Deutsche Politiker wie Kanzlerin Angela Merkel oder der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sollen mit Zustimmung des dänischen Auslandsgeheimdienstes FE von der geheimen Abhörstation Sandagergardan in der Nähe von Kopenhagen aus vom US-Dienst NSA überwacht worden sein. Steinmeier zeigte sich in einer ersten Reaktion verärgert und sprach von einem politischen Skandal. Es folgen Auszüge aus dem Artikel „Feind hört mit“ von Martin Müller-Mertens und Karel Meissner, der in COMPACT-Spezial Tiefer Staat: Geheimdienste und Verfassungsschutz gegen die Demokratie erschienen ist. Hier mehr erfahren.

    Auf der globalen „Heat Map“ der NSA sticht Deutschland inmitten eines grünen und damit für die USA unwichtigen Kontinents in Dunkelorange hervor – damit liegt die Bundesrepublik auf demselben Top-Level wie der Irak und China. In dem dazugehörigen NSA-Papier heißt es, die Daten würden „against“, also gegen die jeweils genannten Staaten, gesammelt. Vor diesen Angriffen ist kein Bürger, keine Partei, keine Firma, keine Institution sicher. Nicht einmal die Bundeskanzlerin.

    Das Merkel-Gate

    Am 24. Oktober 2013 flog auf, was Angela Merkel zuvor immer wieder abgestritten hatte: Das Diensthandy der Regierungschefin war von der NSA bespitzelt worden. Das offizielle Berlin war kurzzeitig entsetzt. Der damalige Unionsfraktionschef Volker Kauder bezeichnete die USA als „digitale Besatzungsmacht“. Die Kanzlerin selbst zitierte ausgerechnet die Worte, mit denen sich ihr sozialdemokratischer Amtsvorgänger 2003 gegen den Irak-Krieg gewandt hatte: „Bei uns in Deutschland gilt nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts.“

    Auch ihr damaliger Geheimdienst-Koordinator Ronald Pofalla – er hatte den NSA-Skandal Ende August 2013 expressis verbis für „beendet“ erklärt – ruderte nun plötzlich zurück: Das Handy-Gate würde „auf alle Aussagen der NSA (…) in den vergangenen Monaten ein neues Licht werfen“.

    Der NSA-Skandal spielte keine Rolle: Am 19. Juni 2013 sprachen US-Präsident Barack Obama und Kanzlerin Angela Merkel vor einem hermetisch abgeriegelten Brandenburger Tor in Berlin zu einem handverlesenen Publikum. Foto: U.S. Embassy Berlin

    Schurkenstaat USA

    Höhepunkt dieser verbalen Erektionen war die Einbestellung des Berliner US-Botschafters zum Rapport – so etwas war vorher nur Repräsentanten von Schurkenstaaten passiert. Das offizielle Washington hingegen zeigte gegenüber den deutschen Befindlichkeiten ganz offen seine Weltmacht-Arroganz. So verteidigte der frühere CIA-Direktor unter George W. Bush, Michael Hayden, den Angriff auf Merkels Handy und nannte Gründe für die Spähattacke.

    Ich gebe mal ein Beispiel: Die Deutschen waren ja gegen einen Einmarsch in Libyen, und es war eine legitime Spionagefrage, ihre genaue Position dazu zu kennen. Und ich bin kreativ, vielleicht hat unser Finanzminister mal gesagt: ‚Ich muss genau wissen, wie weit die Deutschen in Griechenland gehen würden, um die Eurozone zu retten‛

    , zitierte die Tagesschau am 3. November 2013 den einstigen Geheimdienstchef.

    Bereits der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) war ins Visier der NSA geraten. „Schröders strikte Opposition gegen den Irakkrieg, sein Flirt mit den Russen und sein sich anbahnendes Engagement für Gazprom seien geradezu zwingende Gründe für das Weiße Haus gewesen, den Kanzler als Ziel einzustufen“, sagte ein hochrangiger ehemaliger US-Regierungsbeamter dem Autorenduo Marcel Rosenbach und Holger Stark (Der NSA-Komplex: Edward Snowden und der Weg in die totale Überwachung ).

    „Die Amerikaner müssen sich nicht entschuldigen“

    Aus dem US-Außenministerium erfuhren die beiden auch die zwei wichtigsten Gründe für die Merkel-Überwachung: „Die US-Regierung habe wissen wollen, wie die Kanzlerin tatsächlich über die Euro-Krise denke – und wie sie intern über die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm rede.“ Mit Warum wir die Deutschen ausspionieren müssen, war schließlich ein Essay des US-Journalisten James Kirchick Mitte Juli 2014 in der FAZ übertitelt. Frech postulierte er:

    „Die Amerikaner müssen sich nicht dafür entschuldigen, in Deutschland spioniert zu haben. Im Gegenteil: Nach den Enthüllungen in dieser Woche sollten die Deutschen tief in sich gehen und sich fragen, warum Washington nicht das Bedürfnis hatte, es viel früher zu tun.“

    Die Deutschen sind also selbst schuld, dass die US-Dienste sie abhören müssen…

    Den ganzen Artikel „Feind hört mit“ können Sie im COMPACT-Spezial Tiefer Staat: Geheimdienste und Verfassungsschutz gegen die Demokratie lesen. Hier mehr erfahren oder auf das Banner unten klicken.

    Wie gefährlich ist der Tiefe Staat? Diese Spezialausgabe von COMPACT legt sich mit der unsichtbaren Macht in unserem Land an: Der Hintergrundstruktur aus Geheimdiensten und Verfassungsschutz.

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