„Wäre der Gazastreifen von Chinesen bewohnt, stünde dort jetzt Singapur am Mittelmeer“ – mit dieser Bemerkung hat der Ökonom und Buchautor Markus Krall jetzt für Wirbel im Netz gesorgt. Wir dokumentieren die Debatte. Das Thema Gaza ist auch Thema in der Dezember-Ausgabe von COMPACT. Unser Autor bringt hier einen weiteren Punkt in die Diskussion ein: Die Jagd nach Profit. Hier mehr erfahren.

    Am 26. November setzte der bekannte Ökonom, Buchautor und Staatskritiker Markus Krall auf der Plattform X einen Post ab, der über 2.300 Likes erntete, aber auch viel Kritik. Wörtlich schrieb Krall in seinem Tweet:

    Wäre der Gazastreifen von Chinesen bewohnt, stünde dort jetzt Singapur am Mittelmeer. Es gäbe auch Tunnel und zwar um den Straßenverkehr nach unten zu verlegen und mehr Platz für Grünanlagen zu haben.
    Aber Gaza wird nunmal nicht von Chinesen bewohnt.

    — Dr. Markus Krall (@Markus_Krall) November 26, 2024

    Einer der Ersten, die sich daraufhin kritisch zu Wort meldeten, war der COMPACT-Leser wohlbekannte Autor und Investigativ-Journalist, wie Krall ein Libertärer. Er erhob den Einwand:

    „Schon Mainstream-Ökonomie lehrt, dass Investoren Unsicherheit hassen. Gaza ist hundertprozentig auf die israelische Regierung angewiesen, was die Versorgung betrifft. Sie kann jederzeit abgestellt werden. Ergo halten sich Investoren zurück. Selbst wenn man noch so sehr in Israel verliebt ist, sollte man dann doch fair gegenüber den Bewohnern von Palästina bleiben.“

    Die ausführlichste Gegen-Stellungnahme erschien allerdings auf Haintz Media, dem Medienportal des Querdenker-Anwalts Markus Haintz. Hier meldete sich Autorin Daria Szmelter zu Wort und bemängelte, Kralls Bemerkung suggeriere, „dass die Bewohner Gazas aufgrund ihrer kulturellen oder sozialen Eigenschaften nicht in der Lage wären, ähnliche Fortschritte wie in Singapur zu erzielen.“

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    Und weiter: „Dies beinhaltet eine negative Wertung der Bewohner Gazas und eine Überhöhung der mutmaßlichen Eigenschaften von Chinesen. Sein Kommentar reduziert komplexe gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Gegebenheiten auf vermeintliche kulturelle Unterschiede, was ich persönlich als vereinfachend und äußerst diskriminierend ansehe.“

    Der Gedanke der „Menschheitsfamilie“

    Der Vergleich vernachlässige zudem „externe Einflüsse wie die geopolitische Lage, den israelisch-palästinensischen Konflikt, die Blockade des Gazastreifens und historische Entwicklungen, die maßgeblich zur aktuellen Situation in Gaza beitragen“. Doch die Autorin geht noch weiter, denn sie schreibt:

    „Der X-Post von Dr. Markus Krall ist ein erschreckendes Beispiel dafür, inwieweit wir als Gesellschaft noch von einem humanistischen und friedlichen Miteinander entfernt sind. Dass ein solcher Beitrag über 2.000 Likes erhält, verdeutlicht, wie tief Vorurteile und Abwertungen in unser Denken eingebettet sind – selbst bei Menschen, die sich als kritisch oder ‚aufgewacht‘ verstehen.“

    Es gehe ihr nicht darum, „Dr. Markus Krall grundsätzlich Werte wie Empathie und Menschlichkeit abzusprechen“, schreibt sie weiter. „Im Gegenteil, er hat in der Widerstandsbewegung gegen staatliche Übergriffigkeit einen wesentlichen Beitrag geleistet, der viele inspiriert hat“.

    Ihre Kritik richte sich „jedoch darauf, dass diese Werte in seinem Tweet offenbar nicht universell angewandt werden, sondern für bestimmte Gruppen von Menschen scheinbar nicht gelten“.

