521 Stimmen für Laschet, 466 für Merz. Die Niederlage der konservativen CDU-Hoffnung Friedrich Merz beim digitalen Parteitag macht deutlich: Die Partei ist endgültig in die Klauen profilloser Parteikarrieristen geraten.

    Machen wir doch einen einfachen Test: Welche Vision für Deutschland steigt vor Ihrem geistigen Auge auf, wenn sie die Worte „Armin Laschet“ hören? Für welche Ziele, welche Veränderungen, welchen frischen Wind in der Bundespolitik steht dieser Mann, der jetzt zum neuen Vorsitzenden der bedeutendsten deutschen Partei gekürt worden ist?

    Natürlich kommt da nichts. Armin Laschet steht für ein Weiter-so, für die Verwaltung des Bestehenden. Und das ist zur Zeit vor allem: der bestehenden Machtverhältnisse, die die CDU dank Corona-Virus bei komfortablen 40 % Wählerzustimmung sehen. Die Krise hat die Merkel-CDU dank des direktesten Zugriffs auf alle entscheidenden Propagandakanäle gestärkt. Und Armin Laschet hat sie – zusätzlich zu allem Unglück, das Deutschland dieser Tage getroffen hat – zum prominentesten Krisengewinnler gemacht. Er ist von allen Kandidaten für den CDU-Vorsitz der blasseste. Er ist Merkels würdiger Erbe.

    Friedrich Merz hat es mit seinem Gerede vom „Partei-Establishment“, das ihn nicht wolle, noch vergleichsweise harmlos ausgedrückt: Laschet ist die Inkarnation des seelenlosen Sesselpupsers, der aktuell größten Fraktion in der Traditionspartei, einer Fraktion von Bürokraten und Strippenziehern, denen es nicht um Werte und Ideale, um ein konservatives Leitbild womöglich geht, sondern um Macht. An ihr und an den fetten Diäten, die damit verbunden sind, klebt der Parteiklüngel, der jetzt Laschet an seine Spitze wählte.

    Warum sonst sollten Delegierte (also Menschen, die sich im Parteiapparat bereits nach oben geackert haben) einen Mann zu ihrem Chef machen, dem nach jüngsten Umfragen (abgeschlagen hinter Merz, Röttgen, Spahn und Söder) nur 28 % der deutschen Wähler die Eignung als Kanzler zuerkennen und der unter Unions-Anhängern mit 25 % den schlechtesten Wert bei der Frage: „Wer führt die CDU am ehesten erfolgreich in die Zukunft?“ erzielte (Merz: 37 %).

    Der wichtigste Vertreter des nepotistischen Partei-Establishments ist freilich nicht Armin Laschet, sondern Jens Spahn. Der wahrscheinlich skrupel- und charakterloseste Politiker, den die CDU je gesehen hat, erwies sich mit einer peinlichen Pro-Laschet-Wortmeldung nach den Bewerbungsreden der drei Kandidaten einmal mehr als Machtmensch, dessen eiskaltes Kalkül einen nur schauern lassen kann. Er will huckepack von Laschet ganz nach oben getragen werden.

    Armin Laschet, By Olaf Kosinsky , from Wikimedia Commons
    Klar, dass mit einem Sieg von Friedrich Merz, dem Liebling der eher konservativen Basis, das große Stühlerücken begonnen hätte. Die große Fraktion der Speichellecker, die in Merkels Schatten Karriere machen konnten, indem sie der Kanzlerin auch bei fatalen Fehlentscheidungen die Treue hielten, wie sie ihre jetzt zu Ende gehende Amtszeit prägen, wäre unter gewaltigen Druck geraten. Dagegen galt es sich zu wappnen. Das ist gelungen. Das Aufatmen ist weithin hörbar.

    Kaum eine Rolle spielte bei diesem Kampf um den Parteichefsessel das massive Versagen der Merkel-Regierung in den letzten Jahren: Schlingerkurs bei der CoVid-19-Bekämpfung, EU-Geldverschleuderungsfonds, Spahns „Soylent Green“-Gesetzentwurf zur Organspende, fehlende klare Kante gegen den Geschlechtsrevisionismus der Genderisten sowie bei den aktuellen Angriffen auf Artikel 1 und 6 des Grundgesetzes, die Menschenwürde (Sterbehilfe, Werbeverbot von Abtreibungen) und den Schutz von Ehe und Familie gegen ideologische Umdeutungen. Die grundgesetzlich geschützte Menschenwürde begreift diese Partei nicht mehr wie noch unter Konrad Adenauer im Sinne christlicher und biblisch fundierter Wertvorstellungen, sondern unter dem Druck einer grün unterwanderten „vierten Gewalt“ als hypermoralischen Humanismus mit Rotgrün-Anstrich.

