Am U-Bahnhof „Mohrenstraße“ gibt es bald schon keinen Halt mehr. Weil der Straßenname farbige Menschen rassistisch diskriminiere, benennen die Berliner Verkehrsbetriebe den Bahnhof um. Er soll jetzt wie der russische Komponist Glinka heißen, dessen Oper „Fürst Cholmskij“ von einer jüdischen Verschwörung im Zarenreich handelt.

    Ist der Vorwurf des Rassismus erstmal ausgeräumt, kommt schon der nächste unschöne Verdacht um die Ecke: Die Oper „Fürst Cholmskij“ von Michail Iwanowitsch Glinka „strotze von Antisemitismus“, die Umbenennung des Bahnhofs „Mohrenstraße“ in „Glinkastraße“ sei deshalb keine gute Wahl. So jedenfalls argumentierte die Berliner Zeitung kurz nach Bekanntgabe der politisch immer wieder geforderten Namensänderung. In Zeiten der politischen Korrektheit ist es gar nicht mal so einfach, einen historischen Bezug zu finden, der vor dem Richterstuhl linker Hypermoral Bestand haben kann.

    Ein Zeichen afrikanisch-brandenburgischer Verständigung

    Gegen die Mohrenstraße haben vor allem Gruppen wie der Afrika-Rat Berlin, die Initiative schwarzer Menschen und der kolonialkritische Verein Berlin Postkolonial agitiert. Sie betrachten den Begriff „Mohr“ als diskriminierend und die Beibehaltung des Straßennamens als Folge mangelhafter Auseinandersetzung mit Rassismus und der deutschen Kolonialgeschichte.

    Dabei steht die Mohrenstraße Historikern zufolge für etwas völlig anderes: Anfang des 17. Jahrhunderts befand sich das Kurfürstentum Brandenburg in friedlichen Verhandlungen mit Stämmen der afrikanischen Westküste. Es wurden Schutzverträge ausgehandelt, nach deren Abschluss eine Delegation afrikanischer Diplomaten unter Leitung von Häuptling Janke für mehrere Monate nach Berlin reiste. Während dieser Zeit soll die Delegation auf dem Weg von ihrer Unterkunft zum kurfürstlichen Hof jeden Tag dieselbe Straße genommen haben, wodurch die Mohrenstraße vermutlich zu ihrem Namen kam.

    Bildersturm reloaded

    „Mohr“ war damals eine völlig normale und keineswegs abwertend gemeinte Bezeichnung für schwarze Menschen. Was die heutige Linke jedoch nicht daran hindert, den Mohr im Sprachgebrauch zu problematisieren. Die historischen Umstände spielten ohnehin keine Rolle, sagte Tahir Della von der Initiative „Schwarze Menschen in Deutschland“ vor einem Jahr der FAZ. „Entscheidend ist, dass der Begriff von schwarzen Menschen heute als diskriminierend empfunden wird“, so der Aktivist, der die Mohrenstraße nur „M-Straße“ nennt.

    Das erinnert an einen Fall in den Vereinigten Staaten, wo „Black Lives Matter“-Demonstranten in völliger historischer Unkenntnis oder blinder Zerstörungswut das Denkmal eines aus Norwegen stammenden Kämpfers gegen die Sklaverei umrissen. Auch Mahatma Gandhi wurde von den neuen Bilderstürmern schon vom Sockel geholt. Warum, das weiß keiner.

    Unverständnis bei den Berlinern

    Jetzt also Glinka statt Mohr. Jener Glinka, in dessen Oper „Fürst Cholmskij“ die Juden eine Verschwörung anzetteln, um die russische Armee im Kampf gegen den deutschen Schwertbrüderorden Livlands zu schwächen? Der mit unheildräuender Musik die „Häresie der Judaisten“ vertont hat? Genau der. Die Schlange beißt sich in den Schwanz.

    Währenddessen kann der einfache Bürger über solche Debatten nur den Kopf schütteln. Der 60-jährige Norbert Baudach sagte heute Morgen dem Berliner Kurier:  „Ich finde, es ist absoluter Schwachsinn, und ich habe den Eindruck, dass der Senat viel zu viel Geld hat. Überall werden die Millionen verschwendet – ob am Schloss, am BER oder jetzt hier.“ Gleicher Meinung ist die 82-jährige Anita Walter: „Warum soll der Bahnhof umbenannt werden? Ich denke nicht, dass durch diesen Namen jemand beleidigt wird. Ich bin dagegen und finde es unmöglich, dass man für so etwas Geld ausgibt.“

    Wenn Sie anders denken als Aktivist Tahir Della und „historische Umstände“ sehr wohl als wichtig erachten, sei Ihnen unsere aktuelle Geschichtsausgabe empfohlen. Darin haben wir die Glanzlichter aus 1000 Jahren deutscher Reichsgeschichte versammelt . Ein strahlendes Heft, das Sie hier bestellen können.

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