    Daria Szmelter fährt auf Haintz Media fort:

    „Dr. Daniele Ganser, Historiker und Friedensforscher, hat den wichtigen Gedanken der Menschheitsfamilie geprägt, der uns daran erinnert, dass wir alle, unabhängig von Herkunft, Religion oder politischen Überzeugungen, Teil einer globalen Gemeinschaft sind. Dieser Gedanke steht im krassen Gegensatz zu dem, was der Tweet {von Markus Krall} vermittelt: Anstatt den unermesslichen Wert jedes menschlichen Lebens anerkennen, werden Menschen im Gazastreifen herabgewürdigt und pauschal als unfähig dargestellt. Diese Abwertung, gepaart mit der Überhöhung anderer Bevölkerungsgruppen, reproduziert genau jene Spaltung, die Konflikte aufrechterhält und die Menschheitsfamilie als Vision einer friedlichen Welt untergräbt.“

    Ganser habe zudem verdeutlicht, „dass der Weg zu einer friedlichen Welt nur über die Anerkennung der Würde jedes einzelnen Menschen führt. Wer diesen Gedanken wirklich verstanden hat, wird sich nicht an der Verbreitung von Vorurteilen oder der Entmenschlichung ganzer Bevölkerungsgruppen beteiligen. Stattdessen sollte unser Fokus darauf liegen, Brücken zu bauen und uns solidarisch für das Leben und das Wohlergehen aller einzusetzen. Eigentlich sollte Dr. Markus Krall, der sich in seiner Personenbeschreibung bei X als Christ bezeichnet, der Gedanke der Menschheitsfamilie nicht fremd sein“, so die Autorin.

    Der Post von Krall sei für sie ein „Mahnmal (…), wie dringend wir als Gesellschaft an einem Umdenken arbeiten müssen. Wenn wir eine Welt schaffen wollen, die auf Respekt, Mitgefühl und Nächstenliebe basiert, müssen wir den Gedanken der Menschheitsfamilie als universelles Prinzip in den Mittelpunkt rücken – und jede Form der Entmenschlichung klar zurückweisen.“

    Kralls Antwort

    Am 28. November veröffentlichte Markus Krall via X eine Replik auf die Vorwürfe. „Da habe ich wohl in ein ganz dickes Wespennest gestochen“, beginnt er seinen Post und schreibt:

    „Als Singapur vor 60 Jahren in die Unabhängigkeit entlassen wurde, war es ein Slum auf einem trockenen Felsen, ohne eigene Ressourcen, ohne Industrie, ohne Geld und ohne die Hoffnung auf Hilfe von außen. 60 Jahre Marktwirtschaft, Rechtsstaat, Korruptionsbekämpfung und Transparenz haben aus Singapur einen Vorzeigestaat gemacht, den die Welt beneidet.“

    Die Bewohner des Insel- und Stadtstaates in Südostasien hätten sich um eine Sache gekümmert: Wie schaffe ich Wohlstand? „Von Tag eins war ihnen klar: Wir haben nur diesen winzigen Felsen und unsere Menschen, die mit Kreativität, Ehrgeiz, Fleiß und konservativen Werten ausgestattet sind. Was sie nicht in Erwägung gezogen haben, war es, Streit mit den Nachbarn auszufechten, egal ob es dafür berechtigte Gründe gegeben hätte oder nicht“, so Krall.

    Der Ökonom und bekannte Regierungskritiker fährt fort:

    „Bereits 25 Jahre nach der Unabhängigkeit hatte sich Singapur mit diesem einfachen Rezept einen bescheidenen, aber schnell wachsenden Wohlstand und den Respekt seiner Nachbarn erarbeitet. Deng Xiaoping, der große Reformer Chinas, fragte den Premier des winzigen Singapur um Rat, wie er China auch wohlhabend machten könnte.

    Mein Tweet stellt die Hypothese auf, dass es den Menschen in Gaza auch so gehen würde, wenn sie handeln würden wie die Chinesen in Singapur, die dort nämlich die größte Bevölkerungsgruppe stellen. Wie immer, wenn ich schreibe, provokant formuliert, aber inhaltlich klar nachvollziehbar.

