf den „schläfrigen Joe“ dort stolze 48,7 Prozent der abgegebenen Stimmen. Sanders, der seine Flitterwochen 1988 in der Sowjetunion verbracht hatte, kam auf 19,8 Prozent und kann damit immerhin noch 15 Delegierte des Bundesstaates für sich reklamieren.  Zum Vergleich: Joe Biden gewinnt in South Carolina 39 Delegierte. 

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    Der Superdienstag beginnt mit einem Paukenschlag. Joe Biden erhält in Virginia 53,2 Prozent der Stimmen, was übersetzt 66 der 99 Delegierten bedeutet, denn unter 15 Prozent ist nichts zu holen. Kurz vor der Wahl waren die gemäßigten Kandidaten Pete Buttigieg und Amy Klobuchar aus dem Rennen ausgeschieden und hatten zur Wahl Bidens aufgerufen. Ihre Logik: Bernie Sanders könne Trump nicht schlagen, deshalb müsse man auf den aussichtsreichsten Kandidaten der Mitte setzen. Tucker Carlson verglich den armen senilen Joe Biden daraufhin mit einem Hund, dessen Halter ihm ein Kleidungsstück übergestreift habe. Der Hund wisse, dass etwas nicht stimme, lasse es aber gleichwohl mit sich geschehen. 

    Die wohlhabenden Geldgeber der Demokraten fürchten bei einem Sieg des sozialistischen Kandidaten Sanders, von diesem, nach einer tatsächlich erfolgten Wahl zum Präsidenten, geschröpft zu werden. Da „Mini“ Mike Bloomberg am Super Tuesday nahezu überall abschmierte und tags darauf das Handtuch warf, ist Joe Biden nun der letzte Strohhalm, an den sich das Parteiestablishment klammert. Die zig Millionen, die der ehemalige Bürgermeister New Yorks, Michael Bloomberg, in seinen Wahlkampf gesteckt hat, haben sich nicht bezahlt gemacht. Die Niederlage Bloombergs ist eine Sternstunde der Demokratie, denn er hatte nicht einmal einen Hehl daraus gemacht, die Nominierung kaufen zu wollen. Allein im Bundesstaat Kalifornien hatte Bloomberg etwa 70 Millionen Dollar für Wahlwerbespots ausgegeben. Den Sieg in diesem bevölkerungsreichsten Bundesstaat holte allerdings Bernie Sanders. 

    Es sind vor allem junge Weiße und Latinos aller Altersgruppen, die sich um das Banner des ebenfalls betagten, aber energischer auftretenden Senators aus Vermont scharen. Bernie Sanders wird sich jedoch schwertun, gegen einen Kandidaten der Mitte zu gewinnen, solange mit Elizabeth „Pocahontas“ Warren eine Sozialistin im Rennen bleibt, mit der er sich seine Stimmen teilen muss. Ist es ein abgekartetes Spiel und Warren am Ende ein Werkzeug des Establishments, um einen Präsidentschaftskandidaten Sanders zu verhindern? Wer weiß, der falschen Indianerin ist alles zuzutrauen.

    Der deutsch-amerikanische Publizist Johannes Scharf (*1988), stammt aus Richmond, Virginia, und wuchs am Bodensee auf. Er war als Infanterist der US Army unter anderem in der Oberpfalz stationiert. Sein Bachelor-Studium der Geschichte und Klassischen Archäologie an der Universität Heidelberg schloss er 2018 mit der Gesamtnote 1,2 ab. Derzeit absolviert er einen Master-Studiengang der Geschichte in Mannheim. Scharf ist Autor mehrerer Bücher, zuletzt erschien seine Essaysammlung Kampf ums Dasein (2019). Außerdem ist er Mitherausgeber des Sammelbandes Libro e Moschetto – Lebensbilder von Dichtersoldaten (2020).

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