    Angela Merkel hat konservative Werte in beispielloser Weise verraten, aber das anzuprangern hatte keiner der drei Kandidaten den Mut. Auch Merz blieb in dieser Hinsicht blass. Auch er wagte den radikalen Bruch mit Merkel nicht. Selber schuld. Die Basis geht diesen Kurs schon lange nicht mehr mit, neigt in vielen Fällen und unter vorgehaltener Hand überall dort der AfD zu, wo die junge Partei glaubhaft ihre Verbundenheit mit den Werten des Grundgesetzes erkennen lässt.

    Die Ablehnung der Rundfunkgebührenerhöhung in Sachsen-Anhalt war in dieser Hinsicht ein erstes Warnsignal, ein Schuss vor den Bug des Partei-Establishments, das mit den linken Leitmedien unter Merkel ihren Frieden gemacht hat (bzw. diese mit ihm). Jetzt aber ging der Schuss nach hinten los: Der Versuch einer friedlichen Parteirevolution von unten, mit dem das machtversessene und wertevergessene Establishment unter der Führung von Friedrich Merz hinweggefegt werden sollte, ist gescheitert.

    Der Rammbock ist stecken geblieben in dem gut gesicherten Burgportal des fett gefressenen Parteiadels und seiner Pfründenverwalter in den Kreisverbänden. Der Angriff war massiv, aber die an den Fleischtöpfen der Macht Sitzenden sind gut genährt und waren gut vorbereitet. Sie werden das murrende Untertanenvolk weiter nach klarer Kante gegen links hungern, es in ihrer unstillbaren Sehnsucht nach Ehre, Gott und Vaterland weiter darben lassen. Die Werte, für die die CDU einst stand, werden weiter an der charismalosen Realpolitik zerschellen, für die die Ära Merkel steht. Mit Armin Laschet, dem „männlichen Merkel“, wird das Hungern und Darben der Basis weitergehen.

    Was werden die Enttäuschten tun? Werden sie den zerstörten Rammbock aus dem Burgtor ziehen und einen zweiten Angriff auf die Parteifestung wagen? Nach dem Vorbild der SPD-Vorsitzendenwahl auf eine Urwahl bei der Kanzlerkandidatenkür drängen? Immerhin war die Niederlage knapp. Oder werden sie sich erneut von den leeren Versprechungen der feisten Burgherren vertrösten lassen? „Wir müssen zusammenhalten!“, „Wir wollen doch letztlich auch für euch nur das Beste!“, „Einigkeit macht stark!“ Geschlossenheitsrhetorik wird man in den kommenden Wochen sicher noch oft zu hören bekommen.

    Aus Sicht der wackeligen Sieger mit ihrem beschädigten Burgtor – im ersten Wahlgang erzielte Merz fünf Stimmen mehr als Laschet – wäre es wohl am ratsamsten, den Anführer des Parteipöbels aus dem Verkehr zu ziehen und Friedrich Merz mit der Aussicht auf einen lukrativen Posten in der nächsten CDU-geführten Regierung, den des Wirtschaftsministers, zahnlos zu machen. So hat man schon viele Revolutionsführer kaltgestellt. Die Partei wird Merz einiges bieten müssen, um ihn zu zähmen. Das Land der Enttäuschten, die in Friedrich Merz die letzte Chance sahen, das zu retten, woran sie mal geglaubt haben, als sie in die CDU eingetreten sind, wird das aber wohl kaum befrieden.

    Auf den Facebook-Kampagnenseiten zur Unterstützung von Friedrich Merz häuften sich nach der Abstimmung Posts wie „Das war’s mit der CDU.“ Viele werden der einstigen Adenauer-Kohl-CDU nun endgültig den Rücken kehren und die AfD, schon jetzt das größte Sammelbecken enttäuschter CDU-Anhänger, zum Zielobjekt ihrer politischen Erneuerungshoffnungen machen. Dort reibt man sich die Hände: Etwas Besseres als ein Wahlsieg von Laschet konnte der AfD gar nicht passieren.

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