    Jetzt ist es natürlich so, dass man sich in Gaza für einen anderen Weg entschieden hat, weil man die illusorische Vorstellung hat, ein Palästina ‚vom Fluss bis zum Meer‘, also auf den gesamten Gebiet des früheren britischen Mandatsgebietes Palästina inklusive Israel zu errichten. Dieser Konflikt dauert jetzt 76 Jahre, und in dieser Zeit wurde jeder Kompromiss von den Hardlinern auf palästinensischer Seite in der vagen Hoffnung auf einen besseren Deal torpediert. Die Falken in Israel sagen dazu: Auf unsere Palästinensischen Hardliner können wir uns verlassen, denn sie wissen, dass das was von einem möglichen palästinensischen Staatswesen übrig bleibt nach jeden Konflikt kleiner wird.“

    Israel habe sich vor 20 Jahren unter Ministerpräsident Sharon aus dem Gazastreifen zurückgezogen, seitdem sei Gaza von den Palästinensern selbstverwaltet worden. Bis zur Machtübernahme der Hamas hätte Gaza „die Möglichkeit des freien Handels mit der Außenwelt“ gehabt, auch wenn Israel sich militärisch die Luft- und Seehoheit vorbehalten hat“.

    Krall weiter: „Gaza erhielt in diesen 20 Jahren internationale Hilfe in Höhe von 40 Milliarden US-Dollar, laut Chat-GPT die höchste pro-Kopf Entwicklungshilfe auf der Welt. Hamas verfügte aus externer Hilfe und interner Besteuerung der Bürger von Gaza über ein Gesamtbudget von ca. 1 Milliarde Dollar pro Jahr, wovon 300 Millionen ins Militär gingen, insbesondere in die Kassam-Brigaden und die Tunnel für Überfälle aus israelisches Territorium. Weitere erhebliche Mittel wurden von Hamas-Funktionären für private Zwecke verwendet. Die genaue Höhe lässt sich aber wohl nicht ermitteln.“

    Zugleich sei „die geographische Lage des Gazastreifens ideal als Handelsbrückenkopf zwischen Israel, Europa, den GCC-Ländern und Nord- und Ostafrika. Die Handelsströme, die sich dort kreuzen übersteigen diejenigen, die Singapur vor 60 Jahren vorgefunden hat um ein Vielfaches. Gaza hätte einfach nur den Löffel heraushalten müssen, denn es regnet Brei“, merkt Krall an und fährt fort:

    „Es hat also nichts mit Entmenschlichung zu tun oder damit, dass die Bewohner Gazas nicht auch in einer friedlichen und freien Marktwirtschaft aufblühen würden. Es hat etwas damit zu tun, dass sich die Bewohner dort entschieden haben eine Regierung zu wollen, die ganz andere Prioritäten setzt. Eine Regierung, die korrupt ist, die die eigenen Bürger bestiehlt, die deswegen eine Ideologie des Todes, des Krieges und der Feindschaft braucht um die Menschen von der Sklaverei abzulenken, in die man sie geführt hat.“

    Nichtsdestotrotz sei er weiterhin davon überzeugt:

    „Wenn man den Menschen in Gaza Freiheit gibt und Frieden, dann können sie auch diesen unwirtlichen Ort zu einem Paradies machen, denn die Kraft der Freiheit wirkt immer. Die erfolgreichsten Staaten der Welt sind Klein- und Stadtstaaten. Nicht die Größe ist entscheidend, sondern was man daraus macht.“

    Wer jedoch „immer nur rückwärtsgewandt die Schuld bei anderen sucht, in diesem Falle insbesondere bei Israel, der muss sich ja nicht damit befassen, wie er seine Zukunft gestaltet und sich den wirtschaftlichen Herausforderungen stellt“. Sein Apell laute daher: „Bürger Gazas, lernt von den Chinesen, die wissen wie es geht!“

    Einen anderen Aspekt bringt der Autor des Beitrags „Profitjagd in Gaza“ in der Dezember-Ausgabe von COMPACT in die Diskussion ein. Bei uns lesen Sie, was der Mainstream über den Nahost-Konflikt verschweigt. Hier bestellen